Schach Nisipeanu brach für Schach die Schule ab
Am Wochenende steigt in Magdeburg der deutsche Schach-Meisterschaftsgipfel.
Er ist einer der Favoriten, wenn in der Festung Mark in Magdeburg ab Sonntag (ab 13 Uhr) der deutsche Schach-Meisterschaftsgipfel ausgetragen wird: Liviu-Dieter Nisipeanu. Volksstimme-Sportredakteurin Anne Toss sprach mit dem Nationalspieler über sein Leben als Profi und den Reiz des königlichen Spiels.
Volksstimme: Herr Nisipeanu, Sie saßen bereits mit Weltmeister Magnus Carlsen am Schachbrett. Ist das noch zu toppen?
Liviu-Dieter Nisipeanu: Nun, ich würde gerne noch gegen Garri Kasparow spielen, obwohl er wahrscheinlich nicht mehr antreten wird. Gegen fast alle Top-Schachspieler habe ich gespielt, aber nicht gegen ihn. Er ist die große Ausnahme.
Mit Blick auf die besten 100 der Weltrangliste, in der Sie als einziger Deutscher auf Rang 77 stehen, sind Sie auch eine Ausnahme. Woran liegt es, dass Deutsche nicht zur Schach-Elite gehören?
Es gibt in Deutschland sehr wenige Profi-Spieler. Hier ist es doch so, dass man von einem Job sehr gut leben kann. Du machst deine Ausbildung, hast dein Gehalt. Schach-Profi zu werden, ist ein Risiko. Die großen Talente kommen mittlerweile aus Indien oder Osteuropa. Dort ist der Weg immer noch eine gute Wahl. So, wie er das für mich war, ich bin ja in Rumänien geboren.
Sie haben für Ihren Traum mit 14 Jahren die Schule abgebrochen. Hat sich das rückblickend gelohnt?
Das stimmt, meine Lehrer stellten mich damals vor die Wahl: Entweder Schule oder Schach. Ich habe mich für Letzteres entschieden, auch weil mich meine Eltern darin unterstützt haben. Heute habe ich keinen Nebenjob, sondern verdiene mit Schach tatsächlich mein Geld. Davon werde ich nicht reich. Wenn man zur absoluten Weltspitze gehört, sieht das anders aus. Ich kann aber von den Preis- und Eintrittsgeldern leben. Dafür ist bis Dezember aber auch schon alles durchgeplant.
Bei dem straffen Zeitplan könnte Schach doch auch schnell zur Routine werden. Was reizt Sie daran?
Es ist der Kampf zwischen zwei Persönlichkeiten am Schachbrett. Es gibt Partien, da spürst du deinen Gegner. Du sitzt vor ihm und weißt, wie er sich fühlt. Natürlich setzt jeder sein Pokerface auf. Aber ich kenne viele Spieler, denen es genauso geht: Du spürst den Kampf. Das sind die besten Spiele. Es ist so emotional. So, als ob jemand ein gutes Lied komponiert.
Leider bleibt das Emotionale dem Zuschauer komplett verborgen.
Ja, von außen sieht man das nicht. Im Saal und am Brett ist es ruhig, aber für die Spieler ist das ganz anders. Wenn man da den Herzschlag misst, ist der bestimmt nicht so ruhig. Das ist, als ob das Brett brennt, so eine Dynamik entsteht da (lacht). Aber klar – für den Zuschauer kann das Spiel langweilig sein, weil es eben so kompliziert ist. Die Live-Kommentare sind da sehr hilfreich.
Wie bereiten Sie sich eigentlich auf Wettkämpfe vor?
Vor dem Turnier in Magdeburg war ich im Trainingslager. Dort trainiere ich Schach, also zum Beispiel Eröffnungen, treibe aber auch Sport und war für die Ausdauer viel an der frischen Luft. Als Schachspieler muss man heutzutage fit sein, die Profis sind ja im Prinzip Athleten. Schach ist sehr sportlich geworden. Das Wichtigste ist aber die Konzentration. Eine Partie geht an die sechs Stunden, davor trainiere ich drei bis vier Stunden. Das heißt: Zehn Stunden Schach am Tag. Das ist schon anstrengend.
Welchen Stellenwert haben dabei Computer und Schachprogramme?
Die Programme muss man verwenden – ich auch. Allein für die Analyse des Gegners, sonst kannst du nicht mithalten. Ich persönlich finde das schade, denn ich habe es noch anders gelernt. Ohne Computer hast du selbst eine Idee umgesetzt, einen Zug erfunden. Auch wenn der nicht so gut war – es hat sich trotzdem gut angefühlt (lacht).
Ich bin ein Spieler, der sehr kreativ und immer schön spielen will. Ich verstehe Schach – der Computer rechnet nur mit. Dadurch ist das Spiel trockener geworden. Das Programm gibt die Richtung vor. Es passiert sehr selten, dass man es überlisten kann. Klar: Es rechnet ja auch eine Million Züge in einer Sekunde durch.
In Deutschland wird diskutiert, ob eSport als Sport anerkannt werden soll. Die Verfechter führen oft Schach als Beispiel an. Wie stehen Sie dazu?
Das kann ich nur schwer beurteilen, ich habe nie Strategiespiele oder Shooter gespielt. Aber ich denke schon, dass es Ähnlichkeiten gibt. Allein was die Konzentration über einen längeren Zeitraum betrifft.
Haben Sie nach 37 Jahren Schach eigentlich schon mal ans Aufhören gedacht?
Nein. Vielleicht wechsle ich auf die Trainer-Seite. Aber ganz aufhören? Ich bin süchtig (lacht).