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Investor rettet Denkmal Italienischer Charme in Halberstadt

Hinter Wildwuchs fristete in Halberstadt die Woolnough-Villa über Jahrzehnte ein trauriges Dasein. Seit drei Jahren wird das etwa 180 Jahre alte Gebäude saniert.

Von Jörg Endries 08.09.2023, 10:00
Obwohl die alte Villa in der Magdeburger Straße 34  noch eine Baustelle ist, entfaltet sich bereits drei Jahre nach Beginn der aufwendigen Sanierung der Flair des Gebäudes und des Grundstücks mitten in Halberstadt. Am kommenden Sonntag öffnet der Besitzer das Denkmal für interessierte Besucher.
Obwohl die alte Villa in der Magdeburger Straße 34 noch eine Baustelle ist, entfaltet sich bereits drei Jahre nach Beginn der aufwendigen Sanierung der Flair des Gebäudes und des Grundstücks mitten in Halberstadt. Am kommenden Sonntag öffnet der Besitzer das Denkmal für interessierte Besucher. Fotos (2): Jörg Endries

Halberstadt - Stolz präsentiert Marcel Röver seine etwa 180 Jahre alte Villa in der Magdeburger Straße 34 in Halberstadt, die nach einem Schinkelentwurf entstanden sein soll. Allerdings kann es bis heute nicht belegt werden.

Als der 45-Jährige das Denkmal vor drei Jahren erwarb, bestand kaum noch Hoffnung, das Haus in die Zukunft zu retten. Der Bauzustand der Industriellen-Villa war katastrophal. Doch davon ließ sich der Unternehmer nicht abschrecken, er stellte sich der Herausforderung, das Denkmal zu sanieren.

Viel schief gelaufen, jetzt besser vorbereitet

2022 öffnete Marcel Röver anlässlich des Tages des offenen Denkmals seine Villa zum ersten Mal für die Öffentlichkeit und erlebte ein Debakel. „Rückblickend war ich damit total überfordert. Statt der geplanten Handvoll Interessierter stürmten mehr als 1000 Besucher damals das Gebäude, das vor einem Jahr noch eine große Baustelle war. Nicht alles lief optimal. Das soll dieses Jahr am 10. September besser werden“, verspricht Marcel Röver.

Letztmalig sei die Villa in diesem Jahr zum Tag des offenen Denkmals eine Baustelle. Für September 2024 sei die Fertigstellung des im Februar 2021 gestarteten ehrgeizigen Bauprojekts geplant. Nach Ende des Innenausbaus soll im März 2024 die Fassade der Villa instand gesetzt werden. „Natürlich passiert dies nach den Originalplänen mit Kassettenputz und Stuck. Der Denkmalschutz hat das alles abgesegnet“, betont der Bauherr. Alte, noch erhaltene Fassadenelemente seien per Computer erfasst worden, um die Fassade wieder komplett im Ursprungszustand erstellen zu können.

Zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 10. September, gibt es im Park des 2500 Quadratmeter großen Grundstücks Kaffee und Kuchen, garniert mit handgemachter Musik, informiert der Hausherr. „Ich habe viele Helfer dabei, die mich in diesem Jahr unterstützen, es gibt genügend Sitzplätze für die Gäste.“

Marcel Röver gewährt von 9 bis 18 Uhr auch Einblicke in die Villa, die teils noch eine Baustelle ist, innen aber auch mit herausgeputzten Räumen glänzt. Dabei handelt es sich um die Wohnung des Besitzers sowie im Dachgeschoss um eine Mietwohnung, die beide zwar nicht betreten werden können, aber von der Eingangstür aus zum größten Teil einzusehen seien.

Begehbar ist auch das Erdgeschoss, das durch die restaurierte Originaleingangstür trotz Bauarbeiten betreten werden kann. Die künftige Nutzung der schönen Räume sei derzeit noch unklar, so der 45-Jährige. Er könne sich dort eine Arzt-Praxis gut vorstellen oder auch eine Tagespflege für 40 bis 50 Senioren. Platz genug würden die großen Räume bieten.

Komplett begehbar sei auch der Keller mit seinen interessanten Gewölbedecken. Marcel Röver plant dort den Einzug einer Gaststätte. „Auf dem großzügigen Außengelände der Villa ist außerdem Platz für Außengastronomie.“ Einen passenden Gastwirt für das Projekt sucht er derzeit noch, genauso für die Praxisräume. Es gebe zwar Interessenten für den Gaststättenbetrieb, aber es würde die Investitionsbereitschaft dafür fehlen.

Einstige Ruine wieder prachtvoll herausgeputzt

Röver steckt nicht nur viel Geld – die Höhe der Summe bleibt sein Geheimnis - in sein Projekt. Er wohnt seit Beginn der Arbeiten in einem Wohnwagen hinter der Villa, ist täglich vor Ort und investiert neben viel Kreativität Muskelkraft. „Was ich selbst machen kann, und das ist viel, erledige ich selbst“, sagt er.

Der Mann aus Hessen begann nach eigenen Angaben mit 19 Jahren, Immobilien zu erwerben, sie auszubauen und wieder einer Nutzung zu zuführen.

Zuerst verschwand der Dschungel vor dem Gebäude. Seitdem spielt die Villa optisch wieder die Hauptrolle auf dem parkähnlichen Areal mit Schieferstelen und großen Blumentöpfen, eingefasst von Feldsteinmauern. Das gesamte Haus musste entkernt werden, sodass nur noch die Außenmauern stehen blieben. Auf der Rückseite des Hauses mit italienischem Charme ergänzen Neubauten den Altbau.

Ob Preußens genialer Architekt und Baumeister Karl-Friedrich Schinkel (1781-1841) mit der Villa in Halberstadt Spuren hinterlassen hat, ist unklar. Architekt Peter Gross, der Vorbesitzer, ist sich sicher, dass die Villa nach Plänen des berühmten Stadtplaners gebaut wurde. „Die Villa ist nach meiner Meinung etwa 1840 entstanden, ein Jahr vor Schinkels Tod. Das Gebäude ist stilechter Klassizismus“, sagte er vor zwei Jahren im Volksstimme-Gespräch.

Belegt sei, dass das Haus einst von einer Industriellen-Familie erbaut wurde. Dann erwarb die Familie Woolnough das Haus. Der englische Ingenieur Georg Woolnough war seit 1862 in der Dehneschen Landmaschinenfabrik tätig und wurde später der Schwager von Friedrich Dehne. 1876 gelang beiden eine bahnbrechende Erfindung in der Gießereitechnik. Sie konstruierten eine leistungsfähige Formmaschine. In Halberstadt ist eine Straße nach Woolnough benannt. Nachfahren leben heute noch in Halberstadt und unterstützen Marcel Röver bei der Sanierung der Villa.

Innenraum vor der Sanierung der Villa.
Innenraum vor der Sanierung der Villa.
Foto: Marcel Röver
Der Raum nach der aufwendigen Sanierung.
Der Raum nach der aufwendigen Sanierung.
Jörg Endries
Marcel Röver
Marcel Röver
Röver