Trend Wellness für den Mann in Barbershops
Männer tragen wieder Bart. Viele lassen sich diesen lieber von einem Profi stutzen. Ein neuer Trend sind Barbershops.
Magdeburg l Der Bart ist mit einer Schicht Rasierschaum bedeckt, das scharfe Rasiermesser wird mit Alkohol eingesprüht und angezündet, um es zu desinfizieren – dann setzt der Barbier die Klinge am Hals des Kunden an ...
Was für den Laien gefährlich aussieht, ist für Barbier Sherzad Ali mittlerweile Alltag. Seit Mitte Dezember betreibt er einen kleinen Barbershop, ein Friseurgeschäft nur für Männer, in der Sternstraße in Magdeburg. Neben dem Haareschneiden hat sich der 26-Jährige auf die Bartrasur mittels Rasiermesser spezialisiert. Mit geübten Handgriffen zieht er die Konturen des Bartes nach. Wünscht der Kunde auch eine Augenbrauenkorrektur, zupft Sherzad, kurz Shero genannt, die kleinen Härchen mit Hilfe eines Fadens, den er über Kreuz gespannt wie eine Pinzette einsetzt. Dieser Rundum-Service gefällt den Kunden wie Martin Gernegroß, der regelmäßig den kleinen Laden besucht.
Schon in seinem Heimatland Syrien hatte Shero in seiner Freizeit Freunden die Haare geschnitten. Seine Mutter schimpfte: „Du bist doch Lehrer, wieso gehst du als Friseur arbeiten?“ Im März 2014 kam Shero nach Deutschland. „Ich wollte immer einen eigenen Laden haben“, erklärt Shero. Bei der Arbeit laufe immer Musik im Hintergrund, denn „die Arbeit soll Spaß machen“, sagt er.
Allein in Magdeburg sind zum Jahresende 2017 198 Friseurbetriebe bei der Handwerkskammer Magdeburg registriert. Der Bestand hat sich im Vergleich zum Vorjahr um sieben Betriebe erhöht. Dabei erfolgt jedoch keine Unterscheidung in klassische Friseurläden und Barbershops. Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Friseurhandwerks, weiß, dass sich die Zahl der Läden, die auf Rasuren spezialisiert sind, in den letzten Jahren stark erhöht hat. Seiner Schätzung nach existieren mittlerweile „ein paar tausend“ Barbershops in ganz Deutschland.
Der Barbershop-Trend sei, so Müller, eine logische Schlussfolgerung der Entwicklung der letzten Jahre. „Die Männer nähern sich dem Thema Beauty und Schönheit an und es erfolgt eine Rückbesinnung auf die Männlichkeit. Barbershops sind daher Friseure, die sich mit einem zielgerichteten Konzept an eine bestimmte Klientel richten.“
Auch wenn der Barttrend vermutlich, wie in Italien, in den kommenden Jahren zurückgehen werde, sieht der Experte die Zukunft der Branche optimistisch: „Das Marktsegment wird bestehen bleiben, als Beautysalon für Männer.“ Manch klassischer Friseur bietet zusätzlich zum Haareschneiden auch Bartrasur und -pflege an. Einer von ihnen ist Torsten Rack. Sein Friseurladen in Wolmirstedt verfügt seit der Eröffnung 2014 über eine separate „Herrenecke“, wie Rack sie selber nennt. Plakate mit 50er-Jahre-Haartollen zieren die Wände, Bartpflegeprodukte stehen in den Regalen und aus dem Radio erschallt „Do you love me“ von den Sonics – ein Paradies für Retro-Fans.
Aber Torsten Rack will einen Laden für die ganze Familie bieten. Deswegen sind ihm Damen- und Kinderhaarschnitte ebenso wichtig wie seine männliche Kundschaft. Zu dieser zählt von Beginn an Utz Gierlich. Der 48-jährige Hüne mit grauem Haar und weißem Bart ist alle 14 Tage Gast in Racks Laden. Die Chemie habe einfach von Anfang an gepasst und die Leistung sei tadellos, sonst wäre er nach dem ersten Mal nicht wiedergekommen, erzählt Gierlich.
