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Nach Corona-Ausbruch Proteste gegen Massentierhaltung bei Tönnies

Demonstranten besetzen das Dach eines Tönnies-Werkes in Rheda-Wiedenbrück und fordern ein Ende der Fleischfabriken. Ganz ähnliche Töne schlägt Bayerns Ministerpräsident Söder an.

04.07.2020, 16:30

Rheda-Wiedenbrück (dpa) - Aktivisten haben am Hauptstandort des in die Kritik geratenen Fleischverarbeiters Tönnies in Nordrhein-Westfalen gegen Massentierhaltung protestiert.

Vier Teilnehmer besetzten zeitweise das Dach des Betriebs und brachten dort ein Transparent mit der Aufschrift "Shut Down Tierindustrie" an.

Ähnliche Forderungen kamen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich in einer Videobotschaft für kleinere Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland stark machte. "Agrar-Ökologie statt Agrar-Kapitalismus - das könnte doch ein Weg sein für die Zukunft", sagte der 53-Jährige. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) prüft derweil juristische Schritte gegen Fleisch-Billigangebote.

Bei den Protesten bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück blockierten Demonstranten die Hauptzufahrt der Fleischfabrik und verlangten auf Transparenten "Schlachthäuser schließen!" und "Schluss mit der Ausbeutung von Mensch, Tier, Natur". Zu dem Protest aufgerufen hatte das Bündnis "Gemeinsam gegen die Tierindustrie".

In einer Erklärung forderte das Bündnis, der aktuell wegen zahlreicher Coronavirus-Infektionen unter den Mitarbeitern stillgelegte Schlachthof müsse dauerhaft geschlossen bleiben. Vor der Fabrik demonstrierten nach Augenzeugenberichten knapp 100 Personen friedlich gegen die Tierindustrie.

Bayerns Ministerpräsident forderte derweil mehr Geld für die Landwirtschaft, "aber für eine Wende hin zu mehr Agrar-Ökologie", sagte Söder. Die Landwirte müssten mehr Möglichkeiten bekommen, ihre Ställe und das Tierwohl zu organisieren und trotzdem wirtschaftlich zu bleiben. Viele Bürger seien auch bereit, dann mehr Geld auszugeben. "Es soll so sein, dass Fleisch nicht unendlich teuer wird, es soll für jeden erschwinglich sein."

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass es kein Recht auf tägliches Billigfleisch gebe. Dumpingpreise für Fleisch würden nicht dem Wert der Ware entsprechen. "Ich lasse derzeit juristisch prüfen, inwieweit es möglich ist, der Werbung mit Lockangeboten beim Fleisch Einhalt zu gebieten", sagte Klöckner der "FAS". Wertschätzung für Tiere und die Menschen in der Branche könne nicht entstehen, wenn Dumpingpreise an der Tagesordnung seien. Mehr Tierwohl möchte die CDU-Politikerin mit Stallumbauten, einem staatlichen Tierwohlkennzeichen oder Prämien für Landwirte, die ihre Betriebe entsprechend umbauen, erreichen.

Der Fleischverarbeiter Tönnies hatte in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht, weil dort mehr als 1500 Mitarbeiter mit dem Virus Sars-Cov-2 infiziert worden waren. Die Bevölkerung in den Kreisen Gütersloh und Warendorf hatte deshalb erneut weitgehende Einschränkungen des Alltags hinnehmen müssen. Die Einschränkungen im Kreis Gütersloh gelten noch bis zum 7. Juli.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) lag die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz dort am Samstag bei 66,5. Die Kennziffer beschreibt, wie viele Neuinfektionen es pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen gab. Zum Höhepunkt des Corona-Ausbruchs bei Tönnies lag der Wert bei 270,2. Als Grenzwert für das Ende eines regionalen Lockdowns gilt der Wert 50. Im Kreis Warendorf, in dem ebenfalls viele Tönnies-Mitarbeiter wohnen, war die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage zuletzt bereits unter diesen Grenzwert gefallen.

© dpa-infocom, dpa:200704-99-669643/5