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Gesundheit E-Rezept stößt im Jerichower Land auf viel Skepsis

Seit Anfang Juli können Kunden ihr elektronisches Rezept, kurz E-Rezept, mit der Versichertenkarte in der Apotheke einlösen. Wie sind die Erfahrungenbislang?

Von Thomas Pusch Aktualisiert: 06.07.2023, 09:03
Das E-Rezept kann beispielsweise mit dem Smartphone eingelöst werden, wenn darauf die dazugehörige App geladen ist. Seit Anfang des Monats funktioniert es auch mit der Versichertenkarte.
Das E-Rezept kann beispielsweise mit dem Smartphone eingelöst werden, wenn darauf die dazugehörige App geladen ist. Seit Anfang des Monats funktioniert es auch mit der Versichertenkarte. Symbolfoto: dpa

Burg/Genthin/Gommern - Der rosafarbene Zettel, im Fachjargon Formular 16 genannt, auf dem Rezepte ausgestellt werden, soll bald der Vergangenheit angehören. Seit Anfang des Monats können digitale Rezepte mit der Versichertenkarte eingelöst werden. Die Volksstimme hat sich bei Ärzten und Apothekern umgehört, wie das E-Rezept angelaufen ist.

In der Burger Roland-Apotheke hat es noch keinen Kunden gegeben, der so seine Medikamente abholen wollte. „Wir sind dafür vorbereitet, aber es ist wohl auch ein Prozess, der sich einspielen muss“, meinte Diana Rose.

Kundenzahl hält sich in Grenzen

„Es hat schon ein paar Kunden gegeben, aber keinen großen Ansturm“, sagte Steffi Ritschl von der Adler-Apotheke in Genthin. Vieles sei an dem System aber auch noch nicht ausgereift.

Diese Skepsis teilt Alexander Strümpel von der Rats-Apotheke in Gommern. „Es ist ein sehr schwieriges Thema“, meinte er im Gespräch mit der Volksstimme. Die Apotheken seien ausgerüstet, dafür seien sie schon seit September vergangenen Jahres verpflichtet. Aktuell sei es aber noch so, dass nur wenige Ärzte das System unterstützen. Der Arbeitsablauf werde für sie in der Tat auch nicht leichter, sondern schwieriger.

Datenschutz ist ein wichtiges Thema

Das hat Strümpel aber nicht als einziges Problem ausgemacht. So hänge das System nur an einem einzigen Server. Vor ein paar Tagen sei er für zwei Stunden ausgefallen und in ganz Deutschland konnten keine digitalen Rezepte verarbeitet werden. „Und jetzt sind wir erst in der Probephase, am 1. Januar 2024 soll das System in Vollbetrieb gehen“, so der Apotheker.

Ganz viel sei auch manuell noch zu korrigieren. „Ich sehe noch sehr viel Verbesserungsbedarf“, fasste er zusammen. Auch für den Apothekerverband gibt es noch offene Fragen. „Ein wichtiges Thema ist der Datenschutz und die Frage, welche Daten von wem wofür verwendet werden dürfen. Hierfür laufen zurzeit eine Reihe von Gesetzesinitiativen in Deutschland, aber auch in Europa“, so Mathias Arnold, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes.

Mit der ergänzenden Einführung des E-Rezeptes über die elektronische Gesundheitskarte gebe es jetzt andererseits endlich einen sehr einfachen und überaus patientenfreundlichen Weg, das E-Rezept in die Apotheke vor Ort zu geben. Damit biete es große Chancen, vor allem, wenn es nun flächendeckend eingesetzt werde.

System soll sicherst noch beweisen

Grundsätzlich steht auch Dr. Volker Mohr, Kreissprecher Genthin der Kassenärztlichen Vereinigung, dem digitalen Rezept offen gegenüber. „Skepsis ist aber unbedingt angebracht, das bedeutet aber keine Verweigerung“, stellte er gegenüber der Volksstimme klar. Das Projekt sei noch nicht in seiner ganzen Kompliziertheit durchdrungen. „Außerhalb medial verbreiteter Begeisterung ist noch nicht viel passiert“, sagte der Hausarzt, der unter anderem Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirurgie ist.

In den vergangenen Jahren habe eine ungute politische Haltung geherrscht. Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe den Ärzten eine Verweigerungshaltung unterstellt, sogar mit Strafen gedroht. „Das Interesse ist groß, aber wir sind nicht mit Patienten und Apothekern die Versuchskaninchen“, meinte er. Wenn das System bewiesen habe, den Ansprüchen zu genügen, würden sich auch die Ärzte anschließen. „Neues tun, aber nicht um des Neuen willen, sondern, weil es auch etwas bringt, so muss es sein“, fügte er hinzu.

Umweltfaktor nicht zu unterschätzen

Zurückhaltend reagierte auch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt auf eine Volksstimme-Anfrage. Zukünftig könne es vieles erleichtern und verbessern, leider sei man davon im Augenblick noch weit entfernt, so Pressesprecherin Janine Krausnick. Aber: „Das E-Rezept kann erst seine positive Wirkung entfalten, wenn die Infrastruktur nachweislich der Belastung von täglich rund 1,5 Millionen Rezepten standhält und weitere Nutzungsmöglichkeiten mit dem elektronischen Medikamentenplan zusammen gegeben sind.“

Für Dr. Philipp Stahl, der als Internist in Burg tätig ist, steht allerdings fest: „Das E-Rezept ist sehr sinnvoll. Es ist einerseits umweltgünstig und erleichtert andererseits die Abläufe vor allem für chronisch kranke Patienten. Ich bin ein großer Fan der Digitalisierung“.

So funktioniert es

Deutschland hat zum 1. Juli 2023 das Elektronische Rezept (E-Rezept) für gesetzlich Versicherte eingeführt. Gunnar Mollenhauer, Gesundheitsexperte der Krankenkasse IKK gesund plus, beantwortet die wichtigsten Fragen.

Gunnar Mollenhauer, Gesundheitsexperte der IKK gesund plus.
Gunnar Mollenhauer, Gesundheitsexperte der IKK gesund plus.
Foto: IKK

Was genau ist das E-Rezept und was bringt es?

Es soll Zeit und Wege ersparen sowie die Abgabe von Medikamenten sicherer machen. Statt des rosafarbenen Kassenrezeptes gibt es nun einen digitalen Code für Medikamente. Das ist im Grunde das E-Rezept.

Wie funktioniert das?

Bisher haben Patienten beim Arzt ein Papier-Rezept bekommen. Jetzt erhalten sie ein sogenanntes E-Rezept-Token. Das ist der digitale Code, den man in der Apotheke braucht. Es gibt drei Möglichkeiten: Der Code kann digital aufs Handy übertragen, auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert oder auf Papier ausgedruckt werden. Leider ist noch nicht klar, ob das bereits in allen Praxen sofort möglich sein wird.

Wie erhält man die Arznei?

Je nachdem, wie man den Code erhalten hat, kann man die E-Rezept -App nutzen, die elektronische Gesundheitskarte oder den Papierausdruck. Die App kann man sich in App-Stores herunterladen. Damit hat man dann das Rezept auf seinem Handy, zeigt es in der Apotheke vor oder bestellt die Medikamente online. Der Code auf der Gesundheitskarte wird in der Apotheke mit einem Terminal eingelesen. Den Code auf einem Papierausdruck scannen die Mitarbeiter in der Apotheke ein.