Feininger-Galerie Ausstellung zu Stefan Wewerka in Quedlinburg
Bei Stefan Wewerka kippen Türme von Kathedralen. Wie er zerschnitt und neu arrangierte, ist in der Feininger-Galerie Quedlinburg zu sehen.
Magdeburg l Als im November 2013 im Magdeburger Forum Gestaltung eine erste umfassende Werkschau zu Stefan Wewerka öffnete, bekam der 1928 in Magdeburg geborene Künstler „endlich die Aufmerksamkeit dieser Stadt, die so lange auf sich warten ließ“, hieß es damals in der Einladung zur Vernissage. Wewerka selbst hatte diese Ehrung nicht mehr erlebt. Er war wenige Wochen zuvor gestorben. Doch die Ausstellung hatte die Augen geöffnet für einen Architekten, Grafiker, Designer, Maler, der auch Möbel und Stühle entworfen hat und Filme drehte und bei dem man sich bei all dieser Vielseitigkeit keineswegs scheuen muss, ihn kurzum als Multitalent zu bezeichnen. Mittlerweile ist in der einstigen Magdeburger Kunstgewerbeschule in der Brandenburger Straße der Landeshauptstadt auf Initiative der Familie, des dort ansässigen Vereins Forum Gestaltung und der Landeshauptstadt das Wewerka-Archiv angesiedelt. Nun gibt es als Zusammenarbeit des Archivs mit der Quedlinburger Lyonel-Feininger-Galerie eine neue Schau.
Klein, aber fein ist die Ausstellung im Seitenflügel, die mit „Verschiebung der Kathedrale“ überschrieben ist. Und sie passt bestens in das Museum der grafischen Künste. Nicht nur, weil es hauptsächlich Radierungen von Wewerka sind, die im Quedlinburger Grafik-Haus der Öffentlichkeit präsentiert werden, sondern auch des Bildinhalts Kathedrale wegen. Lyonel Feininger hatte einst einen Holzschnitt mit Kathedrale und Dreigestirn erschaffen, der das Titelblatt des Gründungsmanifestes des Bauhauses im Jahr 1919 zierte. Seine Bilder mit Kirchen sind in der Kunstwelt bestens bekannt.
Dass es Kathedralen auch Wewerka angetan haben, wird in der Ausstellung deutlich. Mit dem Magdeburger Dom ist er groß geworden. Sein Vater, der Bildhauer Rudolf Wewerka, habe ihm das gotische Gotteshaus in der heutigen Landeshauptstadt künstlerisch nahegebracht, schreibt Kurator Norbert Eisold in der zur Ausstellung erschienenen Publikation (in der sehr passend auch die Texte verschoben sind). Später bei der Arbeit in Köln widmet sich Stefan Wewerka sogleich dem dortigen bedeutenden Gotteshaus und baut es um. Er zerteilt es, setzt es neu zusammen, neigt und dreht für Fenster, Portale, Rosetten, Türme, ohne, wie Eisold in seinem Katalog-Text Wewerka zitiert, zerstören zu wollen. Es sei dem Künstler um das Verwandeln, Trennen und Verfremden gegangen. Es ging ihm um eine neue, andere Wahrnehmung. Und so hat der Architekt auf Papier immer wieder neue Konstruktionen geschaffen – der Dom zu Laon, der Münster zu Ulm, der Dom zu Speyer. In der ausgestellten grafischen Folge zerlegt Wewerka die Architektur in vertikale Streifen, kippt Türme mal nach links, mal nach rechts. Und er vermehrt Türme wie bei der Klosterkirche zu Jerichow. Aus der Sammlung Gerd Krämer sind als Leihgabe Wewerkas nett getitelte „Kölner Döme“ ausgestellt, die an Pop-Art erinnern mit dem Schwarz, Grün und dem knalligen Gelb. Wie Zipfelmützen lässt der Künstler sechs Spitzen in den Himmel ragen.
Nicht fehlen darf in einer Wewerka-Schau einer seiner Stühle – schließlich sind die Stuhlskulpturen des Architekten und Designers ein Markenzeichen. Auch hier entstanden Anfang der 1960er Jahre die ersten dieser Art aus alten Küchenstühlen, später dann aus Schaumstoff, wie jener in der Ausstellung, der am Boden liegt und wie kaputt aussieht, weil er sich nicht halten kann auf seinen schwammigen vier Beinen. Auch ein Fünf-Mark-Stück ist zu sehen, zersägt wie so vieles von ihm und wieder zusammengefügt mit einem Scharnier in der Mitte – Wewerka eben.
Zu sehen bis 29. Januar in der Feininger-Galerie Quedlinburg, Öffnungszeiten in den Wintermonaten: Mittwoch bis Montag und feiertags 10 bis 17 Uhr, dienstags sowie am 24., 31. Dezember und 1. Januar geschlossen.