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FCM-Trainer Petersen und Halberstadts Coach Kronhardt ziehen positive 100-Tage-Bilanz Guter Start an der Elbe und am Harz

15.10.2012, 01:23

Zwei Fußball-Regionalligisten, beide Trainer seit 100 Tagen im Amt. Andreas Petersen (52) leitet seit 1. Juli die Geschicke des FCM, Willi Kronhardt (43) die bei Germania Halberstadt. Im Interview mit Volksstimme-Redakteur Klaus Renner und -Mitarbeiter Florian Bortfeldt analysieren beide Trainer ihren Start an der neuen Wirkungsstätte.

Volksstimme: Wie beurteilen Sie Ihre ersten 100 Tage im neuen Amt?

Willi Kronhardt: Die Bilanz ist recht positiv. Ich bin in Halberstadt sehr herzlich aufgenommen worden. Die Entwicklung hier ist gut, man hat erkannt, dass nach dem radikalen Umbruch, wir haben in unserer extrem jungen Mannschaft nur noch wenige "alte" Spieler, wir uns auch weiterhin als ein Verein verstehen, in dem neben dem Fußball Schule und Ausbildung möglich sind. Auf sportlichem Gebiet bin ich mit unseren bisherigen Ergebnissen zufrieden.

Andreas Petersen: Ich habe meinen Schritt von Germania Halberstadt zum FCM, der in den vergangenen zwei Jahren einmal zu hundert Prozent abgestiegen wäre und einmal dem Tod knapp von der Schippe gesprungen ist, nie bereut. Es ist ein harter Job, und ich hoffe, ihn noch lange ausüben zu können. Uns ist die sportliche wie die wirtschaftliche Konsolidierung bisher gelungen. Wir sind aber noch nicht ganz soweit, in der Regionalliga vorn mitspielen zu können. Allerdings: Ich hätte schon vor dieser Saison unterschrieben, dass wir aus den ersten sieben Spielen 14 Punkte holen.

Volksstimme: Welche Unterschiede haben Sie zu Ihren vorherigen Trainerstationen ausgemacht?

Kronhardt: Lok Leipzig und Germania sind zu 100 Prozent unterschiedliche Vereine. Lok hat ein Riesenpotenzial, eine gewaltige Tradition und bis zu 7000 Zuschauer. Wir gehen in Halberstadt, so wie zuvor von Andreas Petersen praktiziert, einen anderen Weg. Hier im Vorharz arbeiten wir bodenständig, unser Finanzlimit nicht überschreitend - wie eben die Menschen in der Harzregion. Hier kümmern sich Sponsoren um Beruf, Ausbildung und Schule. Wir sind auch durch die Unterstützung der Stadt professionell aufgestellt.

Petersen: Ich möchte vorwegschicken, dass ich sehr gern in Halberstadt gearbeitet habe. Als ich dort anfing, ging es um die Existenz in der Oberliga. Jetzt verfügt Germania über eine gestandene Regionalligamannschaft. Hier wird noch in fast familiärer Atmosphäre gearbeitet und Spaßfußball entwickelt. Noch nicht so ausgeprägt ist die Fankultur. Beim FCM habe ich mit dem wunderbaren Stadion und den Fans Bedingungen vorgefunden, um Profifußball zu entwickeln.

"Es bleibt dabei: Das Runde muss ins Eckige."

Volksstimme: Ihr Alters- unterschied beträgt neun Jahre. Ergeben sich allein daraus verschiedene Auffassungen vom modernen Fußball?

Petersen: Neun Jahre machen als Fußballspieler viel aus, als Trainer aber weniger. Trotzdem lerne ich gern auch von jüngeren Kollegen etwas über Trainingsmethoden und neue Entwicklungen, denn dahinter steckt immer auch eine Philosophie. Wir waren beide gute Profis und haben auf diesem Weg die Basis-Arbeit in unserem Geschäft kennengelernt.

Kronhardt: Entscheidend ist nicht nur die Erfahrung als Trainer, sondern die Lebenserfahrung, die zu mehr Ruhe und Empathie führt. Da ist es nicht von Nachteil, wenn man als Trainer älter ist. Man muss sich schon die Hörner abstoßen, wenn man die Welt verändern will. Aber eines bleibt, nämlich die Erkenntnis, dass das Runde ins Eckige muss.

Volksstimme: Erst kürzlich begehrten einige Bundesligatrainer öffentlich gegen aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Kritik auf. Wie stehen Sie dazu?

Petersen: Wir Trainer sind zumindest in Deutschland die Mülleimer für alles, denn es werden viele Unwahrheiten verbreitet. Auch ich habe Existenzangst um meinen Job. Aber wir sind keine Deppen, unsere größte Anerkennung ist die Mannschaft. Erfolg ist nun mal das beste Mittel, seine Ruhe zu haben. Wir brauchen ein dickes Fell und den Zusammenhalt der Trainerkollegen.

