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Bundesverfassungsgericht Streit um Polizeikosten im Fußball: Karlsruhe fällt Urteil

Hochrisikospiele mit gewaltbereiten Fußball-Fans - das kostet viel Polizeipersonal. Wer dafür bezahlt, wird nun vom höchsten deutschen Gericht entschieden.

Von Jacqueline Melcher und Ulrike John, dpa 13.01.2025, 10:05
Wer bezahlt für Polizeikosten bei Hochrisikospielen?
Wer bezahlt für Polizeikosten bei Hochrisikospielen? Moritz Frankenberg/dpa

Karlsruhe - Profifußball und Politik schauen mit großer Spannung nach Karlsruhe: In dem seit zehn Jahren andauernden Streit um Polizeikosten bei Bundesligaspielen will das Bundesverfassungsgericht am Dienstag um 10.00 Uhr das Urteil über die Verfassungsbeschwerde der Deutschen Fußball Liga verkünden. Die DFL wehrt sich gegen die Regelung Bremens, das die Kosten für den zusätzlichen Polizeiaufwand bei sogenannten Hochrisikospielen an die Liga weiterreicht.

Am 25. April vergangenen Jahres hatte das höchste deutsche Gericht die Causa verhandelt. Wie sind die Standpunkte? Welche Auswirkungen könnte das Urteil haben? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Um welche Regelung geht es?

Es geht um einen Passus im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz. Seit 2014 ist dort festgehalten, dass die Stadt bei bestimmten Veranstaltungen Gebühren erheben kann, wenn vorhersehbar zusätzliche Einsatzkräfte der Polizei benötigt werden. Die Regelung bezieht sich auf gewinnorientierte, erfahrungsgemäß gewaltgeneigte Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Menschen. „Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht“, heißt es.

Was sind Hochrisikospiele?

Als Hochrisikospiele werden solche Partien bezeichnet, bei denen besonders mit Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gerechnet wird. Nach DFL-Angaben gab es in der Saison 2022/23 bei insgesamt 612 Begegnungen in der 1. und 2. Liga 52 sogenannte „Rotspiele“. Bei normalen Bundesligaspielen in Bremen sind 500 bis 600 Ordnungskräfte im Einsatz, bei Hochrisikospielen 800 bis 1.000, wie bei der Verhandlung erklärt wurde.

Um wie viel Geld geht es?

Den ersten Gebührenbescheid bekam die DFL im Jahr 2015 - damals zu einer Bundesliga-Partie zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Rund 400.000 Euro stellte der Stadtstaat Bremen der DFL für die Polizeikosten in Rechnung. Weitere Bescheide folgten. Insgesamt geht es nach Angaben der Stadt Bremen mittlerweile um Gebühren in Höhe von mehr als drei Millionen Euro.

Auch abseits von sogenannten Hochrisikospielen kosten die Polizeieinsätze bei Fußballspielen viel Geld. So summierten sich in der Saison 2022/23 in Rheinland-Pfalz die Kosten bei allen Partien der 1. und 2. Liga, der Regionalliga, der Oberliga, bei Pokalpartien, einer Relegationsbegegnung und einem Länderspiel auf insgesamt rund 4,6 Millionen Euro. Gewalt in und um Stadien beschäftigte immer wieder die Innenministerkonferenzen - auch wegen der anhaltenden Pyrotechnik-Problematik in den Fankurven. 

Was sagt die DFL?

Nach Ansicht des Dachverbands für die 1. und 2. Liga ist die betroffene Regelung verfassungswidrig und damit nichtig. Die DFL argumentiert in ihrer Verfassungsbeschwerde, es fehle an einer abgrenzbaren, ihr zurechenbaren Leistung der Stadt Bremen. Die sei aber verfassungsrechtliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Gebührenerhebung. Außerdem seien einzelne Störer für den erforderlichen Polizeieinsatz verantwortlich - und nicht die Organisatoren. 

