Zeitzeugin Grottenolme wurden nicht gestohlen
Zum Thema Grottenolme in der Rübeländer Hermannshöhle hat sich Ingeburg Kopp gemeldet. Sie hat die Tiere 1956 in den Harz gebracht.
Dresden/Rübeland l „Wir haben die Grottenolme weder gestohlen, noch listig entführt“, sagt Ingeburg Kopp. Die damalige Ehefrau von Wolfgang Reichel hat sich nach den jüngsten Veröffentlichungen der Volksstimme über die Bewohner der Rübeländer Hermannshöhle zu Wort gemeldet.
Die 86-Jährige wehrt sich gegen zuletzt öffentlich geäußerte Mutmaßungen, die 1956 aus der Adelsberger Grotte in Postojnska Jama (Slowenien) in den Harzort transportierten 13 Urzeit-Geschöpfe könnten das Ergebnis einer illegalen Nacht- und Nebel-Aktion sein. Im Gegenteil: Die Schwanzlurche seien ihnen geschenkt worden.
Ingeburg Kopp erzählt die ganze Geschichte aus ihrer Sicht. Demnach sei Wolfgang Reichel 1951 in Rübeland angekommen. Nach Beendigung seines Geologiestudiums habe er im Auftrag der DDR-Regierung und der Bergakademie Freiberg einen Wassereinbruch in die Schwefelkiesgrube „Einheit“ untersuchen sollen.
Gleichzeitig hätten sich für ihn als begeistertem Höhlenforscher nun vor Ort viele Möglichkeiten dazu und der Kontakt mit Gleichgesinnten ergeben. Letzteres habe zur Gründung einer Höhlenforschergruppe in Rübeland geführt. Diese sei sehr rührig gewesen und habe immer wieder neue Mitglieder gewinnen können. Die Aktivitäten der Harzer seien überregional nicht unbemerkt geblieben. Aus den Begegnungen hätten sich Einladungen ergeben, von denen einige während einer dreimonatigen Studienreise 1956 realisiert werden konnten.
So auch jene nach Slowenien. Ingeburg Kopp: „Wir waren dort als Gäste und gleichzeitig Höhlenforscherfreunde herzlich aufgenommen worden und pflegten zu allen, mit denen wir zu tun hatten, gute Kontakte.“ Und: „Es gab keine Spannungen, von denen wir etwas erfahren hätten oder gar darin einbezogen worden wären.“
Es habe allerdings auch Konflikte gegeben. Interne in Postoina, von denen sie nichts gewusst hätten. Aber auch daheim in Rübeland. Neider hätten die Gerüchteküche angeheizt.
Es sei deshalb am 20. Dezember 1957 zu einem Treffen in der Geschäftsstelle des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher im württembergischen Laichingen gekommen. „Um die seit einem Jahr bestehenden Widersprüche und Unklarheiten hinsichtlich der im November 1956 nach Rübeland verbrachten 13 Grottenolme zu beseitigen“, wie es im Protokoll heißt.
Ingeburg Kopp hat eine Kopie dieses Schriftstückes aufgehoben. Auf Seite 7 heißt es darin weiter: „In jugoslawischen Zeitungsberichten, die im deutschsprachigen Gebiet übernommen worden waren, war in sensationeller Weise der Verdacht ausgesprochen worden, daß die Grottenolme unbefugt entführt worden seien.“ Durch Vorlage des Briefverkehrs und anderer Belege habe Wolfgang Reichel aber nachweisen können, dass er in für ihn rechtmäßiger Weise in den Besitz der Olme gelangt war. Ferner habe er bestätigt, dass als Gegenleistung wissenschaftliches Beobachtungs- und Sammlungsmaterial sowie Literatur nach Postojna geschickt werden sollte, was bereits vor Übernahme der Amphibien verabredet worden war. Die wissenschaftlichen Untersuchungen würden in Zusammenarbeit mit dem Zoologischen Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vorgenommen.
