Archivleiterin Besonders aktenkundig
Das Landesarchiv Sachsen-Anhalt mit Sitz in Magdeburg hat Ulrike Höroldt 15 Jahre lang geleitet. Nun wechselt sie nach Berlin.
Magdeburg l Wenn Ulrike Höroldt über ihre Arbeit als Leiterin des Landesarchivs Sachsen-Anhalt spricht, sagt sie: WIR. „Wir besprechen die Dinge und treiben sie voran. Was sich geändert hat, haben wir gemeinsam entwickelt.“ Und sicher hat sie Recht: Eine Leiterin, die ein Landesarchiv mit mehreren Standorten (Magdeburg, Wernigerode, Merseburg, Dessau) neu strukturiert, an einem Standort (Magdeburg) neu baut, neu einrichtet und das gesamte Archiv in die so genannte digitale Zukunft führt, kann das nicht allein. Und könnte doch als Chefin ICH sagen.
Aber das ist nicht die Art von Ulrike Höroldt (Jahrgang 1961), promovierte Historikerin, Honorarprofessorin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ebenso bescheiden wie selbstbewusst wirkende Leiterin des Landesarchivs. Vielmehr lobt sie gern ihre Mitarbeiter und betont: „Ich bemühe mich um einen kollegialen Führungsstil.“ Den habe sie sich schon als wissenschaftliche Hilfskraft bei einem ihrer früheren Chefs abgeguckt. Beim Gang durch die Archivflure grüßt sie nicht nur jeden Mitarbeiter, sie begrüßt jeden mit Namen.
Mit alledem ist für Höroldt in Magdeburg bald Schluss. Die Landesbeamtin wird ab Juli Leiterin des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin.
Als Karriereschritt sieht sie die neue Aufgabe nicht unbedingt. Eher als „Veränderung“, die in einem Beruf halt nötig sei. Schließlich habe sie jetzt 15 Jahre in Magdeburg an der Spitze eines großen Archivs gearbeitet. Das werde sich bei der Arbeit in Berlin nicht grundlegend ändern. Allein die Forschung wird eine größere Rolle spielen. Denn: „Das Geheime Preußische Staatsarchiv ist das historische Archiv eines Landes, das nicht mehr existiert. Da gibt es andere Aufgaben als bei unserem aktiven Archiv mit ständigen Akten-Neuübernahmen aus der Verwaltung“, sagt Höroldt. Allerdings habe sie sehr gern den Neubau des Landesarchivs an der Magdeburger Brückstraße mit geplant und begleitet.
Geht man mit ihr in den schwarzen Neubauwürfel, beginnt ihr großes Schwärmen von Wandstärken, Luftaustauschern, Hochwassersicherheit, technischen Finessen beim Brandschutz und der Möglichkeit, das Gebäude unkompliziert durch ein neues Gebäudemodul für weitere Akten zu ergänzen. „Das Bauen macht mir ebensoviel Spaß wie die Arbeit mit den Archivalien“, sagt Höroldt und zieht stolz aus einem Regal einen Karton mit einer 1000-jährigen von Kaiser Otto I. ausgestellten Urkunde heraus.
Es ist eine von vielen, denn das Landesarchiv besitzt die meisten ottonischen Urkunden nördlich der Alpen und auch den größten Bestand an Lutherhandschriften. Eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger gibt es noch nicht. Die Stelle wird demnächst ausgeschrieben.
Wer auch immer kommt: Ulrike Höroldt hinterlässt ein aufgeräumtes, modernes Haus mit einem hervorragenden Ruf, der sich auch darin manifestiert, dass sich kürzlich 160 Interessenten aus ganz Deutschland und Europa auf zwei Landesarchiv-Referendarstellen bewarben.
Mit Archivaren verbindet sich die Vorstellung von zurückgezogener Arbeit zwischen vielen alten Akten. Historikerin Ulrike Höroldt kann eine solche Vorstellung nur teilweise bestätigen: „Man muss sowohl Freude an einer strukturierten als auch an einer kreativen Arbeit haben“, sagt sie und ergänzt, dass ein Großteil der Archivarbeit von persönlichen Kontakten mit den Nutzern geprägt ist.
Ganz aktuell gebe es viele Anfragen von ehemaligen DDR-Heimkindern, denen die Akteneinträge helfen können, ihr Schicksal aufzuarbeiten. Natürlich wenden sich Wissenschaftler und auch Familienforscher an das Archiv.
Außerdem hat Ulrike Höroldt mit vielen Mitgliedern von Adelsfamilien zusammengearbeitet. Die Familien waren nach 1945 enteignet worden. Nach 1989 bekamen sie ihre beweglichen Kulturgüter – darunter ihre Archive – zurück. Und vertrauten sie oft dem Landesarchiv weiterhin zur Aufbewahrung und Erforschung an. Dieses Vertrauen mache sie sehr stolz, sagt die Archivarin.
Das Einzige, was ihr nicht gelungen ist, ist, den Personalabbau in ihrer Behörde zu stoppen. Als sie vor 15 Jahren begann, hatte das Archiv 80 Mitarbeiter. Heute sind es noch 69. Immerhin kann es neuerdings wieder Ausbildungsplätze anbieten.
Vermissen werde sie vor allem ihre Kollegen und Mitarbeiter, wenn sie im Sommer nach Berlin wechsele, sagt Ulrike Höroldt. Und die tägliche Fahrradtour zur Arbeit durch den Magdeburger Rotehornpark.