Anke Sevenich spielt Hilde Benjamin / Neue Folgen der "Geschichte Mitteldeutschlands" Die "blutige Hilde" aus Bernburg
Die Nazis hatten sie mit Berufsverbot belegt, bedrohten ihr Kind und ermordeten ihren Mann. In der Nachkriegszeit wurde Hilde Benjamin Richterin im Dienste der Diktatur. Der MDR zeigt, wie aus der Verfolgten die gnadenlose Verfolgerin wurde.
Magdeburg l Bernburg im Dezember 1950. Hilde Benjamin kehrt nach vielen Jahren in ihre Geburtsstadt zurück. In Bernburg hatte sie im Februar 1902 das Licht der Welt erblickt. Jetzt - fast ein halbes Jahrhundert später - hat sie den Vorsitz im ersten großen Schauprozess der DDR.
Im Bernburger Kurhaus findet sich handverlesenes Publikum ein. Zehn Bernburger sitzen auf der Anklagebank, alle Mitarbeiter des Solvay-Werkes, Kollegen ihres verstorbenen Vaters. Spionage und Sabotage wird ihnen vorgeworfen. Es gibt keine Milde, sagt die Benjamin kühl und distanziert. Gespielt wird sie von Anke Sevenich.
Hilde Benjamin hat mehr als 550 Jahre Zuchthaus ausgesprochen, zwei Menschen wurden nach ihren Urteilen hingerichtet. Linientreu und gnadenlos, hart und unnachgiebig agierte die Richterin und spätere Justizministerin der DDR. Ihre Beinamen: "Blutige Hilde" und "Rote Guillotine".
Warum aber wurde Hilde Benjamin zur Scharfrichterin der DDR? Warum stieg sie zur Frontfrau des SED-Unrechtssystems auf, obwohl sie einst selbst eine Opferrolle erfahren musste? Woher kam ihr abgrundtiefer Hass gegen Menschen, die der DDR kritisch gegenüberstehen?
Juristen, Historiker und Zeitzeugen kommen zu Wort
Die MDR-Dokumentation führt zurück in die Nazi-Zeit, zeigt Hilde Benjamin als glühende Kommunistin und ehrgeizige junge Anwältin, die sich gegen die Nationalsozialisten stark macht, sich für Entrechtete einsetzt. Dafür wird sie von der NSDAP anfangs beschimpft, später bedroht und mit Berufsverbot belegt. Sie lebt dauerhaft in Angst. Verfolgt und verhaftet wird ihr Mann, der Arzt und ebenfalls glühende Kommunist Georg Benjamin (gespielt von Andreas Stadler).
Sie begegnet ihm noch einige Male in seiner Gefangenschaft. 1942 stirbt er im KZ Mauthausen. Ein Trauma für die junge Frau, die nun mit dem Alltag und dem gemeinsamen Sohn alleine klarkommen muss. Aber vor allem eines löst der Tod ihres Mannes aus: Hilde Benjamin will mit aller Macht sein Vermächtnis erfüllen. In ihrem Leben steht die Partei an erster Stelle.
Juristen, Autoren und Historiker kommen zu Wort, ebenso Zeitzeugen wie Elisabeth Graul, einst Musikstudentin, die sich einer Widerstandsgruppe angeschlossen hatte und 1951 vom Staatssicherheitsdienst verhaftet wurde. Den Vorsitz in ihrem Prozess hatte Hilde Benjamin. 15 Jahre Zuchthaus für Graul. Sie ist 23 Jahre alt. Der Prozess eine Farce - so wird die Schriftstellerin Jahre später ihr Buch titeln. Sie schreibt sich ihre Zuchthaus-Erlebnisse von der Seele. Traumatisiert bleibt sie - bis zu ihrem Tod 2010.
Mit der Filmdokumentation über die Scharfrichterin der DDR, in der Autor und Regisseur André Meier immer wieder auch auf Originalfilmmaterial zurückgreift, beginnt am Sonntag die 15. Staffel der "Geschichte Mitteldeutschlands". Bis zum 1. September strahlt der MDR jeweils sonntags um 20.15 Uhr eine der insgesamt fünf neuen Folgen aus.
Weitere Sendetermine: 11. August "Roland Freisler - Hitlers williger Vollstrecker", 18. August "Mathilde von Quedlinburg - Vom Mädchen zur Machtfrau", 25. August "Markus Wolf - Mielkes bester Mann" und 1. September "Sachsen am Abgrund - Friedrich August I. und Napoleon". Erneut führt Schauspieler Gunter Schoß durch die neuen Folgen.