Haubold Das Ziel wird jetzt selbst bestimmt
Nach einem Jahr Ärger mit dem Buslinienverkehr geht Haubold jetzt zu Plan C über.
Gänsefurth
Einen großen Unterschied gibt es zum Zeitpunkt von vor über einem Jahr, als Torsten Haubold genau wie jetzt aufgeräumt und zugleich verschmitzt an seinem Schreibtisch mit Blick aufs Gewerbegebiet Gänsefurth sitzt: Die Stimmung ist gelöst. Erstmals erlebt man den Chef des Hecklinger Traditionsunternehmens fröhlich und befreit. Nach einem Tief und dem Verlust des Buslinienverkehrs im Altkreis Staßfurt tüfteln er und seine Frau Anja schon seit Weihnachten an einer neuen Existenz.
„Zu Weihnachten habe ich ein kleines Modell eines Pkw mit Wohnanhänger geschenkt bekommen“, erzählt Torsten Haubold. „Und der Schenker fragte mich, ob das nicht auch etwas für mich wäre.“ Seine Frau Anja legte nach: Immerhin hatte Torsten Haubold auch schon Oldtimer zusammengebastelt und wieder fahrbar gemacht. Und man will sich ja auch nicht langweilen.
C wie Caravan
So entstand „Plan C“. „C wie Caravan. Denn Plan A ist Haubold Reisen und Plan B der Regionalverkehr.“ Am kommenden Mittwoch, 31. März, eröffnet das „Caravan Center Haubold“ inklusive Shop auf dem bekannten Gelände. Eine Eröffnung feiern kann man freilich nicht. Wie überall müssen sich Kunden telefonisch anmelden.
Dabei kam eine neue Perspektive unter dem Weihnachtsbaum wie gerufen. Erst Anfang Dezember war Haubold am Oberlandesgericht Naumburg unterlegen – keine Chance mehr auf den Buslinienverkehr im Altkreis Staßfurt. Seine anderen Versuche, etwa Zahlungsforderungen an seinen früheren Auftraggeber oder die Übernahme des gesamten Liniennetzes, zogen sich hin. Übrigens ist bis heute keiner der Gerichtsprozesse nur einen Schritt weitergekommen.
Schwere Umstellung
Die Zeit bis Dezember – immerhin hatte man ein halbes Jahr keinen Linienbusverkehr mehr bedient – sei laut Haubold schwierig gewesen.
Im Laufe der Zeit mussten 30 Busfahrer, die erst in Kurzarbeit waren, entlassen werden und sich einen neuen Job suchen. Jetzt ist Haubolds Frau Anja die einzige Angestellte der Firma. 21 Busse wurden nach Berlin verkauft.
Es wurde immer ruhiger im Büro in Gänsefurth. „Ich dachte zwischenzeitlich mein Handy ist kaputt, weil es gar nicht mehr klingelte“, sagt Torsten Haubold. Auch Partnern und Freunden tat der Verlust des Auftrags zum Öffentlichen Personennahverkehr so leid, dass sie sich zum Teil gar nicht mehr trauten, sich zu melden.
Üben und Basteln
Torsten Haubold kaufte nach Weihnachten zwei ältere Wohnwagen, „um Caravan zu lernen“ wie er sagt. An Kühlschrank, Herd und Innenausstattung tobte er sich zum Üben aus, zerlegte einen Caravan in seine Einzelteile und setzte ihn fahrbereit wieder zusammen.
„Das habe ich ja immerhin gelernt“, sagt er. Bis heute hat er bereits mehrere Caravan-Lehrgänge besucht und sich fortgebildet. Es gibt auch in dieser Branche einiges an Fachlatein zu beachten. Zunächst will er selbst in der Werkstatt des „Caravan Centers“ arbeiten.
Später einmal werden sicher noch weitere Mitarbeiter dazukommen. Einige ehemalige Busfahrer würden gern zurückkommen und auch „Caravan lernen.“ Die Firma Regionalverkehr Salzland ist immer noch die gleiche wie für den Buslinienverkehr. Zwei Caravan-Untersteller haben schon ihr Plätzchen in der riesigen Fahrzeughalle in Gänsefurth gefunden.
Caravan Center in Gänsefurth
Auf dem Hof soll nicht nur eine Ausstellung für Wohnwagen, die Haubold auch verkaufen will, aufgebaut werden. Dort können die Fahrzeuge der Camper auch in Sachen Strom, Wasser, Abwasser und Gasflaschen versorgt werden. Stellplätze für Tagesgäste werden auch eingerichtet.
Anja Haubold will das Organisatorische mit Anfragen und Buchungen übernehmen. Aktuell räumt sie noch Campingstühle in die Regale des neuen Freizeitshops.
Anglerfreund zieht mit ein
Im Shop hat aber noch jemand seinen Platz gefunden. Andreas Mann, der einst mal bei seinem Vater in der Zoohandlung Mann in Staßfurt war, macht seinen Angelshop nun in Haubolds Freizeitshop auf. „Ein Angelshop war immer schon ein Lebenstraum von mir“, sagt er und räumt noch einige Angelhaken ein. Er kann seiner Leidenschaft jetzt hauptberuflich nachgehen und wird auch ab nächsten Mittwoch jeden Tag im Shop sein und Anglerfreunde beraten.
Den Trend zum Camping und individuellen Reisen sieht Haubold jetzt zu Corona-Zeiten noch mehr als vorher im Kommen. Campingplätze sind begehrter denn je. Die nächsten Caravan-Verleihstationen befinden sich in gutem Abstand zu Gänsefurth erst in Magdeburg und im Harz.
Verleih, Verkauf und Werkstatt
„Wir haben bereits Anfragen für den Verleih und auch für Besuche in unserem Shop“, sagt Haubold. Schon bevor die Neueröffnung per Anzeige am Dienstag bekanntgegeben wurde, schien ganz Hecklingen schon Bescheid zu wissen.
Ein Caravan-Händler in Nordrhein-Westfalen wird Partner von Haubold und soll demnächst die ersten zehn Wohnwagen zur Vermietung liefern.
Entspannter als früher
Das neue Standbein soll ein Rund-um-Angebot für Camping und Freizeit werden. Dazu gehören Vermietung und Verkauf der Caravans sowie Aufbauten wie Fahrradanhänger oder Satellitenschüsseln.
An die Ruhe und Langsamkeit des Geschäfts im Vergleich zum Öffentlichen Personennahverkehr wird sich Familie Haubold erst noch gewöhnen müssen. Keine schwierigen Dienstpläne und Änderungen über Nacht mehr und irgendwann werden sicher alle Busfahrgäste verstanden haben, dass Gänsefurth bei Problemen nicht mehr die richtige Adresse ist.
Stattdessen entspannte und urlaubsfreudige Kunden. Die Haubolds meinen: „Wir freuen uns auf die neue Zeit.“