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Tauziehen um politische Mehrheit Politkrimi im Halberstädter Stadtrat: Wie zwei Grüne die AfD-Fraktion ausbooten

Überraschende Wendungen und zwei Partei-Rausschmisse: Die Bildung des neuen Halberstädter Stadtrates wird zu einem Politkrimi, in dem die Parteien mit den meisten Stimmen, AfD und CDU, fast nur Nebenrollen spielen.

Von Sandra Reulecke 23.07.2024, 19:29
Drei Fraktionen gibt es im neu gewählten Halberstädter Statdrat. Dessen konstituierende Sitzung fand am Montag, 22. Juli, statt.
Drei Fraktionen gibt es im neu gewählten Halberstädter Statdrat. Dessen konstituierende Sitzung fand am Montag, 22. Juli, statt. Foto: Sandra Reulecke

Halberstadt. - Eklat bei der ersten Sitzung des neu gewählten Halberstädter Stadtrates: Dieter Kühn und Winfried Fricke, beide Freie-Wähler-Stadträte, nehmen am Montagabend neben den Vertretern der AfD Platz. Sie wollen eine Fraktion bilden. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen.

Beide wurden noch vor Sitzungsende aus der Partei geworfen. „Die vorsätzliche Kooperation in einer gemeinsamen Fraktion mit der AfD, welche in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem vom Verfassungsschutz eingestuft wird, ist ein eklatanter und bewusster Verstoß gegen die Grundsätze der Freien Wähler“, betont der Kreisvorsitzende André Weber. „Wir fordern sie daher auf, dass sie das über die Freien Wähler gewonnene Mandat zurückgeben und diejenigen Kandidaten nachrücken, die auch den Wählerwillen vertreten.“

Rausschmiss bei den Freien Wählern: So reagiert Winfried Fricke

Das schließt Fricke für sich aus. „Die Leute haben mich gewählt, nicht die Partei“, ist der 66-Jährige sicher. Ihm und Kühn sei bewusst gewesen, dass sie gegen die Partei-Grundsätze verstoßen. „Aber wir wollten nicht solche Wellen schlagen“, stellt der Aspenstedter klar.

Vielmehr sei es eine Gewissensfrage für ihn gewesen. „Zu zweit hätten wir kein Gewicht gegen die drei großen Fraktionen gehabt." Jedoch habe sich für ihn in der zurückliegenden Wahlperiode herauskristallisiert, dass er weder mit der Buko noch mit der CDU zusammenarbeiten könne. Deshalb habe er Kühn, der am Dienstag nicht auf Kontaktversuche der Redaktion reagierte, den Anschluss an die AfD vorgeschlagen.

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Dass die Partei in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, sei ihm natürlich bekannt. „Aber ich will ja keine Landespolitik machen“, so Fricke. In einem Stadtrat habe die Parteizugehörigkeit eine andere Priorität. „Das sind Leute, denen es wie mir um die Entwicklung Halberstadts geht.“

Nach Zusammenschluss: Wird AfD die stärkste Fraktion im Halberstädter Stadtrat?

Ihr Anschluss an die AfD sickerte bereits am Freitagabend in die Öffentlichkeit. Die Nachricht sorgte sofort für heftige Diskussionen in sozialen Netzwerken. Schließlich sah es aufgrund ihres Entschlusses so aus, als würde die Alternative für Deutschland mit ihnen die Mehrheit – 14 Sitze – im Stadtrat erhalten.

Über das Wochenende führten deshalb „alle anderen Parteien erneut intensive Gespräche“, berichtet Annelie Borgmann von Bündnis 90/Die Grünen, die bei den Kommunalwahlen am 9. Juni zwei Sitze im Stadtrat gewannen. Das Ergebnis dieser Gespräche ist ein Schachzug, der für Überraschungen sorgte.

Halberstädter Grünen-Stadträte wechseln kurzerhand die Fraktion

Ursprünglich hatten Borgmann und ihr Partei-Kollege Jörgen Kohl vor, sich der Fraktion Pro Halberstadt anzuschließen. „Eine große Schnittmenge in den Inhalten sprach deutlich für einen politischen Zusammenschluss dieser Art“, begründet sie. Doch die neu gemischten Karten hätten sie zum Umdenken gezwungen. Die beiden Grünen-Politiker haben sich jetzt der Fraktion aus CDU und Emersleber Wählergemeinschaft (EWG) angeschlossen.

Mit nunmehr 15 Sitzen ist die neu gebildete Fraktion die stärkste Kraft im Stadtrat und hatte somit auch die erste Wahl bei der Frage, für welchen Ausschuss sie den Vorsitzenden stellen wollen. Ihre Entscheidung fiel auf den Stadtentwicklungsausschuss. Die AfD-Fraktion wählte den Finanzausschuss. Pro Halberstadt entschied sich für Kultur und Sport, somit fiel der CDU-Fraktion noch der Ordnungsausschuss zu.