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20 Jahre Heimatverein Badersleben / Jubiläum wird Pfingsten mit Festwochenende begangen / Ausstellung mit Werken von Günter Hein "Wurzeln" eines unbeugsamen Unbekannten

08.06.2011, 04:27

Die Badersleber verstehen es bekanntlich bestens, Jubiläen mit gekonnt in Szene gesetzten Veranstaltungen in festliche Höhepunkte zu verwandeln. So bei der 925-Jahr-Feier im Sommer 2009 oder beim 40-jährigen Bestehen ihres Freibades im vergangenen Sommer. Nun steuern die Mitglieder des Heimatvereins auf das 20-jährige Vereinsjubiläum zu. Sie feiern dies am Pfingstwochenende zeitgleich mit dem Mühlenfest. Ein Höhepunkt ist dabei die Ausstellung von Werken des in Badersleben geborenen Künstlers Günter Hein.

Gemeinde Huy/Badersleben (dlo). Der Huy-Ortsteil Badersleben ist in punkto sauberer und umweltfreundlicher Energieumwandlung nicht erst seit Atomausstieg und Energiewende vorbildlich. In der Gemeinde am Nordhang des Huys zeugen eine Wassermühle und eine Bockwindmühle davon, dass es die Einheimischen schon vor Jahrhunderten verstanden haben, die Wind- und Wasserkraft zu nutzen. Hinzu kommen die Windkraftanlagen am nahen Druiberg, die weithin sichtbar von der heutigen umweltfreundlichen Variante der Stromerzeugung künden.

Allein die beiden historischen Mühlen sind für die Badersleber ein guter Grund, den alljährlichen Deutschen Mühlentag mit einem großen Mühlenfest auf dem Gelände der Bockwindmühle zu begehen. In diesem Jahr wird die 18. Auflage dieses Festes mit dem 20. Geburtstag des Heimatvereins verbunden. Ein Höhepunkt ist dabei die Ausstellung von Werken des in Badersleben geborenen Malers und Grafikers Günter Hein.

Die Ausstellung "Wurzeln", die am Sonnabend um 10 Uhr in der Wassermühle am Paulsplan eröffnet wird und bis einschließlich Pfingstmontag täglich von 10 bis 17 Uhr zu sehen ist, hat Heimatvereins-Mitglied Peter Neumann organisiert. Neumann hat den Künstler, der an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studierte, seit 1977 freischaffend arbeitet und heute mit seiner Familie in der Nähe von Pirna lebt, besucht und für die Ausstellung im alten Heimatort zu begeistern verstanden.

Mit Blick auf die dreitägige Exposition mit Malerei und Grafik hat Peter Neumann die Schritte zur Ausstellung und seine persönlichen Gedanken über den Künstler unter dem Motto "Zeitlose Bilder - Annäherung an Günter Hein" zu Papier gebracht. Darin heißt es:

Jubiläums-Festschrift gibt den Anstoß

"Als wir die Festschrift "925 Jahre Badersleben" verfassten und dafür recherchierten, suchten wir Anfang 2009 im Internet nach bekannten Baderslebern, die vor Ort eher unbekannt sind. Wir wurden dabei fündig. Unter anderem mit Günter Hein, der 1947 in Badersleben geboren wurde. Aber wer kennt ihn noch? Einige Mitschüler und Spielgefährten von damals erinnerten sich, manche wussten auch: Maler sei er wohl geworden.

Unser erster Kontakt am Telefon begann sehr holprig. Lebhaft wurde es erst, als Hein das Zepter übernahm, von der eigenen Schulzeit im Huy erzählte, nach Lehrern und Klassenkameraden fragte. Ja, das dörfliche Leben habe ihn damals geprägt - weit mehr, als später die Jahre in der Großstadt Halberstadt."

Dorthin zog Günter Hein 1959 mit seiner Familie und dort erlernte er später den Malerberuf in einer PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks, mit dem Vorsitzenden Wolfgang Blattner). Dabei habe er auch Kontakt zum Zirkel von Julius Barheine und zu Franz Tautz, Vorstand im Malsaal des Volkstheaters, gefunden, erinnerte sich Günter Hein im ersten Telefonat mit Neumann.

Siegfried Rennert, Ausstattungsleiter Halberstädter Theater, habe ihn 1963 ermuntert, sich an der Fachschule für Theatermalerei in Dresden zu bewerben. Der dortige Vergleich mit Mitstudenten habe ihm schließlich Mut gemacht, anschließend noch an der Hochschule für bildende Künste in der Elbemetropole zu studieren, weiß der 70-jährige Peter Neumann nach mehreren Telefonaten und persönlichen Treffen nun zu berichten.

