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Steile Schneepiste Schwitzen auf der Streif: Das Vertical Up in Kitzbühel

In Kitzbühel steigt jeden Winter das legendäre Hahnenkamm-Rennen auf der Streif - eine halsbrecherische Abfahrt. Doch beim Wettbewerb Vertical Up geht es die Piste hinauf. Auch Laien dürfen mitmachen. Ein Selbstversuch auf Schneeschuhen.

Von Johanna Rüdiger, dpa 12.01.2017, 03:07

Kitzbühel (dpa/tmn) - Ohne die Stöcke wäre ich wohl verloren. Mit aller Kraft stoße ich sie in den Hang und ziehe mich daran hoch. Der Schnee knistert unter der Sohle, es geht immer höher. So schwierig hatte ich mir diesen Wettbewerb nicht vorgestellt.

Ich bin angetreten, um eine der gefährlichsten Abfahrtsstrecken der Welt zu bezwingen: die Streif in Kitzbühel. Beim Vertical Up wird die Piste jedoch in umgekehrter Richtung gemeistert. Statt auf Skiern halsbrecherisch ins Tal zu rasen, geht es mit Schneeschuhen, Spikes oder Tourenskiern den Berg hinauf.

Die harten Fakten: mehr als 3,3 Kilometer, 860 Höhenmeter, die steilsten Stellen mit einer Neigung von 85 Prozent, und das auch noch nachts. Neben der Speed-Klasse, in der Spitzensportler um den Sieg ringen, gibt es noch eine zweite Kategorie, die Rucksack-Klasse. Das klang für mich machbar. Zu Hause jedenfalls.

Im Skiverleih fragt man mich ehrfürchtig, wie lange ich denn schon im Training sei. "Bisschen joggen, bisschen Yoga", murmele ich. Und ernte entsetzte Blicke. Was ist so beängstigend an der Streif, auf der im Januar 2017 das nunmehr 77. Hahnenkamm-Rennen ausgetragen wird? Das sehe ich bei der Streckenbegutachtung. An den steilsten Stellen wie der Hausbergkante geht es fast senkrecht bergab.

Da taucht plötzlich der erste Vertical Upper auf. Zielstrebig stapft er mit Trekking-Schuhen und Spikes die Piste hoch - ein letzter Streckencheck. "Und, wie lange hast du schon trainiert?", frage ich. "Ach, nur die letzten Wochen ein bisschen, im vergangenen Jahr habe ich zum ersten Mal mitgemacht, es war total lässig", sagt der 41-Jährige, der sich nur als Christian vorstellt. Vielleicht ist das Rennen auch für mich zu schaffen.

Abends im Kongresszentrum: drahtige Männer, so weit das Augen reicht, viele Triathlontrikots, dazwischen einige nicht minder drahtige Frauen. Ganz schön einschüchternd. Der sympathische Kitzbüheler Harald Ziegler, 62, ist ebenfalls für die Rucksack-Klasse angemeldet. "Du schaffst das schon", beruhigt er mich - bevor er erzählt, dass er im Sommer gerne die Streif hochjoggt. Vor dem Frühstück. Na toll.

Der Startschuss fällt abends um 18.30 Uhr. Knapp 1000 Teilnehmer drängen den Berg hinauf. Schon nach den ersten 50 Metern fange ich an, jämmerlich zu schnaufen - und gerate ins Schlingern. Doch plötzlich packt mich ein starker Arm von hinten. Harald, mein Mitstreiter. "Die Krallen ausfahren und geradeaus weiter", brüllt er, während ich die Spikes meiner Schneeschuhe gehorsam ins Eis stemme.

Und es geht tatsächlich weiter. Irgendwie. Inzwischen bin ich die Letzte. Harald hat Mitleid mit mir und weicht nicht von meiner Seite. "Immer nur bis zur nächsten Kurve denken, im Steilen schön auf die Stöcke lehnen", ruft er. Ab und zu bleiben wir stehen. Er, um die funkelnden Sterne und den Blick auf die leuchtenden Häuser im Tal zu genießen. Ich, um nach Luft zu schnappen.

Jetzt kommt es nur noch auf Hartnäckigkeit an. Dann plötzlich: der allerletzte Hang. Noch einmal geht es steil hinauf. "Endlich, ich war noch nie so froh, die allerletzte Teilnehmerin zu sehen", frotzelt der Vertical-Up-Moderator über die Lautsprecher. "Für dich spielen wir als Zieleinlauf "We are the Champions"." Hysterisch lachend taumle ich ins Ziel. Meine Zeit: 2 Stunden und 41 Minuten.

