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Hitzige Diskussion Klietz Rat lehnt höhere Steuern ab

Mit knapper Mehrheit von 6:5 Stimmen hat sich der Klietzer Gemeinderat gegen die Erhöhung der Grundsteuern entschieden.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 26.06.2020, 13:34

Klietz l  Die Stimmung im Gremium ist seit Monaten explosiv und gipfelt nun in einer von Ratsmitglied Torsten Peters angekündigten Anzeige gegen Jens Meiering und den Antrag der Wählergemeinschaft auf dessen Abwahl als stellvertretender Bürgermeister. Und im Rücktritt zweier Ratsmitglieder.

Die Erhöhung der Steuern zum jetzigen Zeitpunkt bringe der Gemeinde gar nichts, weil andere Kriterien für eine Befarfszuweisung aus dem Ausgleichsstock nicht erfüllt werden. Und die Erhöhung setze ein falsches Signal in wirtschaftlich schwierigen Corona-Zeiten. Mit diesen Worten fasste Peter Handrik (SPD) nach langer Diskussion seinen Standpunkt zusammen. Fünf weitere Ratsmitglieder sehen das ähnlich.

Die Erhöhung der Grundsteuer A und B sowie der Gewerbesteuer hätte der wirtschaftlich stark angeschlagenen Gemeinde knapp 29 000 Euro eingebracht. Die Grundsteuer A sollte um 8,44 Prozent steigen, B um 11,67 Prozent und die Gewerbesteuer um 6,37 Prozent.

Warum die Erhöhung aus Sicht de Verwaltung nötig ist? Klietz hatte schon in den Vorjahren rote Zahlen geschrieben, beantragte deshalb Finanzhilfen vom Land. Das aber stellt Bedingungen, zu jenen gehören unter anderem höhere Steuern, um selbst für höhere Einnahmen zu sorgen. Diese Bedingungen erfüllt Klietz nicht, weshalb das Finanzministerium die Zahlung der Bedarfszuweisungen im Herbst letzten Jahres für die Zeit von 2010 ist 2014 ablehnte.

Um nun Bedarfszuweisungen ab 2015 zu beantragen, sollten eben die Steuern erhöht werden. „Aber alle anderen Voraussetzungen, zu denen auch noch ein beschlossener Haushalt zum 1. Januar und eine Eröffnungsbilanz gehören, erfüllen wir in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht. Also bringt die Erhöhung der Steuern nichts“, sagte Jens Meiering (Fraktion Für unsere Gemeinde). Helmut Lemme (WG Neuermark-Lübars) ergänzte: „Die Erhöhung trifft die Bürger, die auf dem Dorf zumeist große Grundstücke, Acker und Wald besitzen, hart. Das Schlimme ist, dass die Misere, in der wir uns befinden, wir selbst nicht mal verursacht haben“, sprach er die hohen Umlagen an.

Jana Schulz (WG Neuermark-Lübars) hat einen Brief der Scharlibber Agrargenossenschaft verlesen, in der die Geschäftsführerin eindringlich darum bat, genau abzuwägen. Die von der Verwaltung vorgeschlagene Steuererhöhung würde für den Betrieb insgesamt zehn Prozent höhere Abgaben bedeuten. Und das in der schwierigen Lage durch Corona, Preisverfall bei Schweinen und zwei Dürrejahren.

Torsten Peters (Wählergemeinschaft Klietz) erklärte, dass die Gemeinde letztmals 2010 die Steuern erhöht hat. Die jetzige Erhöhung, die für ihn selbst etwa zehn Euro ausmachen würde, sei angemessen, „damit wir im nächsten Jahr endlich eine Zahlung aus dem Ausgleichstock erwarten können. Wir müssen zukunftsorientiert für unsere Gemeinde denken!“ Ohnehin habe die Gemeinde coronabedingt Mindereinnahmen bei den Gewerbesteuern von bis zu 30 000 Euro.

