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Tag des Unkrauts Giersch & Co.: Die Ungeliebten im Garten

Der Umgang mit den etwas anderen Kräutern

26.03.2021, 07:00
Insekten sitzen auf einer Giersch-Pflanze auf der Naturschutzinsel Koos. Nach der Renaturierung sind in den vergangenen Jahren verloren geglaubte Tier- und Pflanzenarten zurückgekehrt. Die Succow-Stiftung war 1999 als erste gemeinnützige Naturschutzstiftung in den neuen Bundesländern gegründet worden. 2016 übernahm sie 365 Hektar auf der Insel und in den Karrendorfer Wiesen auf dem Festland. +++ dpa-Bildfunk +++
Insekten sitzen auf einer Giersch-Pflanze auf der Naturschutzinsel Koos. Nach der Renaturierung sind in den vergangenen Jahren verloren geglaubte Tier- und Pflanzenarten zurückgekehrt. Die Succow-Stiftung war 1999 als erste gemeinnützige Naturschutzstiftung in den neuen Bundesländern gegründet worden. 2016 übernahm sie 365 Hektar auf der Insel und in den Karrendorfer Wiesen auf dem Festland. +++ dpa-Bildfunk +++ dpa

Gatersleben/Bernburg

Wer ist auf einer Wiese nicht schon mal barfuß in eine Distel getreten: „Autsch, verdammtes Unkraut!“ Doch, wie so vieles im Leben gibt es nicht nur Schwarz und Weiß – störende Pflanzen auf der einen, Nutz- und Kulturpflanzen auf der anderen.

In den 1980er Jahren zu den Hochzeiten der Umweltbewegung wurde deshalb von deren Aktivisten eine Umbenennung von „Unkraut“ in „Wildkraut“ gefordert. Doch der Begriff landete auf dem Kompost, er konnte sich aufgrund seiner abweichenden Bedeutung nicht durchsetzen.

Martin Mascher vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben (Salzlandkreis) sagt, dass Unkraut eine Frage der Definition und Interpretation sei. Und der Wissenschaftler, der sich mit der Entstehung und Verbreitung von Kulturpflanzen beschäftigt, meint, dass es so gesehen schon Pflanzen auf den Feldern gebe, die der Bauer nicht will.

„Viele der heutigen Kulturpflanzen sind jedoch aus wilden Verwandten beziehungsweise ,Unkraut’ hervorgegangen. Das trifft zum Beispiel Roggen und Hafer.“ So seien die Römer über jeden Roggenhalm im Weizenfeld ärgerlich gewesen. „Roggen essen doch nur die Germanen haben sie abschätzig gesagt." Nach und nach seien die Unkräuter Roggen und Hafer genetisch verbessert worden.

Im Nahen Osten, zum Beispiel in Israel, wird heute noch über die sich ausbreitende Wildgerste im Weizenfeld als „Unkraut“ geschimpft. Und in den USA wollen die „Farmer“ den „Unkraut“-Roggen nicht im Weizen haben.Für Sandra Mann vom Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie (Kombination aus Ernährungswissenschaft und Haushaltswissenschaft) und Landesentwicklung an der Fachhochschule Anhalt, gibt es keine Frage: „Unkräuter gibt es eigentlich gar nicht.“ Und gerade im Bereich des Naturschutzes wird versucht, diesen Begriff zu vermeiden. „Als ,Beikräuter’ und ,unerwünschte Arten’ bezeichnet man die Pflanzen, die  aus Sicht des Menschen an bestimmten Orten unerwünscht sind.“

Meinungen unterschiedlich

Die Meinungen zu solchen Beikräutern seien sehr unterschiedlich. „In Äckern gelten zum Beispiel viele verschiedene Wildkräuter und -gräser als unerwünscht, da möglichst nur die ausgesäten Kulturpflanzen dort stehen sollen.“Es müsse jedoch nicht unterschätzt werden, dass jede Pflanzenart im Ökosystem eine Rolle spielt und viele Arten sehr wichtige Nahrungsquellen für verschiedene Tiere sind. Die Meinungen zu solchen Beikräutern seien sehr unterschiedlich. „In Äckern gelten zum Beispiel viele verschiedene Wildkräuter und -gräser als unerwünscht, da möglichst nur die ausgesäten Kulturpflanzen dort stehen sollen.“

Es müsse jedoch nicht unterschätzt werden, dass jede Pflanzenart im Ökosystem eine Rolle spielt und viele Arten sehr wichtige Nahrungsquellen für verschiedene Tiere sind.

