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Gommern Vehlitz ist in Sachen Blühwiesen Vorreiter

Das Insektensterben ist nicht mehr wegzudiskutieren. Vehlitz stemmt sich mit Insekteninseln dagegen. Die Einwohner ziehen mit. In Gommern sieht es dagegen traurig aus.

Von Thomas Schäfer 24.07.2023, 07:26
Hartmut Specht ist Ortsbürgermeister von Vehlitz. Er hat sich dafür stark gemacht, dass in der Ortschaft Insekteninseln und Blühwiesen angelegt werden. „Nicht exzessiv, lieber Stück für Stück - man muss die Leute auch mitnehmen“, sagt er.
Hartmut Specht ist Ortsbürgermeister von Vehlitz. Er hat sich dafür stark gemacht, dass in der Ortschaft Insekteninseln und Blühwiesen angelegt werden. „Nicht exzessiv, lieber Stück für Stück - man muss die Leute auch mitnehmen“, sagt er. Foto: Thomas Schäfer

Vehlitz - „Sieht das hier nicht wunderschön aus“, sagt Hartmut Specht und deutet lächelnd auf eine bunte Wiese hinter der Vehlitzer Kirche. Es summt und brummt, Bienen, Schmetterlinge, Hummeln und allerlei anderes Getier fliegt von Blüte zu Blüte. Gelb, rot, lila, orange, weiß - die vielen bunten Farbkleckse der Blüten machen den Anblick zur Augenweide. Als die Abendsonne immer weiter zum Horizont sinkt und der Himmel sich nach und nach dunkelorange verfärbt, wirkt es schon fast kitschig - so schön ist die Szene.

Hartmut Specht, Ortsbürgermeister von Vehlitz, ist sichtlich stolz auf das, was er und das gesamte Dorf geschafft haben. Rechts neben der Kirche und auch hinter dem auf dem Kirchgelände gelegenen Friedhof befindet sich eine große Insekteninsel - auch Blühwiese oder Bienenweide genannt.

Es ist nicht die einzige Insekteninsel der kleinen Ortschaft. Am Darreweg befindet sich eine zweite. „Und wir haben noch mehr vor“, sagt Specht und lächelt vielsagend. Es ist ihm eine Herzensangelegenheit.

Leute müssen mitgenommen werden

Seit einigen Jahren ist das Thema Insektensterben in aller Munde. Die Generation 40/50+ wird sich sicher noch erinnern, wie Autoscheiben früher nach einer längeren Fahrt ausgesehen haben. Diese Zeiten sind vorbei. Ab und an klatsch noch ein Insekt an eine Frontscheibe, das wars. Was manche Autofahrer freuen wird, ist jedoch ein Alarmsignal.

Die vom Bundesamt für Naturschutz veröffentlichten Roten Listen der gefährdeten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Deutschland belegen diese negative Entwicklung für mehr als 3000 Insektenarten anhand von bundesweit repräsentativen Daten.

In Vehlitz stemmt man sich jedoch gegen diese Entwicklung. Zugegeben - im Kleinen. Aber einer muss ja anfangen, wie bei so vielen Dingen.

Bürger mitnehmen und gut informieren

„Wenn man so etwas initiieren will, muss man die Leute natürlich mitnehmen. Nicht, dass sie überrascht sind und sagen, wie siehts denn hier aus. Und so haben wir es gemacht. Wir haben es zuerst publik gemacht, dass wir darüber nachdenken, Flächen nicht mehr zu mähen. Die Gründe sind vielfältig: Kosten, Zeit, Abtransport - und natürlich, um den Insekten die Möglichkeit zu geben, sich wieder zu etablieren“, berichtet Hartmut Specht von den Anfängen ihrer grünen Insektenoasen im Ort.

Als zweiten Schritt hat man Schilder angefertigt. „An jeder Blühwiese stehen nun Schilder mit der Aufschrift ,Insekteninsel’. So wissen die Einwohner, dass es keine Versehen, sondern Absicht ist“, so Specht.

