Seilbahn-Projekt Gewissensfrage Winterberg
Winterberg ja oder nein? Sabine Wetzel (Bündnis 90/Grüne) schlägt im Schierke-Ausschuss die Notbremse vor.
Wernigerode l „Ist es nicht langsam Zeit, die Notbremse zu ziehen? Wie viel Kraft, Geld und Zeit wollen wir noch für dieses Seilbahn-Projekt aus dem Fenster werfen?“ Nach Sabine Wetzels (Bündnis 90/Die Grünen) Worten ist es still im Sitzungssaal des Neuen Rathauses.
Kurz zuvor hat Andreas Meling die Mitglieder des Schierke-Ausschusses über den aktuellen Stand informiert. Was der Projektkoordinator sagt, klingt wenig optimistisch. Seit anderthalb Jahren läuft im Verkehrsministerium das Raumordnungsverfahren für die Ganzjahres-Erlebniswelt mit Skipiste am Schierker Winterberg. Stadt und Investor Gerhard Bürger hängen noch immer an der ersten Hürde fest. Diese Hürde heißt Naturschutz. Nach drei Gutachten und drei im Raum stehenden Verläufen für die Seilbahntrasse feilschen Planer und Ministerium weiter um jeden Quadratmeter Moorwald im FFH-Gebiet. Aber selbst mit einem Okay aus dem Ministerium und der Baugenehmigung der Kreisverwaltung ist mit neuen Hürden zu rechnen. „Wir sind nicht vor Klagen gefeit“, gibt Meling unumwunden zu.
Das ist allerdings Zukunftsmusik. Erst einmal geht es um Geld: Laut Meling, etwa 300.000 Euro, die die Stadt zubuttern muss, damit es im Raumordnungsverfahren weiter geht. „Eine Verschiebung der Trasse bedeutet eine komplette Überarbeitung aller Unterlagen.“ Der Investor habe signalisiert, die Kosten für die Umplanung nicht länger allein tragen zu wollen. Und an die Stadträte gewandt: „Zu dieser Ausgabe müssen Sie sich bekennen.“
Eine Nachricht, die sacken muss. „Wir müssen uns zu so vielem bekennen“, ist Matthias Winkelmanns (CDU) erste Reaktion. Christian Härtel fühlt sich an die Warnungen im Vorfeld erinnert: „Uns haben genügend Fachleute gesagt: Holt euch keine blutige Nase mit dem Winterberg“, so der Linke-Politiker. Es bestehe die Gefahr, dass die Stadt Hunderttausende Euro in den Sand setzt, falls das Projekt am Genehmigungsverfahren oder an einer Klage der Naturschützer scheitert.
„Andererseits diskutieren wir über den Neubau der Kita Reddeber, die Franckeschule, die Feuerwehr“, sagt Sabine Wetzel mit Blick aufs Geld und den klammen Haushalt. Die Stadt als öffentliche Verwaltung habe eine andere Verantwortung als ein Investor mit seinem Privatvermögen.
„Es gibt einen klaren Auftrag an die Verwaltung, das Projekt voranzubringen“, entgegnet Andreas Meling. „Wenn Sie nicht mehr wollen, müssen Sie es sagen.“ Roland Richter will noch. „Wie sah es denn vor zehn Jahren in Schierke aus?“ Der CDU-Fraktionschef weiter: „Das Dorf war im Niedergang.“ Seitdem in den Ortsteil investiert werde, gehe es aufwärts. „Der Lift ist ein Leuchtturm, der die Entwicklung befeuern wird.“ Parteikollege Michael Wiecker schlägt in die gleiche Kerbe: „Die Seilbahn ist eine einmalige Chance, die wir bis zum Schluss nutzen sollten.“ Fraktionsmitglied Uwe-Friedrich Albrecht rät, das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens abzuwarten. „Aufzugeben, nur weil es Gegenwind gibt – das ist der falsche Weg.“
Martina Tschäpe (SPD) stört sich daran, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, dass „halb Schierke weggerodet werden soll“. „Die Fläche ist ein kleiner Schnippel. 80 Prozent um Schierke bleiben unberührte Natur.“
Die Winter seien bis auf wenige Ausreißer fast verschwunden aus dem Harz, sagt Christian Härtel in Hinblick auf die fokussierte Winternutzung. „Ich sitze doch wohl nicht in einer Runde von hartnäckigen Klimawandelleugnern.“ Auf Wintertourismus zu setzen, sei „aberwitzig“.
Wernigerodes Baudezernent erinnert an den Ganzjahrescharakter der geplanten Erlebniswelt. „Das ist ein zusätzliches Angebot an 365 Tagen im Jahr“, so Burkhard Rudo. „Und wenn man im Winter noch Ski fahren kann, ist das das Kaviarhäubchen oben drauf.“
Die Debatte bringt am Ende keine Einigkeit unter den Stadträten. Aufschluss wird erst die Abstimmung zu den anfallenden Planungskosten geben. Dafür sei es im Moment aber noch zu früh, sagt Andreas Meling gegenüber der Volksstimme. „Es wird Gespräche mit der Politik geben. Und wenn die genauen Kosten feststehen sowie eine sachliche Aufteilung zwischen Stadt und Investor ermittelt wurde, eine Vorlage für den Stadtrat.“ Vorher müsse klar sein, ob die Umplanungen tatsächlich Aussicht auf Erfolg haben und welche Auswirkungen sich auf die Investitionskosten ergeben.