Seit 1977 ist Günter Hein freischaffend. Vor einigen Jahren ist er mit seiner Familie von Dresden nach Nentmannsdorf (Gemeinde Bahretal) bei Pirna gezogen. Das Hein\'sche Grundstück findet man dort nicht auf Anhieb. Als Fremder Zugang zu Günter Hein und zu seiner Malerei zu finden, braucht ebenfalls Zeit, erinnert sich Neumann an die ersten ganz persönlichen Kontakte. Insgesamt drei Besuche bei Verwandten in Dresden habe ich genutzt, um auch Günter Hein einen Besuch abzustatten, ihm näher zu kommen und schließlich für eine Ausstellung in Badersleben zu gewinnen.

Große Lust auf Fragen der Badersleber

"Er drängele sich nicht nach Ausstellungen, hatte er mir vor zwei Jahren noch beschieden. Doch als wir vor einem Jahr dann den Ausstellungstermin Pfingsten 2011 ganz konkret verabredeten, klang er bereits euphorischer", sagt Peter Neumann. Hein: "Mit Blick auf die Ausstellung bin ich nicht lustlos. Nein, ich möchte zeigen, was ich mache. Die Leute sollen verstehen, wer ich bin." Zugleich war eine gewisse Ungewissheit erkennbar, die aber von der Vorfreude auf die Reise zurück an die persönlichen Wurzeln deutlich überstrahlt wurde. "Ob ich verstanden werde? Ob es gute Gespräche gibt? Ich bin jetzt richtig neugierig", sagte der Maler wenig später.

Günter Hein und seine Malerei verstehen? Das ist nicht so einfach. Die Bilder in seinem Atelier sprechen einen nicht im Vorübergehen an. Auf die Schnelle betrachtet, wirken sie fremd. Man muss stehen bleiben, inne halten, sich bewusst zuwenden. Hein erwartet vom Betrachter seiner Bilder, dass er genau hinsieht und seinen Zugang dazu sucht.

Werke, die mit der Zeit wachsen

Das braucht Zeit. Zeit, die Hein sich auch persönlich gibt: In der Regel, verrät er, male er ein bis zwei Jahre an einem Bild, manchmal brauche er auch fünf oder zehn Jahre. Er übermale oder verändere in dieser Zeit immer wieder, manche Bilder würden nie fertig, einige habe er "kaputt" gemalt, wie er selbst sagt.

Als Künstler "wahrhaftig" zu sein, sei für ihn das Wichtigste. So wirkt er auch als Gesprächspartner zurückhaltend zugewandt, bedächtig, fragend und nachfragend, hartnäckig suchend, zuweilen zweifelnd, aber eben auch humorvoll. Eigenschaften, die sich auch in seinen Bildern wiederfinden. Heins Sinnieren über Gott und die Welt lähmt ihn aber nicht, sondern treibt ihn an. "Ich bin immer auf dem Weg", stellt er dann klar.

Dabei gehört er keiner heutigen Kunstschule oder -richtung an. "Moderne Malerei" sei keine Kategorie für ihn und seine Bilder. Er wolle sich nicht verbiegen für Beifall und den aktuellen Kunstmarkt.

In seiner Malweise ist er beeinflusst von Rembrandt, belgischen Expressionisten, Barlach und Picasso. Die Themen seiner Bilder wirken sehr grundsätzlich. Der rote Faden dabei: Menschliche Existenz und Lebenssinn, unser Woher und Wohin, Glück und Katastrophen, Leben und Tod, Leid und Mitleid, Liebe und Leidenschaft. Inspirieren lässt sich Hein dabei oft von der Mythologie und der Bibel. Akte, Landschaften und die Adaptionen großer Vorbilder ergänzen sein Werk. Besonders Meister der Renaissance und des Barock versteht und malt Hein auf seine Art.

Seine Bilder befinden sich in Museen und privaten Sammlungen. Zu Pfingsten sind nun einige in Badersleben zu besichtigen - im ehemaligen Kuhstall auf dem Grundstück "Wassermühle" am Paulsplan. Welche Bilder Günter Hein in Badersleben ausstellt, das "wächst" in ihm vor Ort.

Einführende Worte von Akademie-Mitglied

"Wurzeln" nennt der Künstler seine Ausstellung, die am Sonnabend um 10 Uhr mit einführenden Worten von Christian Lehnert von der Evangelischen Akademie Wittenberg begleitet wird, wie Peter Neumann gestern ergänzte. Lehnert, der den Künstler gut kenne, werde dabei nicht nur Günter Hein vorstellen, sondern zugleich seine ganz persönliche Sicht auf einige der Werke erklären, um den Gästen die Annäherung daran zu erleichtern und die Brücke für Gespräche zu schlagen.

"Wir dürfen gespannt sein - auf Günter Hein, seine Bilder und Christian Lehnert", sagt Peter Neumann - sichtlich erfreut darüber, dass es nach den ersten Recherchen Anfang 2009 nun gelungen ist, einen vor Ort weitgehend Unbekannten mit hohem künstlerischen Bekanntheitsgrad nach Badersleben zu holen.

www.badersleben.de