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Wahl des neuen IOC-Präsidenten Krise als Dauerzustand: Thomas Bach nimmt Abschied

Thomas Bach nähert sich nach zwölf bewegten Jahren dem Ende seiner Amtszeit als IOC-Präsident. Vor allem in seiner Heimat riss die Kritik an ihm nie ab.

Von Christian Hollmann, dpa 17.03.2025, 08:50
Gibt die Fackel weiter: Thomas Bachs Amtszeit als IOC-Präsident neigt sich dem Ende.
Gibt die Fackel weiter: Thomas Bachs Amtszeit als IOC-Präsident neigt sich dem Ende. Jia Haocheng/XinHua/AP/dpa

Pylos - Auf seinen letzten Metern im Amt schwankt Thomas Bach zwischen Wehmut und Erleichterung. „Diese zwölf Jahre waren eine Krise nach der anderen und manchmal mehrere zur gleichen Zeit“, sagt der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees kurz vor der Wahl seines Nachfolgers am Donnerstag in einem griechischen Luxus-Resort. Russisches Staatsdoping, Corona, der Krieg in der Ukraine und serienweise olympische Notlagen - und doch beteuert Bach: „Ich habe jeden Tag genossen.“

Lange hatte der 71-Jährige die olympische Welt im Ungewissen gelassen, ob er nicht doch die olympische Charta ändern lassen und eine dritte Amtszeit anstreben würde. Am Ende der leuchtenden Sommerspiele von Paris machte Bach dann den Weg frei für die Wahl eines neuen IOC-Chefs. Am 23. Juni wird der Unterfranke die Amtsgeschäfte endgültig übergeben und aus dem Ringe-Zirkel ausscheiden. 

„Er hat das IOC durch eine Zeit großer Herausforderungen geführt und übergibt es in einem exzellenten Zustand an seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger“, sagt Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds. Bachs Reform-Agenda habe die olympische Bewegung zukunftsfähig gemacht, versichert Weikert. 

Nähe zu Putin und China

Gerade in seiner Heimat hält sich hartnäckig aber auch ein anderes Bild vom neunten IOC-Präsidenten. Eine zu freundliche Nähe zu Autokraten wie Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping wurde Bach ebenso vorgeworfen wie zu große Nachsicht bei Menschenrechtsverletzungen in Olympia-Gastgeberländern und eine zu große Machtkonzentration an der IOC-Spitze.

Karla Borger, Präsidentin von Athleten Deutschland, monierte zudem jüngst im „Deutschlandfunk“ fehlende Mitbestimmungsrechte für die Sportlergemeinde und wünscht sich eine stärkere Beteiligung der Olympia-Teilnehmer an den Milliarden-Einnahmen des IOC. 

„Es ist immer noch viel zu tun“, räumt Bach ein. „Ich hätte mir viele Dinge gewünscht, aber so ist die Welt nicht, man kann nicht alles erreichen in zwölf Jahren“, fügt der Wirtschaftsanwalt hinzu. Zum inzwischen zerbrochenen Männerbündnis mit Kremlchef Putin lässt Bach wissen: „Vielleicht habe ich manchmal zu stark und zu lange an die Gutmütigkeit von Leuten geglaubt.“

Ein zerbrochenes Männerbündnis

Zum Abschluss von Putins Propaganda-Show bei den sündteuren Winterspielen von Sotschi 2014 hatte Bach noch „das Gesicht des neuen Russlands“ gelobt, das „effizient und freundlich, patriotisch und offen für die Welt“ sei. Wenige Tage später annektierte Russland die Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Als dann noch das Ausmaß des staatlich organisierten Dopings der Russen bei den Sotschi-Spielen deutlich wurde, gerieten Bach und das IOC noch mehr in Bedrängnis.

Endgültig zum Bruch aber kam es erst, als Putins Armee kurz nach den Winterspielen in Peking 2022 die Ukraine überfiel. Das IOC schloss Russland zunächst von allen internationalen Wettbewerben aus. „Seitdem werde ich in Russland als Nazi bezeichnet“, sagte Bach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Im Vorjahr in Paris durften dann wieder einige russische Einzelstarter unter neutraler Flagge teilnehmen.

Immer wieder olympische Krisen

Eine einfache Präsidentschaft war es für den Fecht-Olympiasieger von 1976 sicher nicht. Alle Olympischen Spiele während seiner Ägide hätten „irgendwann auf der Kippe“ gestanden, sagt Bach. Ob die riesigen Finanznöte der Rio-Gastgeber 2016, die politische Krise um Nordkorea vor dem Winter-Spektakel 2018 in Pyeongchang oder die Pandemie-Ausgaben in Tokio 2021 und Peking 2022 - das IOC stand in diesen Jahren unter Dauerdruck. 

Erst in Paris entfaltete sich Olympia, wie Bach es sich bei seinen Reformen vorgestellt hatte. „Die Spiele sind nachhaltiger, urbaner, jünger geworden“, sagt das deutsche IOC-Mitglied Michael Mronz. Dies sei „die klare Handschrift von Thomas Bach“. 

Und die stete Kritik aus Deutschland an Bachs Wirken? „Wir sind ja Weltmeister darin, Persönlichkeiten madig zu machen. Das haben wir selbst mit Franz Beckenbauer hinbekommen“, sagt Mronz. In weiten Teilen der Welt werde der IOC-Chef positiv wahrgenommen. „Es kann nicht sein, dass alle diese Länder falschliegen, und nur wir liegen richtig“, meint Mronz.

Milliarden-Einnahmen und viele Olympia-Bewerber

Auch Bach stellt sich ein gutes Abschlusszeugnis aus. Das IOC sei „gesünder als je zuvor, wenn man auf die Zahlen und Fakten schaut“. Bis 2034 sind Gastgeber für die Olympischen Spiele gefunden, für 2036 und danach gibt es eine wohl zweistellige Zahl an Interessenten. 

Viele Milliarden an TV- und Sponsoringeinnahmen sind dem IOC schon für die kommenden Jahre gewiss, einige große Partner wie Toyota, Panasonic und Bridgestone stiegen allerdings zuletzt aus. Fortschritte bei der Gleichstellung, einen Deal für ein E-Sport-Olympia in Saudi-Arabien und die forcierte Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der olympischen Welt schreibt Bach sich ebenfalls auf die Erfolgsliste.

An großen Aufgaben wird es seinem Nachfolger dennoch nicht mangeln. Sechs Männer um Leichtathletik-Chef Sebastian Coe und Bachs angebliche Favoritin Kirsty Coventry bewerben sich um das IOC-Spitzenamt. Selbst weiter im Hintergrund mitmischen, das schließt Bach aus. Er strebt nach eigener Aussage kein Amt im Sport mehr an, auch wenn DOSB-Chef Weikert auf ein aktives Engagement des Ehrenpräsidenten bei der deutschen Dachorganisation hofft.

Bachs Pläne sind vorerst andere: „Ich werde erst mal mindestens vier Wochen schlafen. Und dann werde ich eine Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg machen und mich ganz alleine inspirieren lassen.“