Magdeburger Preis Römischer Charme für Europa
Der Magdeburger Kaiser-Otto-Preis geht in diesem Jahr an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Verliehen wird er am 17. Oktober.
Magdeburg l Anfang August 2017, Teheran, iranisches Parlament. Federica Mogherini betritt als Gast der Vereidigung des wiedergewählten iranischen Präsidenten Hassan Ruhani den Saal. Mit einem wohldrapierten Schal über Kopf und Hals hat sie sich den Gepflogenheiten des Landes angepasst. Die Parlamentarier schießen reihenweise Selfies. Dafür werden sie in den Medien beschimpft, die darin einen Kniefall vor dem Feind sehen.
Selten sind die Auftritte von Mogherini so spektakulär. Ihr Alltag als EU-Chefdiplomatin spielt sich in der Regel kopftuchfrei in klimatisierten Konferenzsälen rund um den Globus ab. Dazwischen liegen Stunden im Flugzeug. Seit drei Jahren geht das so. Schaltstation für die „EU-Außenministerin“ ist Brüssel. Beratungen, Gespräche, offizielle Auftritte wechseln einander ab.
Sven Schulze, CDU-Europaabgeordneter aus Sachsen, hat sie diverse Male persönlich erlebt. „Sie ist mir und meinen Kollegen als äußerst fleißig bekannt,“ sagt er der Volksstimme.
„Was von uns sehr positiv wahrgenommen wird, ist ihr Engagement gegenüber dem Parlament. Sie kommt regelmäßig zu Sitzungen, zeigt Präsenz und geht aktiv auf das Parlament zu und sucht den Austausch mit den direkten Volksvertretern“, so Schulze. Zudem vertrete sie weltweit positiv die Belange der EU-Außenpolitik. Schulze: „Es ist sehr zu unserem Vorteil, dass Frau Mogherini als Stimme der Europäischen Union wahrgenommen wird.“ Er merkt aber auch an, „dass derzeit kein Kernthema mit ihrem Namen direkt verbunden ist“.
Es brauchte eine Weile, ehe es Mogherini gelang, den Platz im Rampenlicht inhaltlich auszufüllen. Sie sei zu unerfahren, lautete das Medien-Urteil. Sie hat sich durchgebissen und gehört heute zu den anerkanntesten EU-Repräsentanten.
Die gebürtige Römerin selbst ist beglückt über die Ehrung mit dem Magdeburger Kaiser-Otto-Preis: „Ich bin wirklich voller Ehrfurcht, einen Preis zu erhalten, der sich immer auf die europäische Integration konzentriert hat“, erklärt sie auf Volksstimme-Anfrage. „Seit Beginn meines Mandats habe ich versucht, das enorme Potenzial der Europäischen Union immer wieder zu betonen.“
Das bestätigt Arne Lietz, SPD-Kollege von Schulze im EU-Parlament: „Federica Mogherini hat der Europäischen Union ein Gesicht auf der internationalen Bühne gegeben.“ Sie habe die Rolle der EU-Außenbeauftragten „durch Fleiß, Beharrlichkeit und Kompetenz aufgewertet“. Er wird auch konkret, was Mogherinis erfolgreiches Wirken betrifft: „Hervorzuheben ist vor allem der erfolgreiche Abschluss der jahrelangen internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, an dem Frau Mogherini einen bedeutenden Anteil hatte.“
Weiter erklärt Lietz: „Zudem hat sie 2016 in Rekordzeit eine globale Strategie für die EU entwickelt, die mittlerweile von den EU-Mitgliedstaaten als Richtschnur für die europäische Außenpolitik anerkannt wurde.“
In der Begründung des Preiskomitees heißt es zudem, Mogherini habe sich für den Einsatz der Marine im Mittelmeer für die Rettung von Flüchtlingen und die Unterbindung der Schleusertätigkeit eingesetzt“. All das wird CDU-Politikerin Ursula von der Leyen in der Laudatio würdigen.
Dass sie sich einmal als Vizepräsidentin der Europäischen Union um Weltkrisen würde kümmern müssen, war Federica Mogherini 1973 sicher nicht in die römische Wiege gelegt. Wohl aber das politische Interesse: Schon als Schülerin engagierte sie sich gegen Fremdenfeindlichkeit. Die Tochter eines Regisseurs betätigte sich im kommunistischen Jugendverband, der sich zwei Jahre später sozialdemokratisch ausrichtete. Politisch über die italienischen Grenzen hinaus blickte sie erstmals ab 1999 als Vizechefin des Europäischen Zusammenschlusses Junger Sozialisten.
Für die Demokratische Partei, Nachfolgerin der Linksdemokraten, zog Federica Mogherini 2008 in die italienische Abgeordnetenkammer ein und wurde 2013 wiedergewählt. Im Februar 2014 dann der entscheidende Karrieresprung: Ministerpräsident Matteo Renzi ernannte Mogherini zur bis dato jüngsten Außenministerin Italiens. Sie blieb es nur kurze Zeit: Zum 1. November 2014 wurde sie in ihr hohes EU-Amt in Brüssel berufen.
Gestern zur Mittagsstunde ist der Name Mogherini einmal mehr in aller Munde. Die Italienerin lobt die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Anti-Atomwaffen-Kampagne. „Die Europäische Union teilt das Engagement, eine Welt frei von Atomwaffen zu erreichen“, erklärt Mogherini in Brüssel. Sie spricht auch die Erfüllung des Atomvertrags mit dem Iran an. Für ihren Anteil daran war Mogherini selbst Anwärterin für den Nobelpreis gewesen. Vielleicht nicht zum letzten Mal.