Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Kaum Geld zum Shoppen? Halle auf Platz 395 in bundesweiter Studie zur Kaufkraft
In Halle ist die Kaufkraft geringer als in den meisten anderen Regionen der Bundesrepublik. Wie wirkt sich das auf Handel, Gastronomie und aufs aktuelle Weihnachtsgeschäft aus?
Halle (Saale)/MZ - In welchen Regionen in Deutschland können sich die Menschen am meisten und in welchen am wenigsten leisten? Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) untersucht. Halle zählt demnach zu den Schlusslichtern und landet auf Platz 395 von 400 untersuchten Landkreisen und Städten. Den letzten Platz belegt Offenbach am Main, während die Menschen am Starnberger See im Schnitt das meiste Geld zum Ausgeben haben.
Das IW hat für die nun veröffentlichte Studie Daten aus dem Jahr 2022 ausgewertet und dabei nicht allein auf das Pro-Kopf-Einkommen geschaut, sondern auch auf das Preisniveau in den einzelnen Regionen. Daraus ergibt sich dann das „preisbereinigte Durchschnittseinkommen“.
In Zahlen heißt das: In den zehn Regionen an der Spitze des Rankings lag dieses Einkommen 2022 bei über 30.000 Euro. In Halle dagegen bei 21.672 Euro.
Die Folgen geringer Kaufkraft
Antje Bauer, Geschäftsführerin Starthilfe und Unternehmensförderung bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK), verweist zudem auf den Einzelhandelskaufkraftindex. Der nimmt das verfügbare Einkommen, das speziell für Ausgaben im Einzelhandel zur Verfügung steht, in den Blick. Der Index für Halle liege aktuell bei 89,2 und damit deutlich hinter den beiden anderen Oberzentren Dessau (93,8) und Magdeburg (92,8) und Sachsen-Anhalt insgesamt (91,9).
„Eine geringere Kaufkraft bleibt nicht ohne Niederschlag auf das Handelsgeschäft und die Handelslandschaft“, sagt Bauer. Denn die Nachfrage bestimmt das Angebot, wirkt sich auf die Breite und die Tiefe des Sortiments aus und auch darauf, ob neue Händler sich ansiedeln. „In weiterer Folge können sich auch Auswirkungen für Unternehmen anderer innenstadtrelevanter Angebote ergeben.“
Das nachhaltige hallesche Modelabel Greenbomb, das Einzelhändler in ganz Europa mit seinen Textilien beliefert, hat vergangenes Jahr die Ladeneröffnung in Halle gewagt – und nicht bereut. „Seit der Eröffnung unseres Stores in der Großen Ulrichstraße haben wir uns glücklicherweise schon einen guten Kreis an Stammkunden aufbauen können“, sagt Sales Manager Robert Wendtlandt. Die Kunden kämen nicht nur aus Halle, sondern auch aus benachbarten Städten ins Geschäft. „Wir können bezüglich der Umsätze nicht klagen.“
Leute wägen ab, was sie benötigen
Allerdings sagt Wendtlandt: „Auch wir bemerken, dass die Kaufkraft nachlässt.“ Die Leute würden bewusster einkaufen und abwägen, was sie wirklich benötigen. Sie kämen „auf der Suche nach etwas Besonderem“ in den Laden. Zudem spiegle die IW-Studie „auch die Resonanz unserer Händler wider“. So sei die Kaufkraft und die Nachfrage nach den Greenbomb-Produkten in den südlichen Bundesländern höher.
Während der Sales Manager noch vom „kleinen Rückgang“ im Weihnachtsgeschäft spricht, sagt Theresa Donner, Inhaberin der Buchhandlung heiter bis wolkig: „Das Weihnachtsgeschäft ist schleppend angelaufen.“ Trotz des Angela-Merkel-Buchs, das immerhin 42 Euro kostet und „gut gekauft wird“. Die Studie zur Kaufkraft wirft bei Theresa Donner viele Fragen auf. So sei damit ja noch nicht geklärt, wofür die Leute Geld ausgeben.
Sie spricht außerdem Halles Segregationsproblem an. Die beiden Standorte für das heiter bis wolkig sind jedenfalls bewusst gewählt. „Die Läden passen mit dieser Ausrichtung am besten zum Paulusviertel und Giebichenstein“, sagt Donner. „Wir sind hier in einem Viertel mit, nach meinem Empfinden, verhältnismäßig hoher Kaufkraft.“
Mönchshof ist gut gebucht
Vergangenes Jahr wurde das heiter bis wolkig als eine der besten Buchhandlungen Deutschlands ausgezeichnet. Hat das – vom Preisgeld abgesehen – einen Effekt? „Die Aufmerksamkeit hat uns neue Kunden beschert“, sagt die Buchhändlerin.
Und die Gastronomie? Mag sein, dass die Leute nicht mehr aus den Vollen schöpfen, vielleicht auch einmal weniger kommen, sagt Jens Liebezeit, der Inhaber des Restaurants Mönchshof am Hallmarkt. Doch übers Jahr sei man doch gut gebucht gewesen und gerade auch jetzt zur Weihnachtszeit. Wenig Kaufkraft in Halle? „Das haben wir bis jetzt nicht bemerkt“, sagt Liebezeit.
Wolfgang Fleischer von der Citygemeinschaft überrascht Halles schlechtes Abschneiden in der IW-Studie derweil nicht. Beim Weihnachtshandel würden derzeit Schmuck und Uhren laufen. Ansonsten „hoffen die Händler auf den Endspurt und dass bis zum Fest noch eingekauft wird“.
Das Hoffen auf positive Impulse
Fleischer sagt, „es ist ein Tal“, in dem sich der Handel befinde. Dafür macht er auch die vielen schlechten Nachrichten verantwortlich. Den Leuten fehle das Positive. Sowohl der Handel als auch die Bürger hoffen seiner Ansicht nach auf Neuwahlen und positive Impulse. Er sagt: „Wer fröhlich ist, der gibt auch Geld aus.“
Hendrik Senkbeil, Geschäftsführer Standortpolitik bei der IHK Halle-Dessau, sieht einen Nachholbedarf unserer Region, was die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit betrifft. Um die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu stellen, sei zwar vor allem der Bund gefordert. „Aber auch in der Region selbst sollte man dringend schauen, mehr wertschöpfungsintensive Arbeitsplätze anzusiedeln.“ Dazu brauche es Gewerbeflächen.
Gegen Erweiterungsbemühungen vor Ort sei in letzter Zeit leider immer wieder protestiert worden, so Senkbeil. Dabei zeige die geringe Kaufkraft, dass Investitionen dringend nötig seien. „Hier ist mehr Akzeptanz in der Region nötig – also mehr Wertschätzung für Wertschöpfung, auch und vor allem vor Ort.“