Die DFL hatte bei der Verhandlung die Sicherheit bei Spielen hervorgehoben. „Fakt ist, die Bundesligisten investieren signifikant in präventive Maßnahmen“, sagte Geschäftsführer Marc Lenz. „Fakt ist auch, dass das Stadionerlebnis in Deutschland sehr sicher ist. Und das bei bis zu 20 Millionen Zuschauern pro Jahr.“

Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere die Gewährleistung einer störungsfreien An- und Abreise der Besucher im öffentlichen Raum zu einer Veranstaltung, obliegt nach Ansicht der DFL der Polizei. Die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte werde nicht von ihr veranlasst. Die Polizei werde vielmehr im Interesse der Allgemeinheit tätig. Ein etwaiger Mehraufwand zur Verhinderung von Gewalttaten rechtfertige daher keine Gebührenpflicht.

Was ist mit der 3. Liga?

Der Deutsche Fußball-Bund, der von der 3. Liga abwärts an für den Spielbetrieb zuständig ist, schließt sich der Argumentation der DFL an. Deren Anwalt Bernd Hoefer warnte davor, dass Gebühren Drittliga-Clubs überfordern würden.

Wie argumentiert Bremen?

Für Bremens Innensenator Ulrich Mäurer sind die Bundesländer durch den polizeilichen Mehraufwand bei Bundesligaspielen hoch belastet. Maßnahmen, dem Gewaltpotenzial entgegenzuwirken, hätten bislang nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Kosten trage der Steuerzahler.

Nach der Verhandlung am Bundesverfassungsgericht hatte Mäurer sich für eine Einigung mit der DFL ausgesprochen: „Das Problem kann man sehr einfach lösen, indem einfach die DFL eine Summe x bereitstellt“, sagte der SPD-Politiker. „Diese wird dann nach dem Aufwand der einzelnen Länder verteilt. Natürlich bekommt Nordrhein-Westfalen das Meiste, weil sie auch am meisten belastet sind.“

Wie stehen die Erfolgschancen der DFL?

Mehrere Gerichte haben sich in den letzten Jahren mit dem umstrittenen Thema befasst. In den meisten Fällen scheiterte die DFL mit ihrer Klage gegen die Gebührenerhebung. Allein in der ersten Instanz hatte sie Erfolg: 2017 erklärte das Verwaltungsgericht Bremen den Bescheid für rechtswidrig. Die Vorsitzende Richterin begründete das Urteil damals unter anderem mit Mängeln bei der Gebührenfestsetzung. Vor allem die Berechnungsmethode sei schlicht zu unbestimmt und deshalb rechtswidrig.

Das Urteil wurde jedoch ein Jahr später in der nächsten Instanz vom Oberverwaltungsgericht Bremen aufgehoben, das die Gebührenforderung für rechtens hielt. Die Fußballspiele seien auch aufgrund der Sicherheitsleistungen der Polizei wirtschaftlich erfolgreich, hieß es zur Begründung. Eine Kostenbeteiligung sei nicht allein deshalb auszuschließen, weil die Sicherheit Kernaufgabe des Staates sei. Im März 2019 wurde das OVG-Urteil und damit die Rechtmäßigkeit der Bremer Regelung vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt.

Welche Auswirkungen könnte das Urteil haben?

Wenn sich das Bremer Modell durchsetzen würde, kämen auf die Profivereine erhebliche finanzielle Mehrbelastungen zu. Bisher ist unter anderem Nordrhein-Westfalen mit seinen zahlreichen Bundesligisten gegen Gebührenbescheide. „Die Erstattung von Einsatzkosten der Polizei, unabhängig von der Schaffung entsprechender Rechtsnormen, ist zunächst grundsätzlich nicht geeignet, den Gewalttätigkeiten bei Fußballspielen entgegenzuwirken“, betonte ein Sprecher des Innenministeriums zudem vor dem Urteil. 

Wie sehen das die Bundesländer außerhalb von Bremen? 

Grundsätzlich sind die Innenministerien für eine bundesweit einheitliche Regelung. „Wie sich bereits aus dem Koalitionsvertrag ergibt, ist das Land Rheinland-Pfalz grundsätzlich gewillt, die Schaffung einer Gebührenregelung für Hochrisiko-Veranstaltungen zu unterstützen“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums von Rheinland-Pfalz vor der Verhandlung. „Dabei macht es jedoch nur Sinn, ein gemeinsames, ländereinheitliches Vorgehen zu verfolgen, um eine einheitliche und faire Regelung zu gewährleisten.“

Hamburg prüft derzeit Polizeikosten-Fonds für Bundesligaspiele. Daniela Behrens, Innenministerin von Niedersachsen (SPD), sieht das Urteil „wegweisend für alle“.