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Geschichte Schauprozess im Kinosaal Halberstadts

Bei der Bombardierung Halberstadts kurz vor Kriegsende wurden auch die drei Kinos der Stadt Halberstadt vernichtet.

Von Gerald Eggert 09.02.2018, 10:00

Halberstadt l Filmvorführungen fanden in Halberstadt ersatzweise in der Aula des Lyzeums (heute Käthe-Kollwitz-Gymnasium) und im Saal der Gaststätte „Schützenwall“ in der Schützenstraße 9 als „Regina-Lichtspiele“ statt. Bald wurde die frühere Reithalle des Kürassierregiments gegenüber dem Schlachthof zum „Union-Theater“ umgebaut und bot zu dieser Zeit über 1000 Besuchern Platz.

Ein weiteres Kino kam 1948 hinzu. In der Spiegelstraße neben der Harmonie-Gaststätte und der Kegelsporthalle öffneten am 30. Januar die „Alhambra-Lichtspiele“ ihre Pforten.

Die Volksstimme berichtete am 3. Februar unter der Überschrift „Festliche Eröffnung der ,Alhambra‘“: „Was man seit langem mit Spannung erwartet hatte, wurde nun endlich Ereignis. Zum ersten Male öffneten sich am Donnerstag die Pforten der ‚Alhambra‘ für die Öffentlichkeit.

Halberstadt hat wieder ein Kino, das sich sehen lassen kann. Inmitten der Trümmer ist ein Bau entstanden, der, ohne falschen Prunk und mit den einfachsten Mitteln gestaltet, der zerstörten Stadt endlich das gibt, was ihr seit langem fehlte: ein repräsentativer Raum für kulturelle und andere Veranstaltungen.

Das Theater bietet 600 Zuschauern Platz, hat einen großen Rang ohne Seitenlogen, sodass von allen Plätzen gute Sicht möglich ist. Die Anfahrt, der einladende Vorraum, ein kleiner Erfrischungsraum - einstweilen noch ohne Erfrischungen - und der große, geschlossen wirkende Saal vereinen sich zu einem eindrucksvollen Gesamtbild.“

Alles war aufgeboten worden, um die Eröffnung zu einem festlichen Ereignis werden zu lassen. Der Sendeleiter des Filmmagazins, Herr Steinhauer, überbrachte die Grüße der Filmschaffenden und beglückwünschte Halberstadt zu diesem Bau, der in der ganzen Zone seines gleichen sucht. Oberbürgermeister Fechteler brachte den Dank der Stadt zum Ausdruck und sprach den Wunsch aus, dass auch dieser Bau dazu beitragen möchte, das einigende Band der deutschen Kultur enger zu knüpfen. Als Vertreter des Kulturbundes begrüßte Herr K.H. Heine das neue Unternehmen, das auch dem Kulturleben Halberstadts neue Aussichten eröffnet. So werden künftig alle großen Veranstaltungen des Kulturbundes in diesem Raum stattfinden.

Das Programm war der Bedeutung des Tages angepasst. Kräfte des Stadttheaterorchesters unter der Leitung von Heinrich Hohmann, Erich Blasberg, Irma Hofer und Inge Ungnad ernteten mit ihren Darbietungen stürmischen Beifall. Das besondere Interesse galt dem Auftreten der Filmschauspielerin Viktoria von Ballasko, die mit Charme und Grazie aus der Filmschule plauderte. Ein ausgezeichnetes Akkordeon Duo und eine Tänzerin rundeten die Bühnenschau ab, der sich der neue DEFA-Film „ Via Mala“ anschloss. Die spannungsgeladene Atmosphäre des bekannten Romans von John Knittel ist wirksam ins Filmische übertragen. Eine Reihe hervorragender Schauspieler sichern dem Film den gleichen Erfolg, wie er auch dem Buch beschieden gewesen ist.

So stehen den Filmfreunden Halberstadts nunmehr drei Lichtspielhäuser zur Verfügung. Und mit der Freude über diesen sichtbaren Beweis des Aufbauwillens verbindet sich der Wunsch, dass die Qualität des zu Bietenden dem Aufwand der materiellen Mittel entsprechen möge.“

Ende September 1948 wurden die Kinos „Alhambra“ und „Regina“ (470 Plätze) enteignet und verstaatlicht.

Schlagzeilen machte das „Alhambra“ Mitte März 1951, jedoch nicht als Lichtspieltheater. In einem von der SED-Kreisleitung und dem Staatssicherheitsdienst kurzfristig angeordneten öffentlichen Schauprozeß mit offenbar ausgewählten Zuhörern wurden Halberstädter Sozialdemokraten verurteilt. Unter ihnen befand sich Karl Dilßner, der Vorsitzende der Konsumgenossenschaft. Wegen „Wirtschaftsverbrechen“, die er nie begangen hatte, bekam er 2 Jahre Gefängnis plus eine Geldstrafe von 5000 Mark (43 Jahre später wurde Dilßner vom Landgericht Halle rehabilitiert).

Die „Alhambra-Lichtspiele“ wurden im Januar 1967 geschlossen und später abgerissen. Die ehemalige Harmonie-Gaststätte und -Kegelsporthalle mussten Jahre darauf ebenfalls weichen für den Bau des „Klubhaus der Werktätigen“, welches im Dezember 1978 eröffnet wurde. Das Union-Kino bestand zu der Zeit als einziges Lichtspieltheater weiter. Hier liefen nicht nur Filme. 1948 hatten hier sogar Boxkämpfe stattgefunden, am 2. Mai 1948 gab es sogar einen Box-Großkampftag.

Anfangs wurde der Kinosaal mit Sägespanöfen beheizt. „Im Laufe der Jahre hat dieses, ­später einzige Kino Halberstadts, manche Umbauten erhalten. Stühle, Heizung, Fußboden, Wandbehänge und Beleuchtung wurden erneuert. 1956 erhielt das Kino die Leuchtschrift über der Eingangstür“, schrieb der Halberstädter Hanns Osterloh in seinen Kindheitserinnerungen. Später fanden auch Großveranstaltungen und Konzerte im Kinosaal statt.

1991 wurde das Kino an die Ufa-Theater AG verkauft, 1994 verfügte es nach seiner Renovierung über zwei Säle mit 290 und 220 Plätzen und war mit modernster Technik ­ausgestattet. Am 30. Juli 2000 wurde das Union-Theater aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen.

Heute verfügt Halberstadt mit dem Kinopark „Zuckerfabrik“ über ein Erlebniskino mit sieben Kinosälen, in denen mehr als 1600 Besucher Platz finden.