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Olympische Spiele in Paris Bei SCM-Schwimmer Wellbrock „passt alles nicht zusammen“

Während Isabel Gose nun die Zeit in Paris nun genießen kann, muss Florian Wellbrock wohl wichtige Entscheidungen treffen. Trainer Bernd Berkhahn hegt zwischenzeitlich sogar Zweifel an der eigenen Arbeit.

Von Daniel Hübner Aktualisiert: 05.08.2024, 13:58
Bisher verliefen die Olympischen Spiele enttäuschend für Florian Wellbrock. Mit Trainer Bernd Berkhahn richtet er den Blick nun auf das Freiwasser.
Bisher verliefen die Olympischen Spiele enttäuschend für Florian Wellbrock. Mit Trainer Bernd Berkhahn richtet er den Blick nun auf das Freiwasser. Foto: IMAGO/Laci Perenyi

Paris - Es ist also vorbei, wenn „Hummeln im Hintern“ nicht mehr summen. Die hatte Isabel Gose am Samstagabend noch ein letztes Mal – eingangs der Medienrunde mit mehreren Stationen nach ihrem Finale über 800 Meter Freistil. Ehe sie lachend feststellte: „Ich dachte, ich muss schnell weiter, aber ich habe ja jetzt Zeit.“ Zeit für die folgenden Termine, die sie mit ihrer Bronzemedaille um den Hals genießen will. Zeit, um ihren Trainer Bernd Berkhahn und ihren Papa Gerrit, der sich am Morgen des Finaltages auf den Weg von Osterburg nach Paris aufgemacht hatte, zu drücken. Und einen Moment Zeit, „um jetzt Florian in den Arm zu nehmen“, sagte sie.

Isabel Gose hat das Vorlauf-Aus der Leitfigur Florian Wellbrock in ihrer eigenen Leistung nicht beeinträchtigt. „Aber ich bin natürlich ein sehr empathischer Mensch“, erklärte die 22-Jährige vom SCM. „Und ich nehme mir, gerade wenn es unsere Trainingsgruppe betrifft, vieles zu Herzen.“ So hat sie vor ihrem Endlauf mit Wellbrocks Frau Sarah telefoniert, die ihr sagte: „Kleine, mach’ dein Rennen, um alles andere kümmere ich mich.“

Ich hätte gerne mal wieder eine Bestzeit über die 800 Meter geschwommen.

Isabel Gose vom SCM

Florian Wellbrock war auch an diesem Abend in der La Defense Arena, hatte den fünften Platz von Gose gesehen. Wie sie 400 Meter lang mit drei Konkurrentinnen um Bronze kämpfte, weil zunächst niemand der nunmehr neunmaligen Olympiasiegerin Katie Ledecky (USA) und der späteren Zweiten Ariarne Titmus (Australien) folgen konnte. Er sah, wie dann Paige Madden (USA) die große Aufholjagd startete und sich vom Feld absetzte. „Die Mädels ganz vorn haben ein riesiges Tempo gemacht, das war bockstark“, sagte Gose beeindruckt.

Dann zog auch Madden los, um sich Bronze zu sichern. Gose schlug letztlich nach 8:17,82 Minuten an, verpasste die eigene Bestzeit um 0,39 Sekunden. „Ich hätte gerne mal wieder eine Bestzeit über die 800 Meter geschwommen, ich denke, zwei, drei Sekunden wären noch drin gewesen.“ Zur Erinnerung: Sie war bei ihrem fünften Rang über 400 und beim Bronzegewinn über 1.500 Meter jeweils zum deutschen Rekord gekrault. Und nun ist es vorbei. „Irgendwie ist es schade, dass die Woche so schnell vorbeigegangen ist. Jetzt fällt der ganze Druck ab, und das muss man auch mal zulassen.“ Sie hat noch etwas anderes gefunden: „Ich habe den Glauben an meine eigenen Stärken gewonnen.“ Wie es sich ihr Trainer gewünscht hat.

Wellbrock vom SCM scheidet über 1.500 Meter aus

Jener stand neun Stunden vor Goses Endlauf in der Mixedzone und hatte selbst mit seinen Emotionen zu kämpfen. Wellbrock, mit dem er seit 2014 zusammenarbeitet, mit dem er bei Weltmeisterschaften und den Sommerspielen 2021 Medaillen aus Becken und Freiwasser fischte, ist im Vorlauf beinahe dramatisch ausgeschieden – nach den 800 Metern diesmal über 1.500 Meter, über die letztlich Bobby Finke (USA) in unfassbar schnellen 14:30,67 Minuten zu Gold schwamm. Weltrekord, der insgesamt vierte bei den Spielen.

„Das passt alles nicht zusammen“, sagte Berkhahn. „Wir sind fassungslos und traurig.“ Das war auch Wellbrock, der an allen Medienvertretern vorbei in die Katakomben der La Defense Arena flüchtete. Auch seine Eltern saßen auf der Tribüne und litten mit, als der 26-Jährige bereits nach 500 Metern an Grundtempo verlor und keinen Druck mehr aufs Wasser fand. Wellbrock schlug letztlich nach 15:01,88 Minuten an, eine indiskutable Zeit für ihn, der in Tokio noch Bronze über die längste Beckendistanz gewonnen hatte.

Er war darauf vorbereitet, unter 14:40 Minuten zu bleiben.

Bernd Berkhahn, Trainer von Florian Wellbrock vom SCM

Wo der Deutsche Schwimmverband übrigens weniger als die Hälfte der Finalteilnahmen von Paris (17) zählte und zweimal Bronze aus dem Becken fischte – die zweite für Sarah Wellbrock. Diesmal war mit dem Sieg von Lukas Märtens über 400 Meter Freistil einmal Gold dabei. „Er war darauf vorbereitet, unter 14:40 Minuten zu bleiben und nicht über 15 Minuten zu schwimmen“, so Berkhahn, der dieses Ziel in Wellbrocks Trainingseinheiten bestätigt sah.

Startet Wellbrock in der Seine?

Berkhahn ging noch einen Schritt weiter: „Natürlich zweifelt man an der eigenen Arbeit, stellt alles in Frage“, erklärte der 53-Jährige, der einiges an Aufbauarbeit bewältigen muss, um Wellbrock auf das Freiwasser-Rennen über zehn Kilometer am Freitag in der Seine (7.30 Uhr) vorzubereiten. „Er ist alt genug. Er entscheidet, ob er trainieren oder freihaben möchte.“ Auch, ob er in der Seine starten möchte? Darauf gibt es eigentlich nur eine Antwort: Natürlich wird er starten, allein aufgrund der Erfahrung aus Fukuoka. Bei der WM 2023 war Wellbrock ebenfalls über 800 und 1.500 Meter ausgeschieden und hatte den Titel unterm Himmelszelt gewonnen. Und zwar mit einer ganz starken Vorstellung.

Mentale Probleme hat Berkhahn bei Wellbrock in den vergangenen Monaten jedenfalls nicht ausgemacht, keine Instabilität festgestellt. Sein Schützling gestand im Interview mit der Volksstimme mit Blick auf die vergangenen Monate indes: „Ich habe zu viel nachgedacht.“ Es wird ihn auch einige weitere Gedanken kosten, ob er und in welcher Form er künftig „Hummeln im Hintern“ hat. Ob er auf einer Strecke schnell weiter will und ob es auf der anderen vorbei ist. Vielleicht gibt ihm das Freiwasser-Rennen eine erste Antwort.