The Boy: Grusel mit einer Horror-Puppe
Unheimliche Puppen haben eine gewisse Tradition in Horrorfilmen. In The Boy tritt nun eine neue auf: der kleine Brahms. Die Ausgangssituation in dem Film mit Walking Dead-Star Lauren Cohan ist reichlich bizarr.
Köln (dpa) - Diese Greta (Lauren Cohan) muss eine wahnsinnige Selbstbeherrschung haben. Als Nanny eingestellt, tritt die Amerikanerin ihren Dienst beim Ehepaar Heelshire in einem erhabenen britischen Herrenhaus an. Sie soll sich um den Sohn der Heelshires, den kleinen Brahms kümmern - denkt Greta.
Der Kleine wird von den beiden Herrschaften betüdelt, umsorgt und behandelt wie ein kleiner Prinz. Und ist dann doch nur eine... Puppe.
Was bei jedem normalen Mensch zu einem prustenden Lachanfall und zur sofortigen Kündigung geführt hätte, irritiert Greta zwar sichtlich, wird von ihr am Ende aber doch irgendwie hingenommen. Vielleicht denkt sie an das vermeintlich leicht verdiente Nanny-Geld. Oder sie weiß einfach, wie viel Eigenleben Puppen entwickeln können. Vor allem in Horrorfilmen.
Der bei Grusel-Fans bekannte Regisseur William Brent Bell belebt mit The Boy ein etwas in Vergessenheit geratenes Horrorgenre neu: den Puppenfilm. Während die legendäre Mörderpuppe Chucky aus der gleichnamigen Filmreihe allerdings ziemlich rabaukig und offensichtlich vom Bösen besessen war, ist Brahms ein Püppchen der leiseren Sorte. Meist hängt er schlaff hinab, wenn ihn Nanny Greta zu Bett trägt, ihn in feinen Zwirn kleidet oder ihm klassische Musik vorspielt - die hat er nämlich so gern. Das Geheimnis, was mit dem porzellangesichtigen Ding nicht stimmt, bleibt lange offen. Am Ende setzen die Macher alles darauf, dass ihnen die Zuschauer die große Auflösung auch abkaufen.
Ansonsten ist The Boy ein Horrorfilm mit vielen klassischen Zutaten. Etwa wenn die verängstigte Nanny zur Nachtstunde mit einer Kerze durch das alte Heelshire-Gemäuer schleicht, und man ihr zurufen möchte, doch einfach das Licht anzuknipsen. Auch die Besetzung von Greta mit Lauren Cohan folgt dem Genre-Muster, demzufolge vornehmlich junge, attraktive Frauen die besten Grusel-Opfer sind.
Für Cohan bedeutet The Boy dabei einen Schritt auf die große Leinwand. International hat sie sich vor allem mit der Zombie-TV-Serie The Walking Dead einen Namen gemacht. Die Schauspielerin muss im Film viel schultern, nicht nur weil ihr Anspielpartner meist eine ziemlich leblose Puppe ist. Nach allerhand seltsamen Erscheinungen glaubt Nanny Greta irgendwann selbst, dass Brahms mehr als nur Porzellan mit feingescheiteltes Kunsthaar sein könnte. Von der nichts ahnenden Amerikanerin zur puppenverstehenden Chefin im englischen Herrenhaus ist es auch schauspielerisch ein weiter Weg.
Die dichte Atmosphäre in dem alten Gemäuer mit seinen präparierten Tierköpfen an der Wand und den schweren Türen ist dafür bestens eingefangen. The Boy ist gutes Horror-Handwerk, das wohl vor allem Fans des Genres gefallen wird. Wer kindsgroßen Puppen, Spielzeugclowns oder Harlekinen schon immer mit leichtem Grusel begegnet ist, sollte die Finger davon lassen.
(The Boy, USA 2015, 98 Min., FSK ab 12, von William Brent Bell, mit Lauren Cohan, Rupert Evans, Jim Norton)