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Ohne die Hightech-Metalle gäbe es keine Solaranlagen, Windräder oder Handys / China diktiert die Spielregeln Seltene Erden: Monopoly um das Öl der Zukunft

Von Dana Micke 03.03.2012, 04:19

Neodym, Dysprosium, Yttrium - Zungenbrechernamen, die nach Science-Fiction klingen und bis vor kurzem nur Experten geläufig waren. Die einen bringen Energiesparlampen zum Leuchten, die anderen sind hochmagnetisch. Inzwischen ist die Rohstoffgruppe der "Seltenen Erden" in aller Munde, weil China, das 97 Prozent davon fördert, den Export drosselt und so die Preise hochschnellen - mit Folgen für die Verbraucher: Die führenden Leuchtmittelhersteller Philips und Osram rechtfertigten eine kräftige Verteuerung ihrer Energiesparlampen mit dem Verweis auf Chinas Rohstoffpolitik.

Peking erwägt, die Ausfuhr einiger Seltener Erden 2015 zu stoppen. In Industrienationen schrillen die Alarmglocken. In einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags bezeichnet die Hälfte der befragten Firmen ihre Rohstoffversorgung als kritisch. Der Bundesverband der Deutschen Industrie gründete jetzt eine "Allianz zur Rohstoffsicherung". Ein privatwirtschaftliches und gewinnorientiertes Unternehmen, das sich für die Gesellschafter - darunter Bayer, BASF, BMW, Daimler und ThyssenKrupp - in aller Welt an Rohstoffexplorationsvorhaben beteiligt. Die Konzerne wollen ihre Marktmacht bündeln.

Fünf von sechs Explorationen scheitern. Das Risiko soll auf viele Schultern verteilt werden. Bis zu einer Milliarde Euro will die Allianz in Schürfrechte, Förderfirmen und Beteiligungen reinstecken. Vergleichsweise gering: China zum Beispiel beabsichtigt, etwa 50 Milliarden Dollar bis 2015 allein in Afrika in Rohstoffe, vor allem in Seltene Erden, zu investieren.

Die deutsche Wirtschaft braucht jeden Lieferanten. 2010 wurden Rohstoffe im Wert von 17,7 Milliarden Euro produziert, vor allem Braunkohle und Erdgas; zugleich aber mussten natürliche Ressourcen für mehr als 109 Milliarden Euro importiert werden, so die Deutsche Rohstoffagentur in einem aktuellen Bericht. Die Bundesregierung reagierte und gab mit der "Rohstoffstrategie" eine übergeordnete Marschroute vor: Rohstoffpartnerschaften mit ressourcenreichen Ländern. Den Anfang machten die Mongolei und Kasachstan, bestens ausgestattet mit Seltenen Erden. Rohstoffe gegen Knowhow, lautet der Deal.

Bei den Seltenen Erden handelt es sich um metallische chemische Elemente, ohne die sich kaum noch ein modernes Indus-trieprodukt herstellen lässt. Windturbinenbauer brauchen Neodym für die Generatorenfertigung. Autozulieferer nutzen Lanthan für die Herstellung von Katalysatoren. Die Optische Industrie setzt Ceroxid als Poliermittel ein. Kein iPod, kein Plasmabildschirm, kein Elektromotor, kein Windrad und kein modernes Waffensystem funktioniert ohne Seltene Erden.

In der Natur fein verteilt und selten stabil

"Sie sind überall drin", sagt Professor Frank Edelmann, Lehrstuhl für Anorganische Chemie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Der 57-Jährige und seine Mitarbeiter beschäftigen sich seit 20 Jahren mit der metallorganischen Chemie der Seltenen Erden. Dabei geht es vor allem um die Grundlagenforschung, die Erschließung neuer Verbindungsklassen und Molekülstrukturen.

Apropos Windturbinen. Die sind auf Hightech-Magnete angewiesen, viel stärker und langlebiger als konventionelle Magnete - trotzdem erheblich leichter. Frank Edelmann erklärt: "Ein Magnet besteht normalerweise aus Eisen. Doch mit der Zeit entlädt er sich und lässt in der Leistung nach. Kombiniert man aber das Eisen mit Neodym - in einer großen Windturbine können davon 260 Kilo enthalten sein - und Bor, entmagnetisiert sich der Magnet praktisch nicht mehr. So können besonders leistungsstarke und vor allem langlebige Magnete gebaut werden." Übrigens wird bereits heute nahezu jede zweite Windkraftanlage in China errichtet, so das Freiburger Öko-Institut.

Bittere Ironie: Nachhaltiges Wirtschaften, grüne Technologien erfordern Ressourcen wie die Seltenen Erden, die nur in endlichen Mengen vorhanden, beim Abbau zu Umweltbelastungen führen und auf der Welt ungleich verteilt sind. Nur Staaten, die sich den Zugang zu den wichtigen Rohstoffen sichern, können im 21. Jahrhundert boomen.

