Ausstellung Jahrhundertflut - fünf Jahre danach
Der Flut von 2013 ist eine Ausstellung im Genthiner Museum gewidmet.
Genthin l „Das sind Bilder, die man nie vergisst“, sagt Christian Giese. Er ist stellvertretender Leiter der Genthiner Feuerwehr und nutzte am Sonntagnachmittag die Gelegenheit, als einer der ersten Besucher durch die Ausstellung zu gehen. „Wir haben damals fünf Ortsfeuerwehren abgestellt, um die Lostauer Kameraden zu unterstützen.“ Tag und Nacht waren die Feuerwehrleute 2013 im Einsatz.
Giese erzählt von Sandsäcken. Und natürlich von Wasser. Wasser, aus dem Scheunen und Häuser heraus schauten wie Spielzeug. Wasser, das Existenzen ruiniert hat. „Was ich ebenfalls nie vergesse, ist der unglaubliche Zusammenhalt. Die Spontanität, mit der die Leute geholfen haben“, erzählt Giese.
Vom Nachbarverband ist Uwe Engel zur Ausstellungseröffnung gekommen. Er betreute mit seinem Team damals den Abschnitt Fischbeck. „Wir haben rund um die Uhr versucht, den Deich zu sichern.“ Heute ist klar, dass der zu durchweicht war, brechen musste. „Doch damals dachten wir, er wäre zu retten“, erinnert sich Engel.
Beide Feuerwehrleute sehen in der Ausstellung eine gute Möglichkeit, an den Deichbruch in Fischbeck am 10. Juni 2013 zu erinnern. „Das kann immer wieder passieren“, so Engel. Darum dürfe man nicht aufhören, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
In den Wehren ist seitdem viel passiert. „Wir haben eine Schmutzwasserpumpe angeschafft, um nur ein Beispiel zu nennen“, erzählt Christian Giese. Die pumpe 1600 Liter Wasser in der Minute um.
Museumsleiterin Antonia Beran erklärte in ihrer Eröffnungsrede unter anderem, warum Genthin genau der richtige Ort für so eine Ausstellung ist. „Der Kreis Jerichow II, zu dem Genthin früher gehörte, umfasste auch Fischbeck und Schönhausen.“
Erarbeitet wurden die Exponate gemeinsam durch das Team des Museums sowie Mitarbeiter und Studierende der Katastrophenforschungsstelle der Freien Universität Berlin. „Die Katastrophe ist unser Thema“, erklärte Prof. Dr. Martin Voss. Wichtig sei die professionelle Distanz. „Wenn dann so etwas vor der eigenen Haustür passiert, ist die natürlich in Frage gestellt.“ Zum Vergleich: Das Team hat auch intensiv zur Nuklearkatastrophe in Fukushima 2011 geforscht.
Warum überhaupt zum Elend anderer forschen? „Weil man aus der Katastrophe lernen kann. Lernen, um zukünftiges Leid zu verkleinern“, sagte Sozialwissenschaftler Daniel Lorenz, der zusammen mit Dr. Cordula Dittmer zur Eröffnung Zitate vorlas. Sie stammten nicht nur aus dem Jahr 2013, sondern auch von 1845. Auch damals überschwemmte die Elbe die Region. „Die Zitate ähneln sich, was zeigt, dass es gar nicht so leicht ist, aus der Katastrophe zu lernen.“
2015 hat das Team mit den Arbeiten in Fischbeck begonnen, ist mit Fragebögen von Haus zu Haus gegangen, hat die Menschen ihre Geschichten erzählen lassen. Herausgekommen ist nicht nur eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine Ausstellung, die das Geschehen von damals vergegenwärtigt.
Infotafeln zu neun Schwerpunkten sind zu sehen. Sie heißen Deich, überall Wasser, Warten, Bleiben, Helfen, Schäden kurzfristig, Wiederaufbau, Schäden langfristig und Erinnerung.
Sie berühren den Zuschauer, sind authentisch, weil die Betroffenen selbst viele Bilder zur Verfügung gestellt haben. Zum Beispiel eines, das unter der Überschrift „Warten“ hängt. Es zeigt eine Frau, die auf einer leeren Bierkiste sitzt. Sie schaut nachdenklich bis resigniert ins Wasser. In Zitaten werden die Gefühle der Menschen skizziert: „Am schlimmsten war für mich das Warten“, ist zu lesen. Das Warten auf Antworten: Hält der Deich? Wie lange hält er noch? Wie weit kommt das Wasser, wenn er bricht?
Eine Audiostation zwischen den Schautafeln bringt dem Besucher die Dramen, die sich in Fischbeck 2013 abspielten, noch näher. Eine Frau ist zu hören, die den 81. Geburtstag des Vaters kurz nach dem Deichbruch feierte. Sie erzählt von Müll im Garten, vier Klappstühlen in der Garage, Kuchen vom Bäcker und Brause aus Pappbechern. Die Art, wie sie „gefeiert“ sagt, macht deutlich, dass sie sich unter einer Feier etwas anderes vorstellt.
Das Interesse an der Ausstellungseröffnung hielt sich in Grenzen. Neben Jerichows Bürgermeister Harald Bothe war rund ein Dutzend Besucher gekommen.
Doch die Gelegenheit bleibt: Bis zum 11. Juli kann „Was(ser ) bleibt?“ im Genthiner Museum an der Mützelstraße besichtigt werden. Danach zieht die Ausstellung weiter nach Schönhausen.