„Auch in Gärten und öffentlichen Grünflächen werden ,Unkräuter’ oft beseitigt. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, zumindest in einigen Bereichen Wildpflanzen Raum zu geben und somit die Tierwelt zu fördern“, so Sandra Mann.

Die Bernburgerin kennt viele Beispielen für die Wichtigkeit von Unkräutern/Wildkräutern in der Natur: „Wildbienen, Schmetterlinge und Schwebfliegen als wichtige Bestäuber finden Nahrung in Form von Nektar. Distel-Arten sind Nektarquellen für Schmetterlinge wie Tagpfauenauge, Admiral und Kleiner Fuchs. Brennnesseln sind eine beliebte Raupenfutterpflanze. Der Aurorafalter legt seine Eier an Knoblauchrauken und Wiesenschaumkraut ab.“

Kulinarische Bedeutung

Wildbienen seien für die Aufzucht ihrer Nachkommen auf ganz bestimmter Wildkräuterfamilien spezialisiert.

Bei dem Wort „Unkraut“ werde oft die medizinische und kulinarische Bedeutung vergessen. So könne man im Garten Beikräuter (Beinwell, Brennnessel) als Stickstoffdünger verwenden.

„Mit Löwenzahn und Sauerampfer, Knoblauchrauke, Vogelmiere oder Gundermann kann man einen Salat verfeinern, Giersch als Spinatersatz verwenden. Aus Schafgarbe, Johanniskraut oder Spitzwegerich lässt sich Tee zubereiten. Die Blüten des Löwenzahns, von Veilchen und Gänseblümchen eignen sich als Garnitur für Speisen“, weiß Mann.

Manche Wildkräuter können als Arznei verwendet werden. Das Schöllkraut wirke gegen Viren und gegen Warzen. Löwenzahn werde für Leber-Gallen-Entgiftung genutzt. Spitzwegerich-Tee helfe bei Husten und die frischen Blätter bei Insektenstichen.

Umdenken gefordert

Professor Ingolf Kühn vom Standort Halle des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung  sagt, dass inzwischen auch Unkräuter, die am Feldrain wachsen, als bedrohte Pflanzen in die Rote Liste aufgenommen wurden, „zum Beispiel der Ackerrittersporn und das Flammen-Adonisröschen“.

Der Botaniker, der auch an der Martin-Luther-Universität Halle lehrt, hat allerdings auch Verständnis für die Bauern, die etwas dagegen tun, dass „Unkräuter an ihren Erträgen nagen. Es kommt aber darauf an, wie Unkrautbekämpfer eingesetzt werden. Bei Glyphosat wissen wir inzwischen, welche Nebenwirkung das Mittel hat. Aber es gibt andere, von denen wir das kaum oder nicht wissen.“ Er befürwortet „idealerweise biologischen Anbau“. Großes Potenzial für den Naturschutz sieht er in den Kleingärten. „Dort wird pro Quadratmeter weitaus mehr Gift gespritzt als auf den Feldern. Die Dichte ist weitaus höher, wobei auf den Äckern natürlich die absolute Menge größer ist.“

Der Biologe fordert ein Umdenken. „Mit der Giftspritze im Garten geht es zwar schneller, aber der Natur zuliebe sollte man doch lieber auf das altbewährte, aber zugegeben etwas  aufwendigere Unkrautjäten zurückgreifen. Schließlich will man ja auch, das, was man im Garten angebaut hat, risikolos essen.“

Auch der Pflanzen-Professor kennt „Unkraut“-Rezepte. „So kann man Löwenzahn-Knospen wie Kapern einlegen. Vogelmiere als Salat schmeckt ein bisschen wie Feldsalat.“

Sandra Mann von der FH Bernburg ist sich sicher: „Mit regionalen Wildpflanzen können ökologisch hochwertige Flächen zur Förderung der Artenvielfalt angelegt werden. Besonders mehrjährige Arten sind geeignet, zum Beispiel  auf Gartenwiesen und kommunalen Grünflächen.“