Handball Funke: Entscheidung war alternativlos
Die Saison 2020/2021 ist im Handball Geschichte - so auch für die Frauen des TSV Niederndodeleben mit ihrem Trainer Michael Funke.
Niederndodeleben l Der 41-Jährige sprach im Interview mit Volksstimme-Autor Stefan Rühling aber nicht nur über die aktuelle Situation, sondern auch seine persönliche Laufbahn sowie die Perspektiven im weiblichen Handball-Sport.
Volksstimme: Herr Funke, wann waren Sie zum letzten Mal in einer Sporthalle?
Michael Funke: Leider ist es schon sehr lange her. Ich glaube, es ist im Oktober gewesen. Das fühlt sich an wie eine Ewigkeit.
Haben Sie so eine Zwangspause, wie wir sie aktuell vorfinden, in Ihrer Laufbahn schon einmal erlebt?
Nein, so eine Pause über solch einen langen Zeitraum hatte ich noch nie und wünsche mir diese auch nicht wieder. Man ist einfach hilflos im luftleeren Raum. Keiner kann dir sagen, wie es weitergeht. Wir dachten ja nach der letzten Saison, dass es überstanden ist und wir gehen in eine neue Serie. Die wurde dann aber auch recht schnell unterbrochen.
Wie gehen Sie innerhalb des Vereins damit um?
Unsere Trainer halten den Kontakt zu ihren Mannschaften über die sich bietenden Möglichkeiten WhatsApp, Telefongespräche oder sogar über Online-Meetings, wo ein gemeinsames Training möglich ist.
Darüber hinaus sind für uns natürlich die Sponsoren sehr wichtig, die wir aktuell leider nicht zu unseren Spielen präsentieren können.
Wie sind Sie zum Handball gekommen?
So genau weiß ich das gar nicht mehr. Es muss in der ersten oder zweiten Klasse der Grundschule gewesen sein, als eine Arbeitsgemeinschaft angeboten wurde. Daran habe ich teilgenommen, um zu schauen, ob es Spaß macht. Da ich diesen hatte, habe ich mich darüber hinaus auch im Vereinssport angemeldet. Dort habe ich dann in allen Altersklassen gespielt und durfte viele nette Menschen wie beispielsweise Jens Ziegler, Frank Eckstein oder auch Birgit Busse kennenlernen.
Was hat Sie damals an dem Sport fasziniert?
Wenn ich mich heute noch so richtig daran erinnern kann, dann war es das Mannschaftsgefühl. Jeder muss immer für sein Team da sein und man ist selbst nie alleine. So wuchs ein starkes Wir-Gefühl.
Und was fasziniert Sie noch heute?
Heute hat sich meine Sichtweise natürlich etwas geändert, da ich den Sport über die Jahre anders zu verstehen gelernt habe. Dabei blieb das Wir-Gefühl jedoch bestehen. Handball ist eine sehr schnelle und flexible Sportart aber eines hat sich eben nie verändert: man gewinnt und verliert zusammen.
Welcher war Ihr erster Verein?
Als Spieler ist es die BSG WBK Magdeburg gewesen, woraus der heutige BSV 93 Magdeburg hervorgegangen ist.
Woran können Sie sich noch besonders zu Ihrer Anfangszeit erinnern?
Das ist gar nicht so einfach, weil es doch schon einige Zeit zurückliegt. Ich weiß noch, dass ich immer der Kleinste war. Das hat sich auch bis heute kaum verändert. Ansonsten hatten wir oftmals sehr viel Spaß.
Haben Sie auch einmal andere Sportarten probiert?
Ja, ich war auch mal beim Schwimmen sowie beim Fußball.
Wie sind Sie dazu gekommen, Trainer zu werden?
