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Autotest Revuelto: Lamborghinis neuer Leitstier lockt mit 1000 PS

Elektrische Hypercars wie der Rimac Nevera sind scharf wie ein Skalpell, aber genauso kalt und gefühllos. Lamborghini will mit dem Revuelto beides bieten: Hightech und Emotionen. Kann das gelingen?

Von Thomas Geiger, dpa 03.12.2024, 00:05
Schöne Sause? Ob der Lamborghini Revuelto Ihnen gefällt, ist Geschmackssache - die Fahrleistungen zumindest sind über jeden Zweifel erhaben.
Schöne Sause? Ob der Lamborghini Revuelto Ihnen gefällt, ist Geschmackssache - die Fahrleistungen zumindest sind über jeden Zweifel erhaben. Wolfango Spaccarelli/Lamborghini/dpa-tmn

Berlin - Erst öffnen sich die Türen wie der Vorhang zu einem Konzert, dann illuminiert sich das Cockpit, als würde gleich die Show beginnen, und danach befördert einen ein winziger Handgriff vom Sportfahrer zum Jetpiloten.

Denn als würde man im Starfighter sitzen und eine Rakete abfeuern, muss man erst ein rotes Kläppchen öffnen und darunter einen schwarzen Knopf drücken, um den neuen Lamborghini Revuelto zu starten.

Und noch ehe man den ersten Meter gefahren ist, bekommt man Gänsehaut und all die Entbehrungen sind vergessen, die es vermutlich selbst für Bestbetuchte braucht, um jene halbe Million Euro zusammenzukratzen, die der geneigte Lamborghini-Händler als Grundpreis für das neue Flaggschiff der Audi-Tochter aufruft.

Mit vier Motoren an die Spitze

Er hat im letzten Herbst den Aventador abgelöst und muss jetzt beweisen, dass er zurecht an der Spitze der Palette steht. Das tut er mit einem Antriebspaket, mit dem Lamborghini das Beste aus der alten Verbrenner- und der neuen Elektro-Welt kombinieren will: Wie immer im Lamborghini-Topmodell gibt es deshalb einen längs montierten V12-Motor.

Der zaubert aus seinen 6,5 Litern Hubraum nun schon alleine 607 kW/825 PS. Und dazu kommen vorn zwei und hinten eine E-Maschine von jeweils maximal 110 kW, sodass am Ende erstmals ein vierstelliger PS-Wert im Fahrzeugschein steht: 746 kW/1015 PS machen den Revuelto zum bis dato stärksten Stier aus Sant’Agata Bolognese.

Pulsrasen für Petrolheads 

Und auch wenn jede E-Maschine zusätzliches Gewicht bringt, der im Mitteltunnel integrierte Akku trotz seiner mickrigen 3,8 kWh noch einmal ein paar Pfund auf die Waage wuchtet und es obendrein noch ein – ebenfalls neu für den V12 aus Sant’Agata – Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe von knapp 200 Kilo gibt: Kein anderer Sportwagen im Zeichen des Stiers hat so ein imposantes Leistungsgewicht.

Weil der Antrieb Power hat ohne Ende und weil das neu konstruierte Carbonchassis mit den Pfunden geizt wie nie zuvor, kommen am Ende auf jedes PS nur 1,75 Kilo und die Fahrleistungen rauben den Petrolheads die Sinne: Wenn sich die 725 Nm des V12 mit den jeweils 350 Nm der E-Maschinen zusammentun, kennt der Lamborghini kein Halten mehr: 

Von 0 auf Tempo 100 geht es in 2,5 Sekunden. Für 200 km/h braucht es weniger als sieben Sekunden und der Vortrieb endet erst nach mehr als 350 km/h – da ist Pulsrasen garantiert.

Elektrische Entschleunigung 

Aber die Raserei alleine ist es nicht, die den Revuelto ausmacht. Sondern er bietet auch elektrische Entschleunigung. Zumindest ein paar Kilometer weit kann der Donnerkeil flüsterleise fahren, bevor der mit maximal 7 kW zu bestromende Akku für eine halbe Stunde ans Netz muss. Alternativ übernimmt der V12 das Laden, dreht dafür etwas höher und zwackt ein bisschen von seiner Leistung für den Generator ab - er hat ja genug davon.

Und zumindest auf dem Prüfstand sinkt der kombinierte Verbrauch mit E-Unterstützung auf rund 11,9 Liter - ist der Akku leer, werden 17,8 Liter genannt. 

Dem Horizont entgegenschleudern

Vor allem aber ermöglichen die Elektromotoren ein euphorisches Fahrverhalten. Sie schleudern den Supersportwagen nicht nur mit explosiver Kraft dem Horizont entgegen. Sondern mit ihrer ausgeklügelten, rasend schnellen Kraftverteilung erhöhen sie Traktion und Stabilität und treiben den Stier mit einer Gier um die Kurven, dass einem Angst und Bange wird.

