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Aus Halle stammende TV-Moderatorin über die Pflege ihres Vaters Pflege des Vaters: Aus vollem Herzen

Die in Halle aufgewachsene TV-Moderatorin Seraphina Kalze erzählt in ihrem schönen Buch „Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht“ über die Herausforderung.

Von Andreas Montag 16.12.2024, 10:18
Moderatorin und Autorin Seraphina Kalze: Wer kämpft, hat viel zu gewinnen.
Moderatorin und Autorin Seraphina Kalze: Wer kämpft, hat viel zu gewinnen. (Foto: Claudia Kern)

Halle/MZ - Wer den sperrigen Begriff „pflegende Angehörige“ schon einmal gehört hat – und wer aus eigener Erfahrung weiß, was sich dahinter verbirgt, der (oder die) wird dieses Buch lieben! Und allen anderen, denen die Erfahrung, einen nahen, geliebten, ehemals starken Menschen von einem Tag auf den anderen hilfsbedürftig zu finden, vielleicht bevorsteht, wird „Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht“ von Seraphina Kalze eine heitere und tröstliche Vorbereitung darauf sein.

„Mein Vater und ich auf der Suche nach dem Glück“ heißt der Untertitel des Buches, das jetzt im Hamburger Verlag Hoffmann und Campe erschienen ist. Und genau darum geht auch: Um den Versuch, sich vom Traurigen und Schockierenden einer plötzlich völlig veränderten Lebenslage nicht erdrücken zu lassen, sondern mit Mut, Liebe und Humor zu bewältigen.

Aufgeben gibt es nicht

So geht es allemal besser, wie die 1983 in Halle geborene, erfolgreiche Radio- und Fernsehmoderatorin glaubwürdig berichtet. Seraphina Kalze, die eine Frohnatur mit Schnauze ist, Witze liebt (auch flache, wie sie selbst einräumt), über große Energie verfügt und zum Glück eben auch noch gut schreiben kann, hat einen Bericht vorgelegt, den man nicht beiseite legt. Manchmal muss man lachen, manchmal ist es gut, ein Taschentuch parat zu haben, weil man mitheulen muss.

Eigentlich ist es die Geschichte einer großen Elternliebe. Zwei, die nach dem Tod der Frau und Mutter noch enger zusammenrücken, obwohl die Tochter längst von Halle weggezogen ist. Erst nach Berlin, dann nach Hamburg. Die Karriere läuft fabelhaft, die Ehe offenbar auch. Das wuppt sie alles locker und hat viel Spaß dabei. Und dann kommt die Nachricht aus der halleschen Klinik: Der Vater hat bei einer eigentlich routinemäßigen Herz-Operation einen schweren Schlaganfall erlitten. Zu spät bemerkt, steht das Leben des Mannes auf der Kippe.

Was danach geschieht, erinnert an einen langen Lauf durch unübersichtliches Gelände: Du weißt nicht, was hinter der nächsten Kurve auf dich wartet. Aber eins ist der Frau klar: Aufgeben kommt nicht in die Tüte!

In kurzen, pointiert geschriebenen Kapiteln schildert Seraphina Kalze, wie sie den Vater erst auf der Intensivstation, dann in einer sächsischen Reha-Klinik begleitet. Und nichts ist leicht dabei, nichts regelt sich von selbst. Aber wenn du kämpfst, so die Botschaft der Autorin, ist viel zu gewinnen für den Menschen, den du nicht loslassen willst. Da schmuggelt sie eine angebliche Stiefschwester, die in Wahrheit nur eine Bekannte ist – aber tatsächlich Physiotherapeutin, in den Intensivbereich der Klinik, damit der schwer geschädigte Vater ein paar Übungen mehr bekommt, als auf dem Zettel steht. Und wenn die „Stiefschwester“ mal eine Kollegin schicken muss, wird eben auch diese noch in die Familie aufgenommen. Ihr Vater sei schließlich früher Gitarrist gewesen, erklärt seine Tochter den Schwindel.

Offenheit überzeugt

Die Autorin überzeugt an jeder Stelle des Buches mit Ehrlichkeit und Offenheit. Sie verhehlt nicht, einige Male verzweifelt gewesen zu sein. Sie brach zusammen und ist wieder aufgestanden, hat den Papa, dem das Buch gewidmet ist, ins Leben zurückgeholt, soweit es möglich war. Nach der Reha nahm sie ihn mit in ihr Zuhause, wo sie mit ihrem Mann (und inzwischen zwei Töchtern) lebt. Da braucht es nicht nur ein rollstuhlgerechtes Zimmer und ein Pflegebett: „Dann stand sie im Raum! Die glaube ich schwierigste Frage überhaupt: ,Papa, ich werde dich jetzt waschen.‘ (Das war nicht neu, ich machte es regelmäßig.) ,Untenrum.‘ (Sehr neu.) ,Ist das o.k. für dich?‘ Als ich mich das sagen hörte, stellte ich fest, dass ich eigentlich nie darüber nachgedacht hatte, ob das auch für mich o.k. war?“

Ein Mutmacherbuch, realistisch, ohne Beschönigung, ohne Jammer. Dafür voller Witz und Liebe: Ein Buch, das aus vollem Herzen kommt und zu Herzen geht.

Seraphina Kalze: Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht. Hoffmann und Campe, 207 S., 18 Euro