Mit der knappen Abstimmung gegen die Erhöhung ist das Thema vorerst erledigt. Die Fraktion „Für unsere Gemeinde“ hatte schon zur letzten Sitzung einen Antrag auf Senkung der Gewerbesteuern für 2020 gestellt, „warum steht diese Beschlussvorlage heute nicht auf der Tagesordnung?“ fragte Jens Meiering. Per Willensbekundung legte der Rat fest, dass der Antrag zur nächsten Sitzung vorliegen soll.

Emotional wurde es unter „Anfragen“. Kritikpunkt der Wählergemeinschaft mit Torsten Peters als Vorsitzendem ist ein Brief, den Jens Meiering an Gewerbetreibende verschickt hat mit Bitte um Stellungnahme zur geplanten Steuererhöhung. „Warum haben diesen Brief, der den Anschein erweckt, er käme vom Gemeinderat, nicht alle Gewerbetreibenden erhalten?“ fagte Jörg Pürner (Wählergemeinschaft). Und er kritisierte zudem, dass auf der privaten Homepage von Jens Meiering nicht deutlich ersichtlich ist, dass diese von der Fraktion erstellt ist, „es sieht so aus, dass sie eine offizielle Seite vom gesamten Rat ist“. Jens Meiering erklärte, das umgehend deutlicher darstellen zu wollen.

Die von Jens Meiering geführte Homepage und der Brief an Gewerbetreibende sind auch der Grund dafür, dass Torsten Peters Anzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede gegen Jens Meiering stellen will. „Ich sehe mich privat und auch dienstlich (er ist im Finanzamt tätig - Anm. d. Redaktion) angegriffen. Mein Name hat auf dieser Homepage nichts zu suchen! Tatsachen sind falsch dargestellt und Begründungen für meine Entscheidungen nicht genannt“, bezieht er sich konkret auf den Brief, den die Gewerbetreibenden Anfang Juni von Jens Meiering mit Bitte um Stellungnahme erhalten haben. Darin steht nach der Darstellung der geplanten Steuererhöhung und dem Antrag der Fraktion „Für unsere Gemeinde“ zur Gewerbesteuersenkung: „Stattdessen hat der Bürgermeister im Einvernehmen mit der Verbandsbürgermeisterin eine Beschlussvorlage zur Erhöhung der Steuern in der Gemeinde Klietz in die letzte Ratssitzung eingebracht... Herr Torsten Peters von der Fraktion Wählergemeinschaft Klietz unterstützte diesen Antrag zur Erhöhung, da gemäß seiner Auffassung die Gewerbetreibenden von der Senkung der Gewerbesteuer gering bis gar nicht profitieren würden.“

Die Kritik prallte an Jens Meiering ab. Er möchte zu den Bürgern bringen, was im Rat diskutiert und beschlossen wird und wofür die von den Bürger gewählten Ratsmitglieder stehen. „Ich bringe nur das in die Öffentlichkeit, was im öffentlichen Teil beraten wird. Deshalb hatte ich mich auch entschieden, für den Gemeinderat zu kandidieren.“

Dass Jens Meiering vieles aufgedeckt hat, was in den letzten Jahren schief gelaufen ist, erkennt Helmut Lemme an. „Er kümmert sich! Wir haben doch bisher alles geduldet und stehen vor einem großen Scherbenhaufen.“

Torsten Peters sagte abschließend, dass die Wählergemeinschaft den Antrag stellt, Jens Meiering als stellvertretenden Bürgermeister abzuwählen. Das dürfte dann Thema der nächsten Ratssitzung sein.

Wieviele Ratsmitglieder dann an den Tischen sitzen, bleibt abzuwarten. Denn nachdem Uwe Brendel (Wählergemeinschaft) während der Sitzung von einem „Zirkus“ gesprochen hat, erklärten er und auch unabhängig von ihm Jörg Pürner gestern tatsächlich ihren Rücktritt aus dem Rat.