Torsten Rack kennt sich aus, wenn es um das Thema Rasur geht. Er erklärt: „Männerbarthaare sind wie kleine Kupferdrähte, deshalb hält eine Klinge nicht für die ganze Rasur, man braucht zwei Klingen oder manchmal auch drei.“ Um den Bart optimal bearbeiten zu können, legt Rack zu Beginn der Behandlung eine heiße Kompresse auf, nachdem er den Rasierschaum auf das Gesicht aufgetragen hat. „Die Rasierseife ist alkalisch und in Verbindung mit der heißen Kompresse quillt die Haut auf. Das Haar ist dadurch weicher, die Rasur gründlicher und es beugt Hautirritationen vor“, erklärt er.
Utz Gierlich sieht es als absoluten Vertrauensbeweis, sich beim Friseur unter‘s Messer zu legen. „Die komplizierteste Stelle beim Rasieren ist wider Erwarten nicht die Kehle“, erzählt Rack, „sondern die Stelle unterhalb der Nase, weil sie schwer zu erreichen und empfindlich ist.“ Rack habe auch schon Kunden gehabt, die das Gefühl, ein Messer am Hals zu haben, nicht ertragen konnten.
Nachdem sich Utz Gierlich für ein Aftershave mit herb-frischer Note entschieden hat, resümiert er: „Das Schönste bei der Rasur ist: Es ist so entspannend. Man könnte glatt eine halbe Stunde wegnicken.“
Die Kosten für eine Bartrasur schwanken stark je nach Friseurladen. Für eine Vollrasur, die mit allen Vorbereitungen bis zu einer halben Stunde dauern kann, werden nach Volksstimme-Informationen zwischen 10 und 45 Euro genommen.
In der Regel sind Bartträger bereit, für den besonderen Service auch hohe Preise zu bezahlen. Denn der Trend, für möglichst kleines Geld zum Friseur zu gehen, ebbe langsam ab, sagt Jörg Müller. „Die Kunden sind bereit, gute Dienstleistungen nachzufragen und auch zu bezahlen.“ Barbershops erzielten, so Müller, durchschnittlich 20 bis 30 Prozent höhere Preise am Markt.
Doch unter die professionellen Barber, die sich auf Rasur spezialisiert haben, mischen sich auch schwarze Schafe. In diesen „preisaktiven“ Läden gelten Tarife von zehn Euro oder weniger für einen Herrenhaarschnitt – Preise, mit denen klassische Friseure nicht konkurrieren können. „Generell ist dieser Trend aber rückläufig“, erläutert Müller. „Die Kunden wollen dagegen ein Mehr an Qualität und Service.“ Letztlich habe der Kunde den Vorteil, sich zwischen unterschiedlichen Angeboten entscheiden zu können.
Deutschlandweit bieten rund 80.000 Unternehmen und Filialen ihre Dienstleistungen im Friseurbereich an und erzielen damit einen Umsatz von 6,7 Milliarden Euro jährlich. Wer seinen eigenen Laden eröffnen will, sollte beachten: Deutsche Friseure können, so die Handwerkskammer Magdeburg, nur mit Meisterabschluss ein Geschäft führen. Liegt dieser nicht vor, können Altgesellen und Friseure aus dem Ausland eine Prüfung ablegen, um ihre Qualifikation unter Beweis zu stellen.
Laut Rahmenlehrplan gehört die Rasur zur klassischen Friseurausbildung dazu. Damit könnte theoretisch jeder Friseur Bartpflege anbieten. Ob künftig mehr Friseure auch rasieren, dürfte vom Konkurrenzdruck und der Nachfrage abhängen.