Meine Tätigkeit als Trainer/Betreuer im Handball kam durch meine Frau zustande. Sie spielte beim SC Magdeburg, wo ich als Zuschauer kein Spiel ausgelassen habe. So fragte mich ihre Trainerin eines Tages, ob ich sie vielleicht als Betreuer unterstützen würde. Nach kurzer Rücksprache mit meiner Frau habe ich das zugesagt und die Funktion angenommen. Aus den anfänglichen Aufgaben eines Betreuers wurde dann nach und nach immer mehr.
Dann gab es einen Wechsel auf der Position des Trainers und ich wurde gefragt, ob ich dennoch weitermache. Natürlich blieb ich dabei. Der neue Übungsleiter kam dann aber nicht aus Magdeburg und steckte auf dem Weg zum Training immer mal wieder auf der Autobahn fest, so dass ich die Einheit leiten musste.
Schließlich wechselte meine Frau den Verein, ging zum VfL Wolfsburg. Da ich bei den Niedersachsen auch eine Funktion übernommen habe, musste sie nicht allein die Strecke aus Barleben nach Wolfsburg pendeln. Bei den Grün-Weißen habe ich in der Folge meine erste Lizenz als Trainer gemacht und schließlich die Mannschaft übernommen.
Wann war das?
Das war im Jahr 2008. Ich durfte eine sehr erfahrene Mannschaft, die über jede Menge internationale Erfahrung verfügte, coachen. Das war nicht immer einfach und trotzdem hatten wir Erfolg. Im zweiten Jahr konnten wir in die Bundesliga aufsteigen.
Seit dem Jahr 2012 sind Sie für das Team des TSV Niederndodeleben in der Mitteldeutschen Oberliga verantwortlich. Wie kam es zu diesem Engagement?
Das ist schnell erzählt: Leider trennten sich 2011 die Wege meiner Frau und mir im sportlichen Bereich. Sie stand weiterhin in Wolfsburg unter Vertrag und ich habe im November 2011 die Frauen des SV Union Halle-Neustadt in der zweiten Bundesliga übernommen. So haben wir die meiste Zeit auf der Autobahn verbracht und zu Hause nur noch abgeklatscht. Deshalb haben wir uns dann entschieden, wieder etwas zusammen zu machen. Die Verantwortlichen des TSV Niederndodeleben suchten zu dieser Zeit auch den Kontakt über meine Eltern, die in Niederndodeleben wohnen, zu uns. Zudem hat Swantje Siefert mich immer wieder mal gefragt, wann ich das Team übernehme und hat so einen großen Anteil daran, dass es dann geklappt hat.
In Ihren ersten Jahren beim TSV hatten Sie Konkurrenz aus der unmittelbaren Nachbarschaft. War das für die Entwicklung Ihres Teams rückblickend eher Fluch oder Segen?
Es ist immer schön gewesen, in der Nähe zu sein. Da haben auch viele Fans den Weg auf sich genommen, um uns auswärts zu unterstützen. Natürlich gab es auch das eine oder andere Spiel, was in Erinnerung geblieben ist: Da fallen mir beispielsweise die Niederlagen beim BSV Magdeburg 2016 mit 25:34 oder 2019 20:32 ein. Ansonsten ist es eigentlich ein Segen gewesen, immer schöne Derbys zu haben.
In den Jahren 2018 und 2019 haben sich zwei Magdeburger Teams aus der Mitteldeutschen Oberliga zurückgezogen, während Ihre Mannschaft sich an der Tabellenspitze behaupten konnte. Hat das Einfluss auf Ihr Team genommen?
Ja, das kann man so sagen. Im Jahr 2019 haben sich drei Spielerinnen unserem Team angeschlossen, wodurch wir unsere Qualität weiter aufwerten konnten. In Summe spielen wir mit einer sehr erfahrenden Mannschaft, von der die eine oder andere Spielerin schon Erfahrungen in der Regional- oder auch Bundesliga sammeln konnte.
Wie bewerten Sie die Entwicklung des Frauenhandballs in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren?
