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Corona-Krise Harzer Friseure kämpfen ums Überleben

Viele Friseure stehen im zweiten Corona-Lockdown vor dem Aus. So auch Oliver Kantelhardt in Halberstadt.

Von Jörg Endries 03.02.2021, 00:01

Halberstadt l Erstmals seit dem 16. Dezember 2020 hat am Dienstag, 2. Februar, Oliver Kantelhardt sein coronabedingt zwangsgeschlossenes Friseur-Geschäft in der Klusstraße in Halberstadt geöffnet. Leider nicht für zahlende Kunden, die der Friseurmeister jedoch dringend benötigt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Der Obermeister der Friseur-Innung Harz-Bode trifft sich mit Hagen Mauer, Präsident der Handwerkskammer Magdeburg, und mit Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer – natürlich mit Abstand. Die drei richten einen dringenden Appell an die Politik: „Die Friseure müssen spätestens ab 15. Februar wieder öffnen dürfen. Tausende Existenzen und Arbeitsplätze sind bedroht. Vielen Unternehmen steht das Wasser bis zum Hals.“

„Unsere Lage ist katastrophal. Wir leben von unserem Geschäft. Versprochene Hilfen? Es gibt noch nicht einmal Anträge dafür. Letztendlich beläuft es sich auf Fixkosten. Es gibt keine ausreichende Hilfe für Unternehmerlöhne, Krankenkasse oder Altersvorsorge“, berichtet Oliver Kantelhardt, der gemeinsam mit seiner Frau den Salon „Hair Planet“ betreibt und seit fast 18 Jahren im Beruf tätig ist. Die zweite Corona bedingte Schließung des Geschäfts innerhalb von nur wenigen Monaten würde nicht nur an den Nerven zerren, sondern auch die finanziellen Reserven verschlingen. „Alle Ersparnisse sind nach dem zweiten Lockdown fast aufgebraucht“, bilanziert Oliver Kantelhardt. Unklar ist, wie lange er und seine Frau das Trauerspiel noch durchstehen.

Kantelhardt würde die Schließung gleich doppelt hart treffen, so Hagen Mauer. „Beide sind auf das Geschäft und den Umsatz angewiesen. Hier gibt es kein zweites, vom Laden unabhängiges Gehalt, auf das man zur Not zurückgreifen kann“, so der Präsident der Handwerkskammer Magdeburg.

Für Hagen Mauer sind Friseure und Kosmetiker keine Betriebe, die das Infektionsgeschehen befeuern. „Die Hygienekonzepte funktionieren. Uns ist jedenfalls kein einziger Fall bekannt, indem ein Betrieb zum Infektionsherd geworden ist und auch die eingegangenen Meldungen bei der zuständigen Berufsgenossenschaft sind bundesweit verschwindend gering.“ Bundesweit habe es nur 14 Fälle gegeben. Daher entspreche es nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Friseure und Kosmetiker weiterhin geschlossen zu lassen. Hagen Maurer plädiert: „Hier müssen Lockerungen her. Es stehen schließlich Existenzen auf dem Spiel.“

„Uns erreichen derzeit viele verzweifelte Anrufe von Friseuren, die nicht mehr ein noch aus wissen. Sie heulen bitterlich am Telefon“, berichtet Hauptgeschäftsführer Burghard Grupe. Im nördlichen Sachsen-Anhalt gebe es knapp 1000 Friseurgeschäfte mit immerhin 2500 Arbeitsplätzen, von denen viele durch den zweiten Lockdown bedroht seien. Derzeit würden noch keine verlässlichen Informationen über die Zahl der Betriebe vorliegen, die bereits aufgeben mussten. Hagen Mauer rechnet damit, dass er Ende Februar konkrete Angaben machen könne.

Verzweifelt seien aber nicht nur die Friseure, betont Oliver Kantelhardt. „Die Haare wachsen doch unabhängig vom Lockdown weiter. Nicht zum Friseur gehen zu können, belastet viele Menschen psychisch. Wenn man morgens in den Spiegel blickt, hat man doch sofort schlechte Laune.“ Viele Senioren kämen alle 14 Tage in sein Geschäft. Immer wieder gebe es Anrufe mit der Frage: „Wann kann ich einen Termin bekommen?“

„Mit der Schließung der Geschäfte und der Wegnahme der Hoffnung auf baldige Öffnung entsteht ein Druck auf die Bevölkerung“, so Burghard Grupe. Sie würde nach Wegen suchen, sich die Haare machen zu lassen, zu Hause oder in Kellern. Es sei vielen egal. Schwarzarbeit in diesem Sektor werde so direkt befeuert. Probleme einer so organisierten und nicht kontrollierbaren Schwarzarbeit sei angesichts der Problemlagen nicht hinnehmbar, so Grupe.