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Verfahren um tödliches verbrühtes Kind vor dem Abschluss Prozess in Halle: Sophies Vater gilt als schuldfähig

Im Prozess um den Tod der kleinen Sophie nähert sich die Entscheidung. Für den Hauptangeklagten könnte es auf eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung hinauslaufen.

Von Annette Herold-Stolze Aktualisiert: 17.12.2024, 18:17
Vor Verhandlungsbeginn: die Angeklagten mit ihren Anwälten
Vor Verhandlungsbeginn: die Angeklagten mit ihren Anwälten Foto: Annette Herold-Stolze

Halle (Saale)/MZ. - Es muss häufig ein Klima der Angst geherrscht haben, geprägt von Alkohol, Drogen und Gewalt. So beschreibt die Mutter des durch massive Verbrühungen tödlich verletzten Mädchens Sophie (2) am Dienstag vor dem Landgericht das Familienleben. Neben der 36-Jährigen müssen sich Sophies Vater (37) und dessen Mutter (64) verantworten.

„Er wollte das doch nicht“, beantwortet die Angeklagte zum Beispiel die Frage, weshalb sie keinen Kontakt mehr zu ihren drei aus einer früheren Partnerschaft stammenden und inzwischen beim Vater lebenden Kindern pflege. Der 37-Jährige, mit dem sie ebenfalls drei Kinder – darunter Sophie – bekommen hat, habe sie häufig im Alkohol- und Marihuana-Rausch beschimpft, geschlagen und auch getreten. Für sie sei die Beziehung beendet, sagt sie. Es sei zu viel passiert, sie habe mittlerweile auch Anzeige gegen den Mann erstattet und sei aus der gemeinsamen Wohnung in der Paracelsusstraße ausgezogen. Sophies zwei Schwestern sind in Obhut des Jugendamtes, seit das Mädchen im Mai zu Tode kam. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft.

Urteil wegen fahrlässiger Tötung?

Der 37-Jährige gilt als Haupttäter. Laut Anklage soll er seine Tochter im Mai zur Strafe in so heißes Badewasser getaucht haben, dass sie lebensgefährliche Verbrühungen erlitt. Um nicht wie schon öfter mit dem Jugendamt in Konflikt zu geraten, habe die Familie entschieden, keine ärztliche Hilfe zu holen und das Kind stattdessen mit Quark und Panthenolspray eingerieben. Zwei Tage später war das Mädchen tot. Angeklagt hat die Staatsanwaltschaft alle drei Erwachsenen wegen gemeinschaftlichen Mordes durch Unterlassen. Die Schwurgerichtskammer wertete mit Zulassung der Anklage die Tat des Vaters genauso, bei den Frauen ging sie von fahrlässiger Tötung durch Unterlassen aus.

Für den Vater komme aus Sicht der Kammer inzwischen eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge infrage, wie der Vorsitzende Richter Jan Stengel am Dienstag äußert. Mit diesem sogenannten rechtlichen Hinweis macht er deutlich, dass dem Mann möglicherweise kein Vorsatz nachzuweisen ist.

Den Vorwurf des Vorsatzes hat der Vater wie auch die Frauen im Laufe des Verfahrens zurückgewiesen. Verursacht worden seien die Verletzungen vielmehr wegen eines defekten Boilers, betonte der Vater bei der Polizei und später auch im Gerichtssaal. Mutter und Großmutter waren nach übereinstimmenden Aussagen nicht in der Wohnung, als sie entstanden.

Die Schlussvorträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung und möglicherweise auch das Urteil werden für diesen Mittwoch erwartet. In Vorbereitung darauf ist am Dienstag auch der Psychologe Roland Reinelt gehört worden, der Sophies Vater begutachtet und auch den Prozess verfolgt hat. Sein Fazit: Der Mann sei trotz einiger Auffälligkeiten in seiner Persönlichkeit schuldfähig und habe sein Verhalten im Zusammenhang mit den Verbrühungen seiner Tochter und anschließend steuern können. Der Gutachter beschreibt den Hauptangeklagten als egozentrisch und wenig empathiefähig. Sein Empfinden von Scham oder Reue seien vermindert. Zu seinen Kindern habe der mehrfach vorbestraften Mann ein sehr distanziertes Verhältnis gepflegt. „Er machte nur gern mit ihnen, was ihm angenehm war.“ Doch auch wenn die Verhältnisse in der jungen Familie nicht immer einfach gewesen seien: „Die Beziehung war ambivalent und durchaus auch eine Quelle der Stärke.“