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Anreiz hinter Gittern Sachsen-Anhalt plant Lohnerhöhung für Strafgefangene - und ein Extra

Auf 3,37 Euro soll das durchschnittliche Stundenentgelt steigen. Auch eine Haftverkürzung winkt, allerdings nicht für jeden.

Von Hagen Eichler 16.12.2024, 17:09
Franziska Weidinger hofft, dass mehr Geld zur Entschädigung der Opfer fließt.
Franziska Weidinger hofft, dass mehr Geld zur Entschädigung der Opfer fließt. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Magdeburg/MZ - Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) will den Stundenlohn für Strafgefangene erhöhen. Derzeit zahlt das Land für eine Tätigkeit mit durchschnittlichen Anforderungen 2,02 Euro. Künftig sollen es 3,37 Euro sein, was einem Aufschlag von 67 Prozent entspricht.

Die Lohnerhöhung ist Teil einer Gesetzesänderung, über die das Kabinett an diesem Dienstag berät. Laut Beschlussvorlage, die der MZ vorliegt, soll das am 1. Juli des nächsten Jahres in Kraft treten.

Eine bezahlte Tätigkeit während der Haftzeit ist nicht nur mit Anerkennung verbunden, sondern schafft auch die Möglichkeit, dass Gefangene mit dem erarbeiteten Geld aktiv Opfer entschädigen können.

Franziska Weidinger (CDU)

Justizministerin Weidinger bestätigte die Pläne. „Arbeit ist einer der wichtigsten Bausteine für die Resozialisierung von Gefangenen“, sagte sie der MZ. „Eine bezahlte Tätigkeit während der Haftzeit ist nicht nur mit Anerkennung verbunden, sondern schafft auch die Möglichkeit, dass Gefangene mit dem erarbeiteten Geld aktiv Opfer entschädigen können.“ Diese Komponente sei ihr besonders wichtig.

Mit dem Schritt reagiert die Ministerin auf ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Juni des vergangenen Jahres. Je ein Gefangener aus Bayern und aus Nordrhein-Westfalen hatten Verfassungsbeschwerde eingereicht, weil sie die geringe Vergütung nicht hinnehmen wollten.

Richtwert sind nun 15 Prozent vom deutschen Durchschnittseinkommen

Die Richter stuften die Durchschnittslöhne zwischen 1,37 Euro bis 2,30 Euro als verfassungswidrig ein, da sie gegen das Resozialisierungsgebot verstießen. Eine zu geringe Entlohnung mache es beispielsweise unmöglich, Wiedergutmachung oder Unterhalt zu zahlen.

Die Länder hatten daraufhin eine neue Entgelthöhe vereinbart, die 15 Prozent des deutschen Durchschnittseinkommens erreichen soll – derzeit sind es neun Prozent. Ziel sei eine Vergütung, „die den Gefangenen einen erkennbaren Vorteil belässt und damit den Mehrwert von Arbeit unterstreicht“, heißt es aus dem Magdeburger Justizministerium. Einem Sprecher zufolge gehen derzeit etwas mehr als die Hälfte aller Strafgefangenen einer Arbeit nach. Ziel sei auch eine Steigerung dieser Quote.

Wer den Putzdienst übernimmt, in der Küche oder in der Tischlerei arbeitet, der erlebt das als eine Art Privilegierung.

Rechtsanwalt Jan Siebenhüner

Strafrechtsanwälte berichten, dass die Arbeit für viele Gefangene einen hohen Stellenwert hat. „Sie können sich vom Lohn etwas im Gefängniskiosk kaufen, Tabak oder Zeitschriften“, sagte der Leipziger Anwalt Jan Siebenhüner. „Die Arbeit hilft aber auch dabei, den Tag herumzukriegen und sich an einen geregelten Tagesablauf zu gewöhnen. Wer den Putzdienst übernimmt, in der Küche oder in der Tischlerei arbeitet, der erlebt das als eine Art Privilegierung.“ Siebenhüner hält eine noch deutlichere Steigerung der Entlohnung für wünschenswert, weil selbst verdientes Geld beim Neustart nach der Entlassung helfe.

Weidingers Vorschlag zufolge sollen Gefangene mit Arbeit auch ihre eigene Haftzeit verkürzen können. Wer eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe absitzt, also wegen nicht bezahlter Geldstrafen in Haft kam, soll künftig für jeden unentgeltlich absolvierten Arbeitstag einen Tag früher entlassen werden.

1,4 Millionen Euro kostet die Lohnerhöhung das Land

Für alle Gefangenen soll zudem eine weitere Neuerung kommen: Durch geleistete Arbeit oder eine Ausbildung sollen sie sich acht zusätzliche Freistellungstage verdienen können – dabei handelt es sich um arbeitsfreie Tage mit Lohnfortzahlung, die im Gefängnis absolviert werden. Bei „hierfür geeigneten Gefangenen“ sollen diese acht Tage auch zur Verkürzung der Haftzeit verwendet werden können.

„Mit den neuen Regelungen bieten wir Gefangenen weitere Möglichkeiten, ihren weiteren Lebensweg selbstbestimmt in die richtige Richtung zu lenken“, sagte Justizministerin Weidinger. Laut der von ihr verantworteten Kabinettsvorlage rechnet ihr Haus durch den höheren Gefangenenlohn mit jährlichen Mehrausgaben des Landes von rund 1,4 Millionen Euro.