Tennis Ein Koffer mehr - Wie Kerber als Mutter zurückkehrt
Für Angelique Kerber beginnt ein komplett neuer Karriereabschnitt. Künftig wird sie mit ihrer Tochter von Tennis-Turnier zu Tennis-Turnier reisen. Sie sei „ein bisschen aufgeregt“, gesteht sie.
Puszczykowo/Sydney - Die Reise nach Australien ist Angelique Kerber eigentlich gewohnt. In einem ihrer Lieblingsländer beginnt Jahr für Jahr rund um Silvester die neue Tennis-Saison. Diesmal jedoch ist alles anders.
Denn wenn Kerber am Montag ins Flugzeug steigt, ist die zehn Monate alte Liana selbstverständlich auch dabei. Mit ihrer kleinen Tochter und der Herausforderung, Familie und Profisport zu vereinbaren, kehrt die dreimalige Grand-Slam-Turniersiegerin nach rund eineinhalb Jahren Babypause auf die Tennis-Tour zurück.
Die „größte Herausforderung“ der Karriere
„Ich freue mich natürlich riesig“, sagte die 35-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. „Aber natürlich bin ich auch ein bisschen aufgeregt, weil ich nicht einschätzen kann, wo ich stehe, wie das alles sein wird“, gestand Kerber über die „größte Herausforderung“ ihrer Karriere. „Mit Liana wird es sicherlich ein bisschen anstrengender, auch was den Langstreckenflug und die Zeitumstellung angeht, aber ich versuche es gelassen anzugehen.“
Mit dem Packen für sich und die Kleine hat sie schon Tage vor dem Abflug begonnen. Schließlich kommt bei allem Gepäck für einen solchen Trip jetzt noch ein Koffer hinzu. Das sei schon mal die „erste Challenge auf dem Weg nach Australien“, meinte sie lachend.
Ein Tennis-Highlight für Tennis-Deutschland
Für den Auftakt zu ihrem völlig neuen Karriereabschnitt hat sich die frühere Nummer eins der Welt den United Cup ausgesucht, einen Teamwettbewerb für Damen und Herren. Dort wird sie gemeinsam unter anderem mit Alexander Zverev, mit dem auch das Mixed möglich ist, für Deutschland antreten. In Sydney trifft die deutsche Auswahl in der Gruppe D am 30. Dezember auf Italien sowie an Neujahr auf Frankreich und kämpft um den Viertelfinaleinzug.
„Ganz Tennis-Deutschland kann sich auf ein Tennis-Highlight freuen“, sagte die deutsche Damen-Chefin Barbara Rittner zum Comeback der Ausnahmespielerin, warnte aber auch: „Wie auch immer es läuft, man sollte die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen.“
Für Anfang Januar hat Kerber beim WTA-Turnier in Adelaide zugesagt. Erstes sportliches Highlight sind dann die Australian Open, die am 14. Januar in Melbourne beginnen. Die vier Grand-Slam-Turniere und die Olympischen Spiele im Sommer 2024 sind ihre großen Ziele. „Wir haben einen groben Plan, werden aber von Reise zu Reise schauen. Tendenziell will ich schon lieber ein bisschen weniger spielen als mehr“, sagte sie.
Neue Flexibilität mit altem Bekannten im Team
Spannend werde der Tour-Alltag mit der Kleinen, erklärte die Australian-Open-Siegerin von 2016: „Es wird nur mit Flexibilität funktionieren. Gerade in den ersten Tagen beim Turnier, bis die Findungsphase abgeschlossen ist, und wir alle im Team verstehen, wie es am besten passt.“ Eine neue Spontanität war schon in der Vorbereitung nötig. Statt in jedem Fall an einem pünktlichen Trainingsstart beispielsweise um 9.00 Uhr festzuhalten, ging es kurzfristig auch mal eine Stunde später los, weil die kleine Liana ihre Mutter noch brauchte.
Für ihr Comeback hat Kerber ihren langjährigen Wegbegleiter Torben Beltz als neuen alten Trainer zurück ins Team geholt. Wie fit sie nach der langen Vorbereitung in ihrer Akademie im polnischen Puszczykowo ist, frage sie sich allerdings auch selbst, räumte sie ein.
Die Fragezeichen hinter ihrer Form
„Ich bin vorbereitet und fit genug, um mir die beste Chance zu geben, wieder auf das Level zu kommen, auf dem ich aufgehört habe“, sagte die ehemalige Nummer eins der Welt, die letztmals im Sommer 2022 bei ihrem Drittrunden-Aus in Wimbledon ein offizielles Match bestritt. „Ich muss mir aber auch Zeit geben. Ich habe jetzt eineinhalb Jahre kein Match mehr gespielt und in meiner Karriere noch nie so eine lange Auszeit gehabt. Daher kann ich nicht erwarten, in Australien direkt mein bestes Tennis zu spielen.“
Auf der Tour wird sie die ehemalige japanische Weltranglisten-Erste Naomi Osaka treffen, die ebenfalls als Mutter zurückkehren will. Und Jelina Switolina aus der Ukraine sowie die Dänin Caroline Wozniacki, beide als Mütter unterwegs. „Mit Caro Wozniacki bin ich gut befreundet. Jetzt wird beim Training in den Pausen das neue Thema sein, wo unsere Kinder gerade spielen oder was sie gerade wieder veranstalten“, prognostizierte Kerber und lachte.
Auf den Turnier-Reisen rund um die Welt baut sie auf die Unterstützung der mitreisenden Familie als „entspanntere Lösung“. Sie hat sich gegen ein Kindermädchen entschieden. „Die Familie kennt die Kleine, hat den Rhythmus und die Abläufe miterlebt“, sagte Kerber. „Dann weiß ich, wenn ich auf den Platz gehe, ist alles unter Kontrolle und Liana in guten Händen. Das ist für mich das Wichtigste.“