Kronhardt: Ja, wir Trainer müssen ein dickes Fell haben, denn man wird oft sehr direkt angegriffen. Ich habe allerdings festgestellt, man muss seine Auffassung deutlich und sachlich sagen. Emotionale Ausbrüche geben Schwachstellen preis. Meine Erfahrung lautet: Gib nie den kleinen Finger, bewahre Distanz zu allem, denn wenn du in Erklärungsnot kommst, hast du schon verloren. So bin ich bisher als Trainer gut gefahren. Meine 18monatige Trainertätigkeit im Sudan hat mich stark geprägt. So schnell haut mich nichts um.

Volksstimme: Nun hatten Sie, Herr Petersen, vor nicht allzu langer Zeit da ein Problem ...

Petersen: Sie spielen auf das Geschehen nach dem Pokalfinale gegen den Halleschen FC (2.3/d. Red.) an. Ja, das war mein Härtefall. Ich bekam als Trainer eine Sperre von acht Spielen und 5 000 Euro Geldstrafe aufgebrummt. Das war eine unangemessene Strafe, die mich heute noch belastet. Es wurde aber auch sehr viel Unwahres über diese Angelegenheit geschrieben. Ich hatte überhaupt keine Chance.

Volksstimme: Nun sprühen Sie, Herr Kronhardt, nicht gerade vor Emotionalität. Wie ist das einzuordnen?

Kronhardt: Als Trainer musst du emotional werden, wenn du die Mannschaft aufrütteln willst. Eine Mannschaft lebt nur, wenn der Trainer lebt. Jeder Mensch hat seinen eigenen Charakterzug. Nur weil ich vom Typ her ruhig bin, heißt es nicht, dass ich nicht auch laut werden kann.

"Ich entspanne beim Staubsaugen, Bügeln und Kochen."

Volksstimme: Sie sind beide verheiratet. Welchen Stellenwert nimmt in Ihrem Leben die Familie ein?

Petersen: Fußball ist mein Leben, die Nummer eins, ganz eindeutig. Das weiß meine Familie. Er hat mich geprägt. Das heißt nicht, dass zu Hause alles nach meiner Pfeife tanzt. Da bin ich eher ruhig und fahre mich so richtig runter. Andererseits weiß zu Hause jeder: Der Fußball wird auch weiter mein Bestandteil sein, dem müssen sich alle unterordnen. Klar, gibt es bei uns kein richtiges Wochenende, das ist hart. Aber was kann es Schöneres geben, als sein Hobby zum Beruf zu machen? Das bedeutet aber auch, dass ich mir zu Hause die Spiele der englischen, spanischen oder italienischen Erstligisten ansehe.

Kronhardt: Job ist Job, Familie ist Familie.

Volksstimme: Und auf welche Weise entspannen Sie?

Petersen: Indem ich Staub sauge, die Bäder saubermache, koche oder bügele. Da-rauf bin ich stolz, auch wenn ich kein allzu guter Handwerker bin. Am liebsten unternehme ich aber mit meiner Frau Radtouren durch den schönen Harz.

Kronhardt: Am erfolgreichsten kann ich mich ablenken, wenn ich bei meiner Familie bin, den beiden Töchtern bei den Hausaufgaben helfe. Am besten gehen bei mir Englisch und Mathematik.

Volksstimme: Sachsen-Anhalt hat mit dem HFC gerade mal einen Drittligisten. Wo sehen Sie unser Bundesland im deutschen Fußballvergleich?

Petersen: Die Situation ist katastrophal, und sie ist mit dem Niedergang des FCM verknüpft. Viele Vereine wie die in Wernigerode, Halberstadt und Blankenburg haben früher vom FCM profitiert, der viele Spieler dorthin abgegeben hat. Andererseits gingen die besten unser Region zum FCM.

Kronhardt: Seit Jahren verfolge ich den U-19-Länderpokal und stelle mir immer wieder die Frage, wieso Sachsen-Anhalt bereits am ersten Tag ausscheidet. Ich glaube, die für den Nachwuchs bestimmten Gelder werden durch den Fußballverband Sachsen-Anhalt nicht richtig eingesetzt. Dieses Geld muss vor allem in die Ausbildung von Nachwuchstrainern investiert werden.

Volksstimme: Hat sich nach sieben Regionalliga-Spieltagen - der FCM ist Zweiter, Halberstadt ist Fünfter - Ihr Saisonziel verändert?

Kronhardt: Da lege ich mich nicht fest. Meine Jungs treten an, um ihre maximale Leistung abzuliefern. Wir werden sehen, was am Ende herauskommt. Ich sehe meine vorrangige Aufgabe darin, die Spieler auszubilden und auf ihrem Weg zu begleiten.

Petersen: Wer zu früh plant, fällt auf die Nase. Ich bleibe dabei: Wir wollen so schnell wie möglich Punkte sammeln, um nicht nach unten auf die Tabelle schauen zu müssen und werden gegebenenfalls zur Halbserie unser Saisonziel neu definieren.