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Ausgrabungen in Sachsen-Anhalt Kind mit Wasserkopf bestattet: Gräber im Saalekreis entdeckt

Die fruchtbaren Böden in Sachsen-Anhalt bescheren den Archäologen reiche Funde. Bei Grabungen entlang der künftigen Gleichstromtrasse SuedOstLink wurde bei Wettin-Löbejün nun eine 1.000 Jahre alte Siedlung samt Gräberfeld entdeckt.

Von dpa Aktualisiert: 02.08.2024, 00:01
Ausgrabungen im Saalekreis bei Wettin-Löbejün: Grabungsarbeiter Kazim Bakhtivari legt die Bestattung eines kranken Kindes mit einem sogenannten Wasserkopf frei.
Ausgrabungen im Saalekreis bei Wettin-Löbejün: Grabungsarbeiter Kazim Bakhtivari legt die Bestattung eines kranken Kindes mit einem sogenannten Wasserkopf frei. Foto: dpa

Wettin-Löbejün. - Archäologen haben bei Wettin-Löbejün im Saalekreis eine rund 1.000 Jahre alte Siedlung mit komplettem Gräberfeld entdeckt. Die Grabungen laufen im Vorfeld des Netzausbaus der Gleichstromtrasse SuedOstLink.

„Auf dem kleinen Friedhof von nur 5 mal 30 Meter Grundfläche liegen 60 Bestattungen in zwei parallelen Reihen dicht an dicht beieinander“, sagte Projektleiterin und Archäologin Susanne Friederich auf der Grabungsfläche.

Archäologen entdecken 1.000 Jahre alte Siedlung bei Wettin-Löbejün

Und weiter: „Die Nord-Süd ausgerichteten Toten wurden auf dem Rücken liegend mit Blick nach Osten, nach christlichem Ritus, ohne Beigaben beigesetzt.“

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Lediglich Trachtgegenstände, wie Bronzeringe und Perlen, lagen in den Gräbern. Es handelt sich meist um Kopfnischengräber, wie sie im 10. bis 12. Jahrhundert verbreitet waren. Teilweise gab es auch Steinumfassungen an Kopf oder Beinen.

„Besonders auffällig ist eine quadratisch ausgehobene Grabstelle: ein Familiengrab mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern. Spuren von Eckpfosten und Holzbalken belegen eine komplexe Grabarchitektur“, erläutert Grabungsleiter Markus Fitzek.

Grabungsleiter: "komplexe Grabarchitektur"

Ebenso außergewöhnlich ist die Bestattung eines kranken Kindes, das an einem Hydrocephalus - auch Wasserkopf genannt - litt. Bei dieser Krankheit sammelt sich übermäßig viel Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit im Schädelinneren an. 

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Bei Säuglingen mit noch unfesten Schädelknochen wird der Druck durch ballonartige Aufblähung des Schädels ausgeglichen. Im Brustbereich des Kindes fanden sich Perlen. Möglicherweise war der Schmuck ein Zeichen der Sorge der Gemeinschaft.

Wasserversorgung über unbefestigte Brunnengruben

Zudem wurde auf 5.000 Quadratmetern Fläche ein slawischer Siedlungsbereich freigelegt. Die Fläche umfasst ein Handwerksviertel mit Materialabbaugruben, die vorwiegend der Gewinnung von Raseneisenerz dienten. Ein Hochofen mit angesammeltem Roheisen auf der Ofensohle belegt die Verarbeitung vor Ort.

Der Schädel eines bestatteten Kindes.
Der Schädel eines bestatteten Kindes.
Foto: Heiko Rebsch/dpa

Funde von Spinnwirteln weisen auf eine Textilherstellung hin. Für die Wasserversorgung dienten zwei unbefestigte Brunnengruben, die circa 1,50 Meter tief erhalten sind. 

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Es gab zwei Siedlungsphasen. In der früheren Phase wurde der Platz von einem vier Meter breiten Umfassungsgraben geschützt. Später, in der zweiten Phase, wurde dieser Schutz aufgegeben.

Stromtrasse SuedOstLink führt durch Altsiedelland mit überaus fruchtbaren Böden

Die Siedlung bestand nun aus einzelnen Gehöften, die von kleineren, etwa 50 Zentimeter breiten Gräben umgeben waren. Zu den besonderen Funden aus dem Siedlungsbereich zählen eine Perle aus einem Gehöftgraben und ein Bronzearmreif aus dem Umfassungsgraben.

Projektkoordinator Christian Lau erläutert das komplexe Gesamtbild. „Etwa 25 Meter von der Siedlungsstelle entfernt befindet sich der zugehörige Friedhof. Auf dem Weg dorthin kamen die Einwohner an Pferdebestattungen vorbei.“

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Auf 170 Kilometern Länge durch Sachsen-Anhalt führt die Trasse durch Altsiedelland mit überaus fruchtbaren Böden. Die gesamte Trasse ist rund 540 Kilometer lang.

Seit 7.500 Jahren: Bodenqualität ausschlaggebender Faktor bei Wahl von Siedlungsorten

Seit der Sesshaftwerdung von Menschen in der Region vor etwa 7.500 Jahren war die Qualität des Bodens der ausschlaggebende Faktor bei der Wahl von Siedlungsorten.

Dies führt dazu, dass die Dichte archäologischer Befunde in der Region sehr hoch ist. Bislang wurden am SuedOstLink in Sachsen-Anhalt durch alle Zeiten hinweg insgesamt 300 Fundstellen von Siedlungs- und Bestattungsplätzen identifiziert.

Die archäologischen Dokumentationsarbeiten im Bereich Wettin-Löbejün werden Ende August 2024 abgeschlossen.