Gas, Bremse, Gas, Bremse - mit flinken Füßen wie ein Fußballer beim Dribbling dirigiert man den Revuelto durch die Serpentinen auf den Gipfel der Fahrfreude. Der Renner wirkt dabei auch Dank seiner Hinterachslenkung viel handlicher, als man es einer Flunder dieses Formats zugetraut hätte. Er ist leichtfüßig und trotz seiner brachialen Kraft gut beherrschbar. 

Und kaum steigt man wieder aufs Gas, schaltet die Welt auf schnellen Vorlauf und verwischt vor den Fenstern in Schlieren. Gut, dass der Beifahrer jetzt im digitalen Cockpit sein eigenes Display hat und dem Fahrer Ansagen machen kann. Denn der konzentriert bei diesem Höllenritt auf Messers Schneide seine Sinne besser auf die Straße. 

Emotional wie eh und je

Die E-Motoren mögen die Richtung bestimmen und die Rasanz erhöhen. Was sie dagegen nicht tun, ist den V12 zu bevormunden oder gar zu besänftigen. Im Gegenteil dreht der Motor jetzt bis über 9000 Touren, brüllt er dabei noch lauter und leidenschaftlicher denn je. Bei jedem Gasstoß läuft einem deshalb ein Schauer über den Rücken und auf dem Trommelfell bildet sich Gänsehaut.

Ein Blickfang auf dem Boulevard der eiligen Eitelkeiten

Dieses Spektakel ist zugleich einen Schrei nach Aufmerksamkeit – und alle Passanten wenden sich wahlweise peinlich berührt ab vom Revuelto oder starren ihm begeistert hinterher. Nur gleichgültig kann man dem Wagen nicht begegnen. Denn während er die Landstraße zur Lustmeile macht und die linke Spur zur Start- und Zielgerade, fängt er auf den Boulevards der eiligen Eitelkeiten alle Blicke.

So wie der Antrieb den Spagat zwischen traditionellen Werten und neuer Technik steht, so schlagen auch die Designer dabei eine Brücke über mehrere Generationen. Denn selbst wenn jedes Blech- oder besser Carbonteil neu gezeichnet ist und man mehr denn je den Einfluss von Luft- und Raumfahrt erkennt, sticht je nach Perspektive immer auch ein bisschen Countach oder Murciélago mit heraus. Und natürlich haben sie den V12 als Schmuckstück im Heck offen und exponiert inszeniert.

Fazit: Ein Traum für Reiche

Ja, er hat drei Elektromotoren und lädt an der Steckdose. Aber auch der Revuelto sieht wieder aus wie ein Kampfjet und befördert den Fahrer zum Piloten. Und vor allem hat er noch immer einen V12, der phänomenal faucht und schreit und dreht.

Das macht den Donnerkeil zu einem der spektakulärsten Sportwagen, die man aktuell für - extrem viel - Geld kaufen kann. Oder besser könnte. Denn kaum präsentiert, war die Produktion über Jahre ausverkauft.

Datenblatt: Lamborghini Revuelto
 

Motor und Antrieb:
V12-Benziner mit drei E-Motoren
Hubraum:
6.499 ccm
Max. Leistung:
746 kW/1.015 PS 
Max. Drehmoment:
725 Nm (V12)
Antrieb:
Allradantrieb 
Getriebe:
Achtgang-Doppelkupplung

 

Maße und Gewichte
 
Länge:
4.947 mm
Breite (ohne Spiegel):
2.033 mm
Höhe:
1.160 mm
Radstand:
2.779 mm
Leergewicht:
1.772 kg (trocken)
Zuladung:
k.A.
Kofferraumvolumen:
k.A.

 

Fahrdaten:
 
Höchstgeschwindigkeit:
> 350 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h:
2,5 s
Durchschnittsverbrauch | (bei entladender Batterie):
11,9 Liter/100 km  | 17,8 Liter/100 km 
CO2-Emission  | (bei entladender Batterie):
276 g/km | k.A.
Kraftstoff:
Super
Schadstoffklasse:
Eu6
Energieeffizienzklasse:
k.A.

 

Kosten:
 
Basispreis des Lamborhini Revuelto: 
502.180 Euro
Typklassen:
k.A.
Kfz-Steuer:
k.A.

 

Wichtige Serienausstattung:
 
Sicherheit:
Sechs Airbags, Abstandsregelung, Spurführungshilfe, Müdigkeitswarner
Komfort:
Volllederausstattung, Klimaautomatik, Beifahrer-Display