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Germanist und Schriftsteller Der Literatur-Betrachter: Peter von Matt mit 87 gestorben

Der Schweizer war überzeugter Europäer. Und er war einer, der seinen Schweizer Landsleuten auch ins Gewissen reden konnte. Höchst erfolgreich waren seine amüsanten Literaturbetrachtungen.

Von Christiane Oelrich, dpa Aktualisiert: 22.04.2025, 11:57
Der Schweizer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Peter von Matt ist im Alter von 87 Jahren gestorben.
Der Schweizer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Peter von Matt ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Urs Flueeler/Keystone/EPA/dpa

Zürich - Der Schweizer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Peter von Matt ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Wie seine Familie der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, starb der Intellektuelle und gefragte Festredner am Montag nach langer Krankheit in Zürich. Zuvor hatte der Schweizer Sender SRF berichtet. Peter von Matt, ein begnadeter Vorleser und bedeutender Publizist, lehrte rund 25 Jahre lang Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich.

Der Schriftsteller war unter anderem Mitglied des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Für seine Bücher und Aufsätze bekam er mehr als ein Dutzend Preise. 

„Niemand konnte Literatur so gut erklären, vermeintlich tote oder zu Tode interpretierte Texte zu neuem Leben erwecken, ihnen ihr Geheimnis entreissen, ohne sie dabei zu zerstören“, würdigte ihn der Schweizer „Tages-Anzeiger“. 

Lieblingsgestalten waren Bösewichte und Unglücksraben

Der Germanist reihte immer wieder Perlen der Weltliteratur an ungewöhnlichen Fäden auf. „Allein an den Buchtiteln konnte man leicht erkennen, dass er sich lieber mit Bösewichten und Unglücksraben als mit Schöngeistern und Glückskindern herumschlug“, schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“.

So führte der in Luzern geborene Literaturkenner unterhaltsam in seinem Buch „Liebesverrat: Die Treulosen in der Literatur“ (1989) durch Liebesdramen in der Weltliteratur. Mit familiären Irrungen befasste er sich in „Verkommene Söhne, missratene Töchter. Familiendesaster in der Literatur“ (1995) und mit abgründigen Figuren in seinem besonders bedeutenden Buch „Die Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist“ (2006). 

2017 schrieb er über das Küssen. Ein „Allerweltsgeschäft“, wie er es formulierte. Von Matt beleuchtete entscheidende Küsse in Werken von Virginia Woolf über Franz Grillparzer bis Anton Tschechow. In „Sieben Küsse: Glück und Unglück in der Literatur“ schrieb er von unerhörten Klängen und poetischer Wucht, von lautlosem Dröhnen und Prosawundern. Das Schreiben sei eine Quälerei gewesen, sagte von Matt der dpa vor seinem 80. Geburtstag. „Der Schreibtisch ist eine Folterbank.“

Neben der Literaturbetrachtung beschäftigte sich von Matt ausgiebig mit der europäischen Identität und lotete auch die Schweizer Seele aus - wie in der Essaysammlung „Das Kalb vor der Gotthardpost“ (2012). Zuletzt veröffentlichte er eine Studie unter dem vielsagenden Titel: „Übeltäter, trockne Schleicher, Lichtgestalten“.

Kritik am „moralischen Rausch“ in der Politik 

Den Polit-Betrieb verfolgte er mit hellsichtiger Distanz. „Wehe dem, der heute den Wahrheitsgehalt der spontanen Empfindung anzweifelt. Er wird von den Rechten wie von den Linken tief in die Waden gebissen. Denn beiden geht nichts über den moralischen Rausch: aus dem Nabel heraus spüren, dass man recht hat, und deshalb hassen dürfen wie die Säufer saufen“, zitiert der Sender SRF eine Kritik des Germanisten.