Die Seltenen Erden wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts erstmals entdeckt. Allerdings konnte man mit dem Fund nichts anfangen. Die Mineralien sind meist pulverförmig. In Wirklichkeit sind es 17 Metalle. Der Name "Seltene Erden" führt also in die Irre. Besonders selten sind sie nicht, nur in der Natur fein verteilt. Sogar das seltenste stabile Seltenerdmetall Thulium kommt 200-mal häufiger vor als Gold.

"Die Seltenen Erden lassen sich oft in der Erdkruste finden, allerdings nur selten in hohen Konzentrationen, oft auch versteckt in anderen Erzen. Die Metalle treten im Boden als Mineralien gemischt auf; sie lassen sich aufgrund ihrer ähnlichen Eigenschaften nur schwer trennen. Zudem enthalten die Lagerstätten oft Uran und Thorium, so dass bei der Aufbereitung radioaktive Rückstände anfallen. Entsprechende Sicherheitsstandards sind nötig, die aber machen den Abbau noch kostspieliger. Tatsächlich selten sind Vorkommen, wo sich der Abbau auch wirklich lohnt", erklärt Frank Edelmann.

2015 wird die Industrie weltweit voraussichtlich 185000 Tonnen Seltene Erden verbrauchen, 50 Prozent mehr als 2010. Wenn China seine üppigen Reserven sparsamer verkauft, dann muss sich die übrige Welt schleunigst um ihre eigenen Lagerstätten kümmern. Die gibt es durchaus.

38000 Tonnen schwerer Schatz unter einem Acker bei Leipzig

In China schlummern ein Drittel der Vorräte, in den USA 13 Prozent. In den GUS-Staaten, der Mongolei, Australien und Kanada gibt es auch beträchtliche Vorkommen. Bis vor 20 Jahren waren die USA in der Förderung Seltener Erden weltweit führend - vor allem dank des Bergwerks Mountain Pass in der kalifornischen Mojave-Wüste, das 2000 dicht gemacht wurde. Der US-Bergbaukonzern Molycorp wirft die Mine wieder an. 2013 könnte es soweit sein.

Als vor Jahren Mineralien und Metalle zu Niedrigpreisen gehandelt wurden, trennten sich viele Konzerne von ihren Bergbautöchtern. Das Geschäft war zu schmutzig, zu unlukrativ. China hat sein Millionenheer billiger Arbeitskräften genutzt, auf Kosten von Arbeitsschutz und Umweltstandards konkurrenzlos günstig den Abbau vorangetrieben. Mit dem Quasi-Monopol hat Peking ein machtvolles Instrument entdeckt. Ziel: Weltmarktführer im Hochtechnologiesektor werden.

"China benötigt immer mehr selbst für die eigene Volkswirtschaft diese Metalle. Da gibt es schon einen Wettbewerb um die Materialien." Die Preise hätten sich inzwischen teilweise verzehn-, verzwanzigfacht, so Matthias Buchert. Der Forscher vom Ökoinstitut Darmstadt untersuchte mit Wissenschaftlern der TU Clausthal, der Daimler AG und der Materialtechnologie-Gruppe Umicore die Bedeutung Seltener Erden für die Elektromobilität. Fazit: Vor allem Dysprosium ist knapp. Steigt die Nachfrage wie prognostiziert, wird 2030 nur ein Fünftel des Bedarfs gedeckt. Um dem gegenzusteuern, wird nach neuen Rohstofflagerstätten gesucht.

Das Gros der Projekte, so Experten, wird jedoch auf der Strecke bleiben. Denn bis zu einer Milliarde Euro muss investiert werden, um eine Mine zu erschließen. Dabei vergehen von der ersten Erkundung bis zur Produktion mehr als zehn Jahre.

Vielversprechende Projekte gibt es in Australien und den USA, die aber wurden bisher kaum ausgebeutet. Mitteleuropas einziges Explorationsprojekt für Seltene Erden befindet sich in Storkwitz bei Leipzig. Aufgespürt wurden sie schon in den Siebzigern von DDR-Bohrtrupps. Doch der Staat hatte nach Uran gesucht und am Überraschungsfund wenig Interesse.

Unter einem Acker lagern 38000 Tonnen mit einem Metallwert von mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar. Kein Riesenprojekt, mehr eine Notfallversorgung. Die Heidelberger Deutsche Rohstoff AG, die sich 2007 die Erkundungsrechte an dem Vorkommen sicherte, hat im Januar die Firma "Seltenerden Storkwitz" gegründet, mit 2,2 Millionen Euro Grundkapital.

Nun will sie nach jahrelanger Vorarbeit Ernst mit der Ausbeutung machen. Ende März beginnen Probebohrungen in 700 Meter Tiefe. Mit den Ergebnissen will die Firma dann weiteres Geld von Investoren einsammeln. Denn nur wenn Storkwitz nach einem international anerkannten Rohstoffstandard bewertet ist, öffnen Risikokapitalgeber die Brieftasche.