1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Fußball
  6. >
  7. Zaun-Eklat in Bochum: „Unheimliche Macht“: Haben Fans zu viel Einfluss?

EIL

Zaun-Eklat in Bochum „Unheimliche Macht“: Haben Fans zu viel Einfluss?

Organisierte Fans sorgen in Stadien regelmäßig für beeindruckende Stimmung. Doch einige Gruppen fallen auch durch unbequeme Aktionen auf. Und testen wie in Bochum ihre Macht. Ist ihr Einfluss zu groß?

Von den dpa-Korrespondenten 18.03.2025, 11:28
Banner der Eintracht-Fans, die ein Nottor blockieren, werden entfernt.
Banner der Eintracht-Fans, die ein Nottor blockieren, werden entfernt. Anke Wälischmiller/dpa

Frankfurt/Bochum - Hilflose Spieler am Zaun. Funktionäre, die auf den guten Willen ihrer Fans angewiesen sind und an deren Vernunft appellieren: Die Geschehnisse vor dem Bundesligaspiel des VfL Bochum gegen Eintracht Frankfurt haben die Diskussion um den Einfluss von Fans - insbesondere von Ultras - neu entfacht.

Frankfurter Anhänger weigerten sich, ein Banner vom Zaun zu nehmen, das einen Fluchtweg versperrte. Das Bundesligaspiel konnte erst mit großer Verspätung angepfiffen werden. Es ist nicht das erste Mal, dass Fans für Verzögerungen im Spielablauf sorgen.

Sie sind längst nicht mehr nur konsumierende Zuschauer. Die Ultra-Gruppierungen feuern ihre Mannschaften an und verstehen sich als kritische Kontrollinstanz ihrer Vereine. Ausprägungen und Intentionen sind unterschiedlich. Doch klar ist: Viele von ihnen verfolgen klare Interessen und wissen zum Teil auch, wie sie diese durchsetzen. Haben sie mancherorts zu viel Macht?

Ex-Funktionär: „Machtspiele“

Viele Vereine tun sich schwer, über das Thema zu sprechen. Einige Club-Vertreter wollen ihren Namen nicht öffentlich lesen. Ein früherer hochrangiger Vereinsfunktionär sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Diese Fluchttordebatte ist eine Ausprägung des Machtkampfes der Fans.“ Bei solchen Aktionen handle es sich um „Machtspiele“. „Die Gruppen wollen zeigen, dass man sich nicht unterwirft. Die wissen vorher ganz genau, dass diese Tore nicht genutzt werden dürfen. Sie testen einfach mal, wie die Reaktion ausfällt.“ Vor allem bei Traditionsclubs hätten „die Ultras eine unheimliche Macht“. 

„Unsere Kurve“ sagt zum Machtthema: „Schlaue Vorschläge aus der Ferne sind schwierig, die Frage nach der Macht von Ultras ist sehr pauschal.“ Die Fan-Interessenvertretung verweist auf den individuellen Charakter von Konflikten und Ereignissen. 

Der Dachverband der Fanhilfen stört sich am Umgang mit Stadionbesuchern. „Fankultur ist keine Bedrohung und kein Sicherheitsrisiko. Vereine und Sicherheitsbehörden müssen dies verstehen und mit dieser Erkenntnis den konstruktiven Umgang mit den Fans finden“, sagte Vorstandsmitglied Linda Röttig. „Wenn wegen einer Fahne vor einem Fluchttor ein Spiel nicht angepfiffen werden kann, zeigt das doch sehr deutlich, in welcher absurden Lage Fans sich gerade befinden.“

Reschke kritisiert Anhänger

In Bochum kündigte Frankfurts Vorstandsmitglied Philipp Reschke an, dass die Vorfälle aufgearbeitet werden sollen. Der 52-Jährige kritisierte die beteiligten Anhänger deutlich. Teile der Frankfurter Szene gelten als schwierig, bezeichneten sich selbst schon als „Europapokalsieger der Randale“.

Die Regeln für das Anbringen von Bannern seien umfassend kommuniziert worden, schrieb auch der VfL Bochum. Warum sie trotzdem nicht ordnungsgemäß aufgehängt wurden, ist unklar. Fakt ist: Banner und Zaunfahnen spielen in der Ultra-Subkultur eine wichtige Rolle. Sie repräsentieren eine Gruppe. Ordnungskräfte hätten sie nicht einfach abnehmen können, ohne zu riskieren, dass die Situation eskaliert.

Klartext von Fredi Bobic

Der frühere Eintracht-Manager Fredi Bobic rügte die Aktion in der Talkrunde „Sky90“ scharf als „reine Willkür“. Und weiter: „Es sind immer spezielle Gruppierungen, die sich so das Recht zurechtmachen wollen, wie sie es immer gern haben wollen. Es geht halt nicht am Ende des Tages“, sagte der 53-Jährige. 

Die Machtspiele der verschiedenen Gruppen sind unterschiedlich, Eskalation kann viele Gesichter haben. In Form von Zaunfahnen. Oder in Form von Gewalt. Immer wieder kommt es auch zu gewalttätigen Ausschreitungen in deutschen Stadien - oder außerhalb. Hansa Rostock etwa musste sich nach gewalttätigen Zwischenfällen seiner Anhänger in der jüngeren Vergangenheit mehrfach öffentlich rechtfertigen. 

Nach dem brisanten Ost-Duell zwischen Rostock und Dynamo Dresden Ende Februar, als es zu Ausschreitungen zwischen beiden Teams gekommen war, widersprach Vorstandvorsitzender Jürgen Wehlend, dass Teile der Fanszene einen zu großen Einfluss auf den Club hätten. „Zur Wahrheit gehört: Es gibt nicht die Fanszene. Es ist ein sehr heterogenes und sehr fragmentiertes Konglomerat von Fangruppen und Interessen“, sagte Wehlend. Mittlerweile steht der langjährige Ultra-Vorsänger Sebastian Eggert an der Spitze des Hansa-Aufsichtsrats. 

Politik mischt sich ein

Die Ausschreitungen beschäftigen längst nicht mehr nur die Vereine und Sicherheitsbehörden. Auch Spitzenpolitiker schalteten sich zuletzt in die Debatten ein. Nach dem Zweitliga-Derby zwischen dem 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf rief eine martialische Darstellung der FC-Fans sogar den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul (CDU) auf den Plan, der den Club scharf in einem Brief kritisierte. Der FC hatte die umstrittene Choreografie zuvor genehmigt.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) stört sich wie viele Amtskollegen in den Ländern an hohen Kosten durch brisante Duelle. „Derbys zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig sind ohne massiven Polizeieinsatz nicht möglich. Bei den organisierten Fanszenen sind bislang leider keine Selbstreflexion und Abkehr von Gewalt und Randale zu erkennen“, sagte sie. Bei einigen Fans beider Vereine gilt sie als Feindbild.

Im vergangenen Derby war nur eine begrenzte Zahl an Gästefans in Hannover erlaubt. 96-Anhänger zeigten ihren Unmut durch ein Plakat, auf dem die Ministerin im Fadenkreuz zu sehen ist. Zudem provozierten sie Spielunterbrechungen, um gegen den Teilausschluss von Gästefans zu protestieren. Wie schon beim Protest gegen einen Investorendeal der Deutschen Fußball Liga (DFL) kamen dabei unter anderem Tennisbälle zum Einsatz. Damals protestierten organisierte Fans bundesweit - und hatten Erfolg.