Boxen SES-Boxer Reis kann Weltmeister werden
Artur Reis steigt Samstagabend im Magdeburger Maritim Hotel erstmals als SES-Kämpfer in den Ring – und darf gegen Osleys Iglesias im IBO-Supermittelgewicht gleich um einen WM-Gürtel boxen.

Magdeburg - Als Artur Reis am 6. Oktober 2018 in der Alten Waage in Braunschweig gegen Dominik Landgraf in den Ring stieg, hätte er sich wohl nicht mal im Traum vorstellen können, nur fünf Jahre später fast auf den Tag genau um einen WM-Gürtel zu boxen. Morgen Abend klettert der 30-Jährige dafür im Supermittelgewicht gegen den IBO-Titelträger Osleys Iglesias im Magdeburger Maritim Hotel in den Ring.
„Er hat international natürlich mehr Erfahrung als ich. Aber als Außenseiter habe ich keinen Druck und will diese große Chance unbedingt nutzen“, so Reis, der bisher alle seine elf Profikämpfe gewann, davon acht vorzeitig. Iglesias kennt in seinen acht Profi-Kämpfen bisher auch nur das Siegen, sieben Mal davon durch K.o.
Reis-Trainer Dzemski vom Sieg überzeugt
Um die Ausgangslage zu vereinfachen, zieht Reis-Trainer Dirk Dzemski einen für alle nachvollziehbaren Vergleich mit dem Fußball heran und sagt: „Das ist wie Bayern gegen Heidenheim. An einem guten Tag mit guter Form kann auch Heidenheim die Bayern schlagen. Und so sehe ich das für Artur. Er ist sehr diszipliniert. Wenn ich ihm sage, er soll jetzt mal richtig dazwischen krachen, dann macht er das auch. In diesem Kampf braucht er aber natürlich auch ein bisschen Glück und muss es mit seinem Stil dem Gegner schwer machen. Dann ist eine Überraschung möglich. Aber von der bin ich voll überzeugt.“
Das ist der SES-Coach von Reis schon seit vielen Jahren. „Adam Deines hat ihn irgendwann mal zum Sparring mitgebracht. Ich wusste aber nie so richtig, wie ernst Artur das alles nimmt. Irgendwann hat er mich dann aber zum Nachdenken gebracht. Und vor zwei Jahren haben wir entschieden, gemeinsam auch Kämpfe zu machen“, verrät Dzemski. Und das machte Reis so gut, dass ihn SES-Promoter Ulf Steinfurth im August unter Vertrag genommen hat.
Reis war im Alter von zehn Tagen aus Russland nach Deutschland gekommen. „Als Spätaussiedler kam damals unsere gesamte Familie aus der Nähe von Nowosibirsk nach Wolfsburg. Als Zehnjähriger habe ich dann beim VfL mit Boxen begonnen und bin zwei Jahre später zum AKBC Wolfsburg. Dort habe ich Boxen und Kickboxen parallel trainiert. Als Boxer habe ich 98 Amateurkämpfe bestritten und war 2012 Deutscher Mannschaftsmeister mit Seelze. Erfolgreicher war ich beim Kickboxen“, so Reis, der es in der WAKO-Pro-Serie sogar drei Mal zum Weltmeistertitel schaffte. Dass sein damaliger und langjähriger Wolfsburger Coach Antonino Spatola morgen Abend mit in der Ecke von Iglesias steht, findet Reis allerdings gar nicht gut.
6 Uhr beginnt für Reis der normale Arbeitstag
Reis, der sich auch schon im Mixed Martial Arts probierte und diesen Ausflug unter anderem mit einem gebrochenen Ellbogen bezahlen musste, zeichnet vor allem sein unbändiges Kämpferherz aus. „Er geht immer vorwärts“, so Dzemski. Was Reis vor allem im Oktober 2022 eindrucksvoll bewies. Da wurde er kurzfristig als Gegner für Davide Faraci in der Schweiz verpflichtet – und knockte den Italo-Schweizer gleich in der ersten Runde aus. Iglesias dürfte also gewarnt sein. Der gebürtige Kubaner hatte sich 2019 am Rande eines Weltcups in Köln abgesetzt und wird seitdem von Georg Bramowski, dem langjährigen Co-Trainer von Ulli Wegner, trainiert. Im vergangenen Dezember holte sich der Rechtsausleger gegen Andrii Velikovskyi die IBO-Krone im Supermittelgewicht.
Die will sich morgen aber Reis aufsetzen und sich für die vielen Mühen, die das Boxen verlangt, belohnen. Reis ist nämlich kein Vollzeitprofi, sondern geht auch noch ganz normal einem Beruf nach. „Ich bin bei Volkswagen als Werkschutzsachbearbeiter beschäftigt, habe aber zum Glück Teilzeit, so dass ich Arbeit und Training miteinander verbinden kann“, erklärt Reis, dessen Tag in der Regel aber schon 6 Uhr beginnt: „Gegen 15 Uhr fahre ich dann nach Magdeburg zum Training und wenn ich dann abends zu Hause bin, esse ich noch etwas und gehe Schlafen.“ Was sein Coach mit Hochachtung zur Kenntnis nimmt. „Dass er das so durchzieht, ist schon ein ordentliches Brett. Hoffentlich kann er sich dafür auch belohnen“, lobt Dzemski, der seinem Schützling auch ein, zwei Tage zu Hause trainieren lässt. Schließlich wollen Ehefrau Irena und die zwei Töchter Liara (2) und die erst im Mai geborene Daria von ihrem Papa nicht nur einen möglichen WM-Gürtel haben.