Seilbahnprojekt Willingmann als Teil der "Harz-Mafia"?
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann erklärt, warum noch keine Lösung für das Seilbahn-Projekt in Schierke gefunden wurde.
Magdeburg l Der Harz würde von einer Seilbahn in Schierke profitieren – davon ist Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) überzeugt.
Herr Minister, der Seilbahnstreit in Schierke hat hohe Wellen geschlagen. Wie fühlt man sich denn so als Mitglied der „Harz-Mafia“?
Armin Willingmann: Ich bin zwar bekennender Harzer, aber selbstverständlich kein Mitglied irgendeiner „Mafia“.
Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) hat ihre politischen Kontrahenten im Streit so bezeichnet.
Das war sicher eine verunglückte Reaktion und Formulierung und nur mit einer angespannten Situation zu entschuldigen. Es gibt natürlich keine Harz-Mafia.
Auf potenzielle Investoren dürfte diese Wortwahl nicht gerade einladend wirken.
Auch Investoren wissen, dass es in der Politik manchmal hitzig und unbedacht zugeht. Wir sollten allerdings den Eindruck vermeiden, in Sachsen-Anhalt zum „Problembärentum“ zu neigen. Auch bei großen Projekten muss man im Interesse des Landes zu Lösungen kommen, sonst schreckt man Investoren tatsächlich ab.
Würde der Harz denn von einer Seilbahn profitieren?
Davon bin ich überzeugt. Es geht nicht nur darum, im Winter da oben eine Seilbahn zu haben. Touristische Projekte werden heute häufig mit Seilbahnen geplant. Das hat gar nicht nur mit Wintersport zu tun. Es besteht bei Urlaubern offenbar das Bedürfnis, über eine Altstadt, einen Fluss oder eine schöne Landschaft befördert zu werden. Seilbahnen sind Attraktionen – wie wir beispielsweise auch aus Thale wissen. Zudem würde in Schierke eine neue Verbindung zwischen Ost- und Westharz geschaffen.
Kritiker bemängeln, dass der Eingriff in die unverwechselbare Natur zu groß ist.
Das sehe ich anders. Der Nationalpark wird von der Seilbahn kaum tangiert. Da oben ist weiterhin unglaublich viel Natur. Das kann gut nebeneinander existieren. Daher freue ich mich sehr, dass man sich in Schierke zum Tourismus bekennt und ein klares Konzept verfolgt: Erst in die Infrastruktur zu investieren, um dadurch weitere Investitionen zu generieren. Wir erleben dieser Tage im Harzer Winter, dass dieses Konzept aufgeht.
Was macht Sie so sicher?
Aus Gesprächen weiß ich, dass weitere Unternehmer in der Warteschleife sind. Sie warten darauf, dass die Bedingungen weiter verbessert werden. Wenn das geschieht, werden auch neue Hotels und Pensionen entstehen.
Der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt geht es insgesamt sehr gut. Wie lange wird dieser Trend anhalten?
Natürlich nicht ewig. Aber wir sollten den Abschwung auch nicht herbeireden. Es gibt derzeit keine Indikatoren, die auf eine Trendwende hindeuten. Ich gehe ganz fest davon aus, dass 2018 erneut ein gutes Jahr für unsere Wirtschaft wird. Die Unternehmen reden ja nicht über den nächsten Auftrag, sondern darüber, wie sie die nächsten Aufträge mit dem vorhandenen Personal überhaupt stemmen können.
Das wird sich so schnell nicht ändern.
Ja, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, brauchen wir neben Qualifizierungsmaßnahmen dringend ein Einwanderungsgesetz. Mehr als 20 Jahre lang wurde das verschlafen. Wir müssen nun rasch unsere konkreten Bedarfe identifizieren. Besonders in der Gesundheitsbranche, in der Pflege, aber auch im Bereich Maschinenbau und generell im Handwerk sind wir auf Zuwanderung angewiesen. Fachkräftesicherung bleibt allerdings auch Aufgabe der Unternehmen, etwa wenn es um attraktivere Löhne und Arbeitsbedingungen geht.
