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Besondere Spezialitäten-Produktion im Harz „Kaffee braucht Zeit“: Woher „Fairista“-Bohnen kommen und wie sie verarbeitet werden

Sie kommen direkt von Bauern aus Ländern rund um den Äquator: die Bohnen, aus denen bei „Fairista“, der Werkstatt der Lebenshilfe Harzkreis-Quedlinburg, Spezialitäten für den Handel werden. Inklusiv gearbeitet wird dabei in vielen Schritten.

Von Petra Korn Aktualisiert: 15.12.2024, 14:33
Kaffee braucht Zeit und Liebe, sagt das Team von „Fairista“. Und so wird in Weddersleben auch produziert.
Kaffee braucht Zeit und Liebe, sagt das Team von „Fairista“. Und so wird in Weddersleben auch produziert. Foto: M. Bölling

Weddersleben/MZ. - Schon beim Öffnen der Tür ist er da: der Duft nach Kaffee. Nicht weil ihn jemand an diesem Morgen frisch aufgebrüht hat. Sondern weil sich hier, in der „Fairista“-Werkstatt der Lebenshilfe Harzkreis-Quedlinburg in Weddersleben, alles um Kaffeebohnen dreht.

In dem großen Raum stehen Abfüllmaschine und Waagen bereit. Hier gibt es Kartons voller Tüten, in die der nebenan frisch geröstete Kaffee abgefüllt wird. Auf Regalen liegen große Rollen mit Etiketten für die Tüten und Kartons zum Verpacken bereit.

Arbeiten, bei denen ich einen Tag lang mithelfen darf – dem „Schichtwechseltag“, einem jährlichen Aktionstag der Werkstätten für behinderte Menschen. Dabei wechseln Beschäftigte der Werkstätten und Mitarbeiter aus Firmen des allgemeinen Arbeitsmarktes für einen Tag ihren Arbeitsplatz. Im Oktober waren Lisa Schnell, die in der Kaffeerösterei der Lebenshilfe arbeitet, und Janine Kraft aus der Papierwerkstatt „Fairklemmt“ für einen Tag in der MZ-Lokalredaktion. Nun hat der volle Redaktionskalender endlich den Gegenbesuch ermöglicht.

Verschiedene Arbeiten

Um 8 Uhr, zum Arbeitsbeginn, sitzen wir in einem großen Kreis. „Es gibt verschiedene Arbeitsschritte“, etwa das Beschriften der Tüten, das Aufkleben von Etiketten oder das Einschweißen, erklärt Lisa Schnell. „Da wird tagesaktuell eingeteilt, wer wo gebraucht wird.“ Doch an diesem Morgen steht zunächst eine Belehrung auf dem Programm. Die erfolge regulär in gewissen Abständen und auch, wenn es wie an diesem Tag Unterstützung aus anderen Werkstatt-Arbeitsbereichen gebe, erklärt Ulrike Albrecht, seit 2019 Gruppenleiterin in der Kaffeerösterei.

Die Tüten werden mit Aufklebernversehen und liegen dann zum Abfüllen bereit.
Die Tüten werden mit Aufklebernversehen und liegen dann zum Abfüllen bereit.
Foto: P. Korn

Lisa Schnell und ich werden zunächst zum Beschriften und Etikettieren der Tüten eingeteilt. Die kommen als bedruckte Rohlinge in der Werkstatt an. Dort wird jede Tüte mit einem Aufkleber versehen, der zeigt, welcher Kaffee in ihr steckt. Und einem Aufkleber, der entweder von der Röstgilde ist oder beim Espresso auf dessen Goldprämierung hinweist. Zudem wird auf der Tüte angekreuzt, für welche Zubereitungsart – etwa als Filterkaffee, per Automat oder Siebdruckmaschine – die Sorte geeignet ist. Das wird meine Aufgabe. Der Kaffee, für den „unsere“ Tüten bestimmt sind, eignet sich für alles – außer den Espressokocher. Heißt: In den vorletzten der insgesamt fünf Kreise darf kein Kreuzchen. Ulrike Albrecht empfiehlt, beim Ankreuzen rechts anzufangen. „Wenn man links anfängt, ist man so schön dabei – und kreuzt dann auch schnell mal durch.“

Beim Nachwiegen der abgefüllten Kaffeetüten.
Beim Nachwiegen der abgefüllten Kaffeetüten.
Foto: U. Albrecht

Etwa 1.500 Kilogramm Kaffee werden pro Woche in Weddersleben geröstet und verpackt – Spezialitäten, die in der Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung in gelebter Inklusion produziert werden und dann deutschlandweit in den Regalen der Rossmann-Drogeriemärkte stehen.