Wenn man auf die Karte Sachsen-Anhalts schaut, sind wir das nördlichste Frauenteam, was noch am höchstklassigen spielt. Im Süden ist es dagegen etwas besser. Insgesamt geht die Entwicklung aber stark zurück. Dafür sehe ich verschiedene Punkte verantwortlich: der Aufwand ist sehr hoch, dagegen sind die Perspektiven nicht gegeben und ganz allgemein setzen die jungen Leute heutzutage andere Prioritäten in ihrer Lebensgestaltung.
Was müsste getan werden, um in der Spitze wieder mit mehr Mannschaften vertreten zu sein?
Das ist eine schwere Frage! Ich denke, der weibliche Bereich muss wieder mehr Unterstützung bekommen.
In dieser Saison haben Sie mit Ihrer Mannschaft erst zwei Partien absolviert, jetzt wurde die Saison seitens des Mitteldeutschen Handballverbands abgebrochen. Wie bewerten Sie die Entscheidung?
Ich denke, diese Entscheidung war alternativlos. Denn aktuell ist nicht absehbar, wann die Politik den Sportbetrieb wieder zulässt, während aber hochrechenbar ist, dass mit einer erforderlichen Vorlaufzeit von mindestens vier Wochen nicht mehr ausreichend Termine verfügbar sein würden, um eine Halbserie zu beenden.
Wie sehen die Planungen bis zum Sommer nun aus?
Zunächst einmal müssen wir – wie alle anderen – weiter abwarten, bis die Beschränkungen gelockert werden. Das muss ja auch nicht in allen Ländern, wir agieren ja zusammen mit Sachsen und Thüringen, gleich erfolgen. Wenn wir wieder ins Training einsteigen können, plant der Verband die Organisation einer Freundschaftsspielrunde. Denn wenn wir im Stoff sind, braucht es mindestens solche Spiele als Ziel.
Neben Ihrem Engagement als Trainer sind Sie zudem Sportwart beim TSV Niederndodeleben. Was ist damit verbunden?
Zu meinen Aufgaben zählt es hier, dass ich mich um die Spielkleidung oder auch um das eine oder andere Problem kümmere, wenn Spielerinnen oder Funktionsteam solche haben.
Welche Ziele verfolgen Sie sportlich mit Ihrem Verein?
Wir sind seit vielen Jahren in der vierthöchsten Spielklasse Deutschlands aktiv und das ist eine super Sache. Es ist natürlich das Ziel, dieses Niveau zu halten. Denn aufgrund der mangelhaften Perspektive im weiblichen Bereich wäre es schwer, seinen Blick nach oben auf die dritte Liga zu richten. Wenn wir Glück haben, können wir die Talente in der Region halten, was schwer genug ist. Denn meistens führt der Weg nach der Schule in eine Ausbildung, ein Studium oder ins Ausland.
Wo steht der Frauenhandball in Sachsen-Anhalt in fünf Jahren?
Ich denke nicht, dass sich das in den kommenden fünf Jahren verändert, da einfach nicht genügend Nachwuchs nachkommt. Da die Reformen sich auch immer in Richtung Professionalität bewegen und man zu den Spielerinnen auch noch ein recht großes Umfeld braucht, ist es sehr schwer, eine positive Entwicklung zu sehen. Es wird meiner Meinung nach einfach zu viel von den Vereinen abverlangt, doch sind diese nicht in der Lage, das zu realisieren. Dazu kommen dann auch die steigenden Kosten in allen Belangen.
Welche Rolle nimmt Ihr Verein dabei ein?
Wir werden weiter so unsere Arbeit machen und versuchen, dass wir junge Spielerinnen in das Team der Frauen einbinden. Wichtig wird sein, dass unsere Trainer weiter so viel Arbeit auf sich nehmen und Spaß bei der Sache haben, um ihre Spielerinnen zu fördern und zu fordern.