Osterwieck präsentiert sich zum zweiten Mal in der Lutherdekade als Stadt der Reformation Der zweite Schritt zum großen Fest 2017
Gegen das Wetter kann man nichts machen. Doch wer sich am Wochenende warm anzog, der konnte in Osterwiecks Stadtmitte ein unterhaltsames wie lehrreiches Reformationsfest erleben.
Osterwieck l Das Auftaktkonzert am Freitagabend bot die rechte Einstimmung auf das Wochenende. Die fünf Musiker um Ralf Benschu und die Band "Marco Böttger Swingtett und Orgelsax" ernteten in der Stephanikirche Begeisterungsstürme für ihre Art, wie sie alte Choräle aus der Lutherzeit musikalisch "modernisierten".
Das Festleben auf dem Stephanikirchhof begann erst am Sonnabend. Aber die Schöppenstedter historische Bürgerwehr hatte ihre Zelte schon am Vorabend aufgeschlagen. Mit 16 Frauen und Männern war sie wie schon beim ersten Reformationsfest vor drei Jahren nach Osterwieck gekommen, um hier die alte Zeit darzustellen. 1667 erstmals erwähnt, war die Bürgerwehr der Anfang von Feuerwehr und Polizei, berichtete Uwe Kalb. Diese Funktion nahm der Korporal auch in den beiden Osterwiecker Nächten war. Wenn immer auf dem Kirchhof verdächtige Geräusche zu hören waren, schaute er nach dem Rechten. Zwischendurch lag er trotz der Maikühle im warmen Feldbett zwischen zwei Schaffelldecken. "Keine zwei Minuten, dann hat man dort Körpertemperatur."
Schnell auf Betriebstemperatur kamen am Sonnabend die knapp bekleideten Taiko-Trommler aus Nordstemmen bei Hildesheim auch ohne Decken. "Das ist anstrengend", bestätigte Helmut Becker, der einzige Mann in der neunköpfigen Truppe auf der Bühne. Leiterin ist seine Frau Dagmar. Beckers hatten sieben Jahre aus beruflichen Gründen in Japan gelebt und von dort die Trommelkunst (Taiko = dicke Trommel) mitgebracht.
"Das war einer unserer schönsten Auftritte", blickte Helmut Becker auf das Reformationsfest 2012 zurück. Es hatte ihnen so gut gefallen, dass die Gruppe sich für dieses zweite Fest in Osterwieck einquartierte, um das ganze Wochenende hier zu verleben. Den beeindruckenden Trommelwirbel von damals hatten auch die Osterwiecker nicht vergessen, so dass der Kirchhof am Sonnabend gleich zum Programmauftakt gut gefüllt war.
Martin Luther war bekanntlich nie in Osterwieck gewesen. Welchen Eindruck seine Gedanken und Schriften aber vor fast 500 Jahren auf die Osterwiecker hinterließen, wurde in Führungen durch Heimatmuseum, Kirche und Straßenzüge deutlich.
Anzutreffen war Martin Luther bei diesem Fest aber doch. Ulrich Starostzik mimt Luther in dessen Geburtsstadt Eisleben seit Jahren als Gästeführer und war nun einer der Repräsentanten aus der Lutherstadt in Osterwieck. Ebenso wie Kristin Behler, die frisch gekürte Blütenkönigin im dazugehörigen Seengebiet Mansfelder Land, und Ute Klopfleisch, die Eislebener Kulturchefin.
Osterwieck und Eisleben haben eine Kooperation geschlossen, die unabhängig von der Lutherdekade auch über 2017 hinaus gepflegt werden soll, wie Klopfleisch betonte. Nicht nur durch Luther, auch durch die Kirchen gebe es Gemeinsamkeiten. Um davon zu berichten und sich besser kennenzulernen, sind für dieses Jahr noch gegenseitige Städtereisen vorgesehen. Osterwiecker besuchen für einen Tag Eisleben und umgekehrt.
Martin Luther begegnete man beim Fest auch in der Stephanikirche. Dort schlüpfte Sabine Flohr, eine Sängerin der Kantorei Wasserleben, in das Kostüm beim Kindermusical "Der falsche Ritter". 15 Kinder und Jugendliche aus Osterwieck und Umgebung stellten die abenteuerliche Entführung Martin Luthers auf die Wartburg dar.
Ein dritter Luther im Bunde war Klaus Gresse im Theaterstück "Wir bauen eine Stadt". Der Kulturhistoriker Thomas Dahms hatte dieses Schauspiel geschrieben, um auf eine unterhaltsame Weise zu vermitteln, was es mit Osterwieck und der frühen Bekenntnis der Bürger zur Reformation auf sich hat. Die fast 20 Darsteller kamen überwiegend aus dem Verein Kultur im Schäfers Hof. Seite Jahresbeginn haben sie zusammen geübt. "Das war für die meisten eine ganz neue Erfahrung. Aber es hat Spaß gemacht", sagte Vereinsvorsitzende Lilly Hager und verbarg dabei ihr Lampenfieber nicht. "Luther war zu seiner Zeit ein Superstar", erklärte Dahms. "In Osterwieck ist die die Wirkung Luthers auf die Deutschen erhalten geblieben."
Luther war am Sonntag auch zu sehen - auf der Bühne bei der Spurensuche der Theatergruppe vom Fallstein-Gymnasium.
"Vom Buchdruck bis Facebook" hieß das Motto dieses Reformationsfestes, angelehnt an das aktuelle Luther-Themenjahr "Bild und Bibel". Der Kulturlandverein hatte ein reichhaltiges Angebot zum Thema Drucken vor allem für Kinder parat. Die Osterwiecker Druckerei Borek, die seit 1790 besteht, stellte eine über 200 Jahre alte Druckpresse auf den Kirchhof. Darauf wurden von einem eigens angefertigten Klischee auf traditionelle Weise Erinnerungsdrucke an dieses Reformationsfest hergestellt. In der Stephanikirche entwickelte sich eine lebendige Podiumsdiskussion über Chancen und Gefahren der modernen Medien.
"Ich bin sehr zufrieden", zog Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Buko) am Sonntagnachmittag ein erstes Fazit. 2012 beim ersten Fest sei noch oft gefragt worden, was Osterwieck mit Luther zu tun habe. Diese Frage sei nun beantwortet. Beeindruckt habe sie, wie die Einwohner das Stadtfest mitgestalten. Allein drei Theatergruppen seien aufgetreten. Dankbar sei sie dem Organisationsteam.
Dazu gehört Thomas Dahms. Er beschrieb die Reihe der Reformationsfeste als Dreisprung. Das sei jetzt der zweite Schritt gewesen. Der Höhepunkt solle das Fest 2017 werden. Dafür habe man nun Erfahrungen sammeln können. Auch Dahms zeigte sich angetan von den Initiativen, die sich seit dem ersten Fest entwickelt haben. Von Publikationen bis zur Renaissancetanzgruppe.
Ortsbürgermeister Ulrich Simons (CDU) meinte: "Eine prima Organisation. Schade nur, dass das Wetter nicht so mitgespielt hat."