Der Gewinner, der kurze Zeit später unten im Tal auf dem Siegertreppchen steht, brauchte nur 30 Minuten und 49 Sekunden. Er kommt mir verdammt bekannt vor. Ist das nicht...? Ja richtig, es ist Christian, der mir bei der Probeabfahrt auf der Piste begegnete und das Rennen "total lässig" fand! Er ist nicht nur heutiger und Vorjahresgewinner, sondern auch eine österreichische Legende: Christian Hoffmann, Olympia-Sieger im Langlauf.

Webseite des Vertical Up

Infos zum 7. Streif Vertical Up

Vertical Up in Kitzbühel

Termin: Der 7. Streif Vertical Up findet am 25. Februar 2017 statt. Teilnahmegebühr in der Rucksack-Klasse: 45 Euro. Die Pflichtausrüstung ist Helm, Stirnlampe und Rucksack. Ansonsten ist alles erlaubt: etwa Skistöcke, Tourenski, Langlaufski, Laufschuhe mit Spikes, Steigeisen oder Schneeschuhe (www.vertical-up.com/de).

Informationen: Kitzbühel Tourismus, Hinterstadt 18, 6370 Kitzbühel (Tel.: 0043/5356 66660, E-Mail: info@kitzbuehel.com, www.kitzbuehel.com).

Das Vertical Up findet in der Dunkelheit statt - Stirnlampen sind deshalb Pflicht. Foto: Michael Werlberger
Das Vertical Up findet in der Dunkelheit statt - Stirnlampen sind deshalb Pflicht. Foto: Michael Werlberger
Vertical Up
Die Hausbergkante auf der Streif flößt jedem normalen Skifahrer Angst ein - und wohl auch so manchem Profi. Dort kommt es in Wettkämpfen immer wieder zu Stürzen. Foto: Johanna Rüdiger
Die Hausbergkante auf der Streif flößt jedem normalen Skifahrer Angst ein - und wohl auch so manchem Profi. Dort kommt es in Wettkämpfen immer wieder zu Stürzen. Foto: Johanna Rüdiger
dpa-tmn
Fordernde Steigung: Die Teilnehmer des Vertical Up tragen zum Beispiel Schuhe mit Spikes, um am Hang nicht wegzurutschen. Foto: Michael Werlberger
Fordernde Steigung: Die Teilnehmer des Vertical Up tragen zum Beispiel Schuhe mit Spikes, um am Hang nicht wegzurutschen. Foto: Michael Werlberger
Vertical Up
Ist das Ziel schon nah? Beim Vertical Up müssen die Teilnehmer 860 Höhenmeter überwinden. Foto: Michael Werlberger
Ist das Ziel schon nah? Beim Vertical Up müssen die Teilnehmer 860 Höhenmeter überwinden. Foto: Michael Werlberger
Vertical Up
Die Streif ist so steil, dass sich viele Teilnehmer des Vertical Up an einem Seil den Hang hinaufbewegen. Foto: Michael Werlberger
Die Streif ist so steil, dass sich viele Teilnehmer des Vertical Up an einem Seil den Hang hinaufbewegen. Foto: Michael Werlberger
Vertical Up
Jetzt gibt es kein Zurück mehr: die Autorin mit Startnummer. Foto: Johanna Rüdiger
Jetzt gibt es kein Zurück mehr: die Autorin mit Startnummer. Foto: Johanna Rüdiger
dpa-tmn
Stolze Teilnehmer: Harald Ziegler (r) nach dem Ziellauf mit der Autorin. Foto: Johanna Rüdiger
Stolze Teilnehmer: Harald Ziegler (r) nach dem Ziellauf mit der Autorin. Foto: Johanna Rüdiger
dpa-tmn
Die Kette aus Wurst ist der Trostpreis des Vertical Up - die Autorin kam als Letzte ins Ziel und hat dennoch gewonnen. Foto: Johanna Rüdiger
Die Kette aus Wurst ist der Trostpreis des Vertical Up - die Autorin kam als Letzte ins Ziel und hat dennoch gewonnen. Foto: Johanna Rüdiger
dpa-tmn