Serie: Magdeburger Vater-Sohn-Beziehungen Die Leues: Weltklasse-Kanu in vierter Generation
Als der SCM-Canadierfahrer Eckhard Leue 1980 bei Olympia in Moskau
Bronze gewann, war an seinen 1985 geborenen Sohn Erik noch nicht zu
denken. Doch der Filius trat in die Fußstapfen seines Vaters und
späteren Trainers - und krönte seine alles andere als geradlinig
verlaufende Karriere (vorerst) mit zwei Weltmeistertiteln.
Magdeburg l Olympiasieger, zwei Weltmeister, zwei Vizeweltmeisterinnen - bei den Leues, die sich am östlichen Stadtrand Magdeburgs ein idyllisches Zuhause geschaffen haben, war über Weihnachten das Haus voll. Endlich wieder einmal trafen sich die drei Kinder Friederike (29), Erik (28) und Romy (24) samt Partnern und Enkelkindern auf dem Anwesen der Eltern. Und nicht nur, weil sich die Leues nun schon in vierter Generation dem Kanu-Rennsport verschrieben haben (Uropa Fritz Schnabel war 1932 deutscher Kanu-Meister, Opa Rolf Leue startete 1958 bei der WM, Oma Siegrid war EM-6. im Jahr 1961 und Vater Eckhard gewann 1980 Olympia-Bronze) gibt es ein vorherrschendes Gesprächsthema: den Kanu-Rennsport.
Doch mit dem Blick in die Familiengeschichte ist es nicht getan. Für die Zukunft haben die Leue-Töchter gesorgt. Friederike lebt zusammen mit Kajak-Weltmeister Jonas Ems, Romy hat ihr Herz an den Canadier-Olympiasieger Sebastian Brendel vergeben, mit dem sie zwei Kinder hat.
Wohl nirgendwo in Deutschland hielten sich zum Jahresende so viele Weltklasse-Kanuten unter einem Dach auf. So nahm es nicht wunder, dass just zu den Weihnachtsfeiertagen die Hausglocke schellte, Mutter Katrin öffnete und dem Herrn mit dem silbernen Köfferchen entgegenschleuderte: "Wir kaufen nichts!" Es handelte sich allerdings nicht um einen Versicherungs- oder Staubsaugervertreter. Auf der Türschwelle stand ein Angestellter der Nationalen Anti-Doping-Agentur: Kontrolle bei Schwiegersohn Jonas Ems.
Die Leues nahmen diesen unangemeldeten, aber inzwischen zur Gewohnheit gewordenen Besuch eher locker. "Ich bin froh über jede Dopingkontrolle, weiß ich doch, dass ich sauber bin", erklärt Erik, der als Top-Athlet für ein Vierteljahr im Voraus seinen Aufenthaltsort wegen unangemeldeter Kontrollen angeben muss.
Dabei verlief die sportliche Karriere des Blondschopfes alles andere als geradlinig. "In den ersten fünf Jahren als Kanute hätte mich wahrscheinlich jeder andere Trainer fallengelassen", geht der Sohn gedankenversunken in sich und sagt dann, "einige seiner grauen Haare habe bestimmt ich ihm verursacht." Sein Vater und Trainer habe jedoch immer an ihn geglaubt, auch wenn es oft Meinungsverschiedenheiten gab, der Vater den Sohn sogar des öfteren wegen mangelnder Einsatzbereitschaft vom Fußballtraining suspendierte.
Nicht hoch genug zu bewerten ist im Rückblick die Rolle von Mutter Katrin. "Oft musste ich eingreifen, viel glätten und manchmal ein Machtwort sprechen", erinnert sich die Lehrerin an der Magdeburger Sport-Sekundarschule.
"Vater hat mich aber nie aufgegeben, auch wenn sich lange Zeit keine Erfolge einstellen wollten", so der Sohn, der keine Zweifel daran lässt, "dass meine beiden WM-Titel und die WM- und EM-Medaillen auch mit auf seine Kappe gehen".
Der Vater erachtet es durchaus als einen "Vorteil, dass Erik beim SCM trainiert hat". Er sei ein typischer Spätentwickler gewesen, der erst in relativ "hohem" Alter zum Kanusport gekommen war, so dass sich sein Leistungssprung "ziemlich weit nach hinten herausschob". Doch Eckhard Leue darf es getrost als sein bleibendes Verdienst betrachten, dass er frühzeitig das "große Entwicklungspotenzial" seines Sohnes erkannt und gefördert hat und heute voller Genugtuung sagen kann: "Erik hat sich viele Jahre lang an die Spitzenleute herangetastet und ist inzwischen in der Weltspitze angekommen."
Vater und Sohn eint viel mehr als nur ihre Sportart, doch selbst da gibt es einen kleinen, aber bedeutsamen Unterschied: Eckhard schlägt mit dem Stechpaddel rechts, Erik links. Die Frage nach dem möglichen gemeinsamen Zweier-Canadier beantwortet Eckhard Leue mit einem Lachen: "Den gab es. Im Jahre 2007 haben wir eine Spaßregatta in Hof über 200 Meter gewonnen."
Sportliche Vorbilder verneint Erik Leue hingegen: "Ich mache mein Ding, denn ich weiß, was ich will und muss dafür niemandem nacheifern."
Zwei Jahre vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro geht Erik Leues Blick nach vorn: "2014 will ich mich darauf vorbereiten, auf einer olympischen Strecke zu fahren. Denn in Rio möchte ich dabei sein, dort mit einer Medaille heimkommen."
Das, wissen Vater und Sohn, läuft auf ein familieninternes Duell mit Canadier-Olympiasieger Sebastian Brendel hinaus und wird "ganz großes Kino in der Familie". Erik: "Klar, sind Sebastian und ich dicke Freunde. Ich schätze ihn auch sehr als Trainingspartner. Er verkörpert absolute Weltklasse. Aber wenn wir auf dem Wasser gegeneinander Rennen fahren, steht das hintenan, dann sind wir erbitterte Konkurrenten."