Die Unternehmer beschäftigen die Russland-Sanktionen. Anders als Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) setzen Sie auf Härte. Warum?
Wir sind beide der Ansicht, dass man die Sanktionen zurückfahren muss. Die Frage ist nur, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen. Insofern setze ich nicht auf Härte, sondern auf Klarheit und Verlässlichkeit.
Wofür plädieren Sie?
Wie der Ministerpräsident sehe ich in der Annexion der Krim durch Russland und das Agieren in der Ostukraine einen evidenten Bruch des Völkerrechts. Dagegen hat es auf europäischer Ebene eine abgestimmte Reaktion aller Mitgliedsstaaten der Union gegeben; ein notwendiges Signal – auch darin sind sich die meisten Politiker in Regierungsverantwortung einig. Die dann europäisch verabredeten Maßnahmen – einschließlich der Wirtschaftssanktionen – waren das mildeste Mittel der Reaktion auf diesen Bruch der europäischen Friedensordnung.
Dennoch gilt: Wir müssen uns Russland wieder annähern. Aber dafür bedarf es erster Schritte der russischen Seite, wie sie etwa in den Abkommen von Minsk auch mit Russland verabredet wurden. Bis es so weit ist, sollten wir in Europa eng und verlässlich zusammenstehen, Positionen abstimmen und auf Alleingänge verzichten. Und wir sollten auch nicht vergessen: Unsere wichtigsten Handelspartner sind in der Europäischen Union. 69 Prozent der Ausfuhren aus Sachsen-Anhalt gingen zuletzt in EU-Mitgliedsstaaten, der größte Anteil davon übrigens nach Polen.
Die Sanktionen treffen die ostdeutsche Wirtschaft. Muss man das in Kauf nehmen?
Man sollte da differenzieren: Nicht alle Unternehmen sind gleichermaßen betroffen, sondern einzelne mitunter stark, ein großer Teil gar nicht. Das zeigt sich auch statistisch: Der ohnehin geringe Anteil der Russland-Exporte ist in den letzten zehn Jahren zwar von drei auf zwei Prozent gesunken – auch unter dem Einfluss der Sanktionen. Unterm Strich ist unsere Exportbilanz bei rund 15 Milliarden Euro aber über Jahre hinweg stabil. In einer solchen Situation, in der einzelne Unternehmen insbesondere der ostdeutschen Wirtschaft durch politische Entscheidungen besonders belastet werden, wäre es meines Erachtens sinnvoll, Sanktionen mit Härtefallregeln zu verbinden.
Wie?
Zum Beispiel mit EU-Mitteln, schließlich sind die Sanktionen ja auch auf europäischer Ebene beschlossen worden. Dort, wo sich politische Entscheidungen existenzgefährdend auswirken, sollten die Länder unterstützend eingreifen können. So blieben wir gegenüber unseren europäischen Partnern loyal und verlässlich, könnten aber besondere Härten der politischen Rahmensetzung abmildern und gleichzeitig gegenüber Aggression und Grenzverletzung ein Zeichen ohne militärische Mittel setzen.
Solange Russland den Völkerrechtsverstoß nicht anerkennt, sollten die Sanktionen also aufrecht erhalten werden?
Wie gesagt: Wir müssen uns aufeinander zu bewegen. Allerdings ist Russland am Zug, den ersten Schritt zu einer Befriedung der Gesamtsituation zu gehen. Erste zaghafte Signale gibt es ja durchaus. Möglicherweise brauchen wir da aber einen langen Atem. Dieser ist aber unerlässlich: Im Ukraine-Konflikt sind nach OECD-Angaben seit 2014 mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen. Auch dies gebietet, bei allen anstehenden Entscheidungen einen Moment innezuhalten und auf die Rückkehr zu einer Friedensordnung zu drängen – um der Menschen willen. Deshalb bedarf es bei solchen Krisen verlässlicher internationaler Reaktion, nicht Resignation. Von dieser Verlässlichkeit Deutschlands profitiert auch unsere Wirtschaft – seit Jahrzehnten.