Anlass war eine Grasmahd. „In einem Frühjahr haben wir hier mit einem Rasentrecker gemäht und sind erschreckt, wie viele Erdbienen dann hochkamen. Da haben wir beschlossen, es nicht wieder zu machen“, erinnert sich Hartmut Specht.

Entwicklungskonzept sieht Blühwiesen vor

Seither wird nur ein kleiner Streifen rund um die Kirche gemäht, der Rest bleibt stehen. Auf ausgewählten Flächen wird zusätzlich eine Saatmischung regionaler Pflanzen ausgebracht. Das Resultat ist Natur pur. „Es wird von unseren Einwohnern akzeptiert, sie haben gesehen, wie schön und gleichzeitig hilfreich es ist. Es gibt viel positive Resonanz“, freut sich Hartmut Specht.

„Die Leute fahren weit, weit weg in den Urlaub, um unberührte Natur zu erleben. Die haben wir nun auch im Ort. Ganz ehrlich, direkt hinter der Friedhofsmauer hört die Natur auf. Dort ist kein Leben, es ist landwirtschaftliche Kulturlandschaft. Das hat mit Natur nichts mehr zu tun“, so Specht.

Im Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzept Gommerns - dem Leitfaden zur Entwicklung der Einheitsgemeinde - ist von der weiteren Begrünung im Stadtgebiet zu lesen.

Platz des Friedens soll Blühwiesen bekommen - so steht es geschrieben

Dort heißt es: „Es ist angedacht, ausgewählte Flächen im Stadtgebiet in Blühwiesen zu verwandeln. (...) Als mögliche Standorte gelten der Platz des Friedens, die Grünfläche an der Karither Straße und der Friedhofsvorplatz. Auch die Bereiche um die Dorfgemeinschaftshäuser bieten sich für die kleinen Blühwiesen an.“

Papier ist jedoch geduldig. Wie sieht es derzeit tatsächlich aus? „Wir haben mit den Ortschaften geredet und diskutiert, wo man Blühwiesen einrichten könnte. Je nach Ortschaft kamen dann mehr oder weniger Vorschläge. Es gab auch die Sichtweise, dass Blühwiesen vielleicht nicht das Nonplusultra sind - da eine gepflegte Rasenfläche vom optischen her anders aussieht als eine bunte Blühwiese“, äußert sich Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein (parteilos) auf Nachfrage der Volksstimme.

Thema ad acta gelegt

„Derzeit haben wir es nicht in der Priorität, Flächen herauszusuchen, um sie zu Blühwiesen umzuwandeln. Wenn sich das im Zuge von entsprechenden Planungen anlässt, dann ja. Aber wir gehen nicht aktiv auf die Suche danach“, so Jens Hünerbein.

Im Entwicklungskonzept stehen allerdings explizit denkbare Flächen. Das Thema scheint dennoch ad acta gelegt zu sein.

Wie sieht es in den anderen Ortschaften Gommerns aus? Denkt man hier auch über Blühwiesen nach, gibt es sogar schon welche?

Feuerwehr bremst Insekteninsel in Ladeburg aus

„Wir hatten angedacht, die Fläche unseres Sportplatz hinter dem Denkmal in eine Blühwiese umzuwandeln - weil dort schon lange nichts mehr stattfindet“, äußert sich Ladeburgs Ortsbürgermeisterin Verena Fischer. „Es gab jedoch Einwände von unserer Feuerwehr, da sie diese Fläche als Übungsfläche für Wettkämpfe nutzen. Seither ist nichts mehr passiert“, gesteht sie.

Auch in Leitzkau gibt es keine Blühwiesen. „Das war bei uns noch kein Thema“, sagt Ortsbürgermeister Peter Randel. Genau so sieht es auch in Menz oder Dornburg aus.

Die Vehlitzer scheinen somit ein Vorreiter in Sachen Blühwiesen in der Einheitsgemeinde zu sein. Sie beweisen, dass es funktionieren kann.