Formel 1 Massas Titel-Kampf nach 15 Jahren: Das Singapur-Nachspiel
Es nimmt seinen Anfang in Singapur. Anderthalb Jahrzehnte nach dem Crashgate will Felipe Massa den WM-Ausgang von 2008 anfechten. Sein ehemaliger deutscher Teamkollege würde sogar profitieren.
Singapur - Felipe Massa will am ganz großen Rad der Formel-1-Geschichte drehen - nebenbei würde er Michael Schumacher wieder zum alleinigen Rekordweltmeister machen. Der 42 Jahre alte brasilianische Ex-Pilot beabsichtigt nichts weniger, als den WM-Titel von 2008 für Lewis Hamilton anzufechten.
Vom 38 Jahre alten Briten erhofft sich die Massa-Seite sogar Unterstützung. Wohl vergebens. „Ich schaue nicht auf das, was vor 15 oder auch vor zwei Jahren passiert ist“, sagte Hamilton nun in Singapur und damit am Ort des Geschehens.
Sein jetziger Boss schon: Wenn es zu einem Zivilprozess käme, würde das sicherlich einen Präzedenzfall schaffen, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei einer Pressekonferenz: „Wir beobachten es mit Neugierde von der Seitenlinie.“ Denn vor knapp zwei Jahren fühlten sich Hamilton und Mercedes um den Fahrer-Triumph betrogen, als die WM in der letzten Runde in Abu Dhabi zugunsten von Max Verstappen entschieden worden war. Mercedes hatte damals auf rechtliche Schritte verzichtet.
2008 hatte Massa die WM im Drama-Finale von São Paulo praktisch in letzter Sekunde verloren, als Hamilton den Deutschen Timo Glock überholte und so am Ende einen Punkt mehr im Klassement hatte als Massa. Das ist die eine große Geschichte der WM 2008. Die andere ist und bleibt Singapur und der absichtliche Unfall des damaligen Renault-Piloten Nelson Piquet Junior am 28. September 2008 bei der Formel-1-Premiere im Stadtstaat.
Die Sache mit dem Tankrüssel
Massa hatte die Pole geholt, führte das Rennen an. Den Sieg aber sicherte sich Fernando Alonso, Piquets damaliger Teamkollege. Er hatte am meisten von der Safety-Car-Phase profitiert. Massa, der das Rennen zunächst angeführt hatte, hingegen so gar nicht. Beim Tanken - damals noch erlaubt - schaltete die Ampel auf grün, Massa fuhr los, allerdings steckte der Tankrüssel noch im Ferrari, die halbe Anlage wurde mitgerissen, ein Mechaniker verletzt und Massa musste seinen Wagen am Ende der Boxengasse stoppen, damit die herbeigeeilte Crew mit vereinten Kräften den verkeilten Tankrüssel wieder entfernen konnte.
Eine Durchfahrtstrafe hatte er auch noch bekommen und das Rennen auf Platz 13 beendet - ohne Punkte. Hamilton war hinter Alonso und Nico Rosberg Dritter geworden und mit sieben Punkten Vorsprung in die letzten drei Saisonrennen gegangen. Damals gab es nur zehn Zähler für einen Sieg anstatt 25 wie mittlerweile. Das Finale hatte Massa daheim in São Paulo gewonnen und sich für Sekunden als Weltmeister fühlen dürfen, ehe Hamilton doch noch an Glock vorbeizog und Fünfter wurde, um einen Punkt Vorsprung zu retten. Sein erster von mittlerweile - wie bei Schumacher - sieben Titeln.
Bleibt es dabei? „Das Ziel ist es, die Trophäe nach Hause zu bringen“, sagte jüngst einer der Anwälte von Massa „motorsport.com“. Um Finanzen gehe es nicht, versicherte er.
Ecclestone macht Massa keine Hoffnung
„Das Rennen ist vorbei. Die WM ist vorbei“, sagte Bernie Ecclestone in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. „Niemand kann irgendetwas tun“, meinte der 92 Jahre alte ehemalige Langzeit-Geschäftsführer der Formel 1. Ecclestone war auch in dem besagten Jahr im Amt. Und der Brite, der nicht selten für Kontroversen gesorgt hatte, räumte erneut ein, vor dem damaligen Saisonende von dem fingierten Unfall Kenntnis gehabt zu haben. Bereits im März hatte er das beim Portal „f1-insider.com“ gesagt.
Im dpa-Gespräch sagte er auch, dass der damalige Weltverbandspräsident Max Mosley und auch der damalige Rennleiter Charlie Whiting Bescheid gewusst hätten. Beide sind bereits gestorben, Mosley im Mai 2021, Whiting im März 2019. Whiting hatte in Interviews für eine Dokumentation laut „motorsport.com“ aber auch schon eingeräumt, beim Saisonfinale in Brasilien davon erfahren zu haben.
Wenn, dann hätte die Fia damals etwas unternehmen können, sagte Ecclestone, er selbst nicht - die Fia ist für die Regeln und deren Einhaltung zuständig. Ecclestone leitete die kommerziellen Geschicke. Weil es einen solchen Vorfall aber noch nicht gegeben habe, hätte das ein ziemlich langwieriges Verfahren bedeutet, befand der Brite. Und er betonte auch, dass das Rennen ja nicht einfach hätte gestrichen werden können. Zudem gebe es immer wieder Vorfälle, in denen sich Fahrer nicht an die Regeln halten würden. Ecclestone glaubt, dass Massa wahrscheinlich von seinen Anwälten in die Irre geführt werde.
Der ehemalige Ferrari-Pilot wartet weiterhin auf eine Reaktion der Formel 1 und der Fia. Der Weltverband bestätigte auf Anfrage ein Schreiben der Vertreter von Massa. Die Angelegenheit werde derzeit geprüft und es gebe keine weiteren Angaben zum aktuellen Zeitpunkt. Je nachdem wie die Antwort ausfällt, wollen Massa und seine Anwälte vor dem High Court in London die WM von 2008 anfechten.