Wolfgang Reichel sei hiermit vom Verdacht befreit worden, dass er die Olme lediglich zu Werbezwecken für die Rübeländer Höhlen verwenden wollte. Die Tiere würden in ihrem Harzer Refugium ebenfalls den strengen Bestimmungen des Naturschutzgesetzes unterliegen. Und: „Weitere Mißverständnisse ließen sich auf Schwierigkeiten mittels der deutschen Sprache zurückführen.“ Die Aussprache sei durch ein gemeinsam unterzeichnetes Protokoll beendet.
Fazit: „Damit ist seitens des Verbandes der ‚Grottenolmkonflikt‘, der bedauernswerter Weise weite Kreise gezogen hat, abgeschlossen.“
Ingeburg Kopp betont, ihr und ihrem damaligen Gatten sei es einzig allein darum gegangen, den Fortbestand der Schwanzlurche in der Hermannshöhle zu sichern. Sie bedauert, als Zeitzeugin zunächst nicht befragt worden zu sein.
Er habe bei seinen Recherchen nicht gewusst, dass die Wahl-Dresdnerin noch etwas dazu beitragen kann, weiter Licht in das Dunkel des Olmenreiches zu bringen, entgegnet Friedhart Knolle. Gemeinsam mit Beate Puffe und Anne Ipsen hatte er sich der Geschichte angenommen. Das am 20. Dezember 1957 in Laichingen stattgefundene Gespräch nennt Knolle einen Kompromiss. Die dabei erfolgten Zusagen seien jedoch von DDR-Seite nicht eingehalten worden, was in Jugoslawien für weitere Verärgerung sorgte.
Der Wissenschaftler: „Aus heutiger Sicht muss auch bedacht werden, dass in den Akten niemals die ganze Wahrheit stehen kann und dass der Zungenschlag ‚Olmendiebstahl‘ erst aufgrund der Veröffentlichung in einer Berliner Zeitung durch die Belgrader Zeitung Politika in die Welt gesetzt wurde.“
Und: „Es ging dabei ja auch irrtümlich gegen Westdeutschland und die westdeutsche Presse.“ Von „Diebstahl“ könne aus heutiger Sicht sowohl nach Meinung der Autoren als auch von Ingeburg Kopp nicht die Rede sein. Friedhart Knolle: „Offenbar war es eher eine Olmenbeschaffung auf dem kleinen Dienstweg.“ Wahrscheinlich wäre auch nichts weiter passiert, wenn die Sache nicht medial hochgespielt worden wäre.
Der Höhlenforscher Michael K. Brust habe von Hinweisen berichtet, die er hinter vorgehaltener Hand in den 1970er Jahren erhalten hatte. Demnach sei Reichel möglicherweise über die damaligen Medienkonflikte in ein politisches Kreuzfeuer und auch deshalb in Misskredit geraten. Außerdem habe es im damaligen Jugoslawien Machtkämpfe um den Chefposten im Karstinstitut Postojna gegeben – da sei der „Export“ von Grottenolmen nur allzu willkommen gewesen. Gleichzeitig sei man auf diese Weise den in Rübeland wohl unbequemen Querdenker Reichel auf einfache Art losgeworden.
Friedhart Knolle: „Wie dem auch immer sei – die ganze Wahrheit wird man heute ohne Einsicht in die Akten von Postojna kaum noch ergründen können.“ Jede Information zur Klärung dieser Aktenlage sei willkommen, denn die Emotionen würden bei diesem Thema noch immer hochschlagen – nicht nur in Rübeland. Und es bleibe allemal das Verdienst der Reichels, die Olmenpopulation in der Hermannshöhle wieder stabilisiert zu haben.
Ingeburg Kopp ist 1969 in Wolfgang Reichels Heimatstadt Dresden mit zurückgezogen. Später trennten sich ihre Wege. „Ihre“ Grottenolme hat sie nie vergessen. Sie wünscht ihnen heute „ein langes Leben“.