Schonendes Verfahren

Wie das Rösten funktioniert? Lisa Schnell möchte das gern zeigen und nimmt mich mit nach nebenan. Dort ist an diesem Tag Markus Bölling für das Rösten verantwortlich, unterstützt durch Christiane Fischer. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass der große Röster bestückt wird, und überwachen den Röstvorgang. Verarbeitet, erklärt Bölling, werden fünf verschiedene Kaffeesorten aus Anbaugebieten rund um die Welt. Sie kommen etwa aus Honduras, Äthiopien oder Mexiko. „Sie werden direkt von den Kaffeebauern bezogen, zu denen wir auch einen direkten Kontakt haben“, berichtet Markus Bölling. „Das ist die besondere Verbindung, die wir haben, die Steffi König hergestellt hat.“ Steffi König ist die Röstmeisterin bei „Fairista“.

Nach demBefüllen und Nachwiegen werdendie Tüten mit der Einschweißmaschine verschlossen.
Nach demBefüllen und Nachwiegen werdendie Tüten mit der Einschweißmaschine verschlossen.
Foto: P. Korn

Das Röstverfahren sei ein langsames, schonendes. „Wir legen großen Wert auf die Qualität des Produktes", erklärt Markus Bölling, während sich gerade Bohnen aus Papua-Neuguinea im Röster befinden. „Davon sind nur noch ein paar Säcke übrig. Wir schwenken dann um auf mexikanische Bohnen. Das wird unser neuer Bio-Kaffee.“

Verpacken: Immer vier Tüten kommen in einen Karton.
Verpacken: Immer vier Tüten kommen in einen Karton.
Foto: P. Korn

Geröstet wird immer sortenrein - auch für den Espresso. Der ist eine Mischung, für die die Bohnen der einzelnen Sorten nach dem Rösten nach Rezept abgewogen und zusammengegeben werden.

Nach 20 Minuten ist der Röstvorgang beendet. „Kaffee braucht Zeit und Pflege“, sagt Markus Bölling, während die Bohnen in der großen Schale, über ein Rührwerk vorsichtig durchmischt, abkühlen. Rund 21 Kilogramm sind es – 25 wurden in den Röstvorgang gegeben.

Aufs Gramm genau

Nach der Mittagspause bekommen wir eine neue Aufgabe: abwiegen. 450 Gramm steht als Inhaltsangabe auf den Tüten. Maschinell wird die vorgesehene Kaffeemenge in diese eingefüllt - nur ist das nicht immer exakt. „Deshalb wiegen wir noch mal nach, damit der Kunde genau die Grammzahl bekommt, die auf der Tüte steht“, erklärt Lisa Schnell, während wir Handschuhe – Pflicht beim Umgang mit Kaffee – überstreifen. 447 Gramm zeigt die Waage vor ihr an, 449 sind es auf der vor mir. Lieber nur ganz wenige oder gar einzelne Bohnen hinzugeben, rät Lisa Schnell. Ich schaue, wie sie das macht – und habe auch bald den Bogen raus, wie ich die „450“ auf die Anzeige bringe. Die exakt gefüllten Tüten werden dann an der Einschweißmaschine verschlossen, unter anderem noch mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen und dann verpackt: vier Tüten in jeden der Kartons, die auf eine Palette kommen. „Nach einem ganz bestimmten Schema“, erklärt Lisa Schnell. Bei Rossmann im Lager laufe alles automatisch, „deshalb muss das zentimetergenau auf der Palette sein.“ Taucht hier wie an einem anderen Arbeitsplatz mal eine Frage auf, ist schnell einer der Beschäftigten zur Stelle. „Dadurch, dass die Mitarbeiter immer wieder rotieren, wissen sie, wie es läuft. Sie sprechen sich untereinander ab“, sagt Ulrike Albrecht.