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Die Volksstimme begleitet Sylvia Weckmann beim Ausliefern von Backwaren auf den Dörfern Zwischen Brot, Kuchen und Dorfklatsch

Von Christina Stapel 05.05.2012, 03:18

Sylvia Weckmann liefert in den Gemeinden des Huys und den Ortsteilen Halberstadts Backwaren aus. Die Volksstimme hat die 48-Jährige auf einer ihrer Routen begleitet und erfahren, dass hier neben Brot und Kuchen auch Geschichten und Neuigkeiten ihren Besitzer wechseln.

Halberstadt l "Heute muss ich etwas mehr Ware mitnehmen, da nächste Woche Feiertag ist und die Leute dann schon auf Vorrat kaufen", erzählt Sylvia Weckmann vergnügt. Mit wenigen Handgriffen bringt sie die rund 70 Brote und mehr als 300 Brötchen in ihrem Lieferwagen unter. Und der Kuchen? "Der wird auf den Blechen verstaut, das ist alles so eingerichtet, dass beim Fahren nichts passieren kann", versichert die Halberstädterin.

Sylvia Weckmann ist 48 Jahre alt und arbeitet seit Februar 2011 als Verkäuferin bei der Halberstädter Bäcker und Konditoren GmbH. Doch ihr Arbeitsplatz befindet sich nicht wie bei anderen hinter dem Glastresen einer Bäckerei, sondern in einem Lieferwagen. "Für eine Route brauche ich ungefähr sechs Stunden und fahre schätzungsweise 90 Kilometer", erklärt sie. Ein Blick auf die Uhr verrät: "Kurz vor acht. Wir müssen los."

Bei ihrer ersten Station in der Halberstädter Händelstraße wird die sympathische Frau mit rotschwarzem Haar bereits von einer Gruppe Kunden erwartet. Manche ihrer Käufer sind noch im Trainingsanzug, führen gerade ihren Hund aus und holen schnell die Brötchen zum Frühstück, halten einen kurzen Plausch mit der Verkäuferin, grüßen ihre Nachbarn und schlendern dann mit der weißen Papiertüte unter dem Arm zurück ins Haus. "Auf meiner Tour höre ich so einiges. Oftmals ganze Lebensgeschichten, häufig auch viel Trauriges", sagt Weckmann. Kurz nach acht Uhr trifft sie in Sargstedt ein. Hier nehmen sie Erika Kullmann, Heidemarie Saft und Hildegard Wilke in Empfang. "Wie geht es dem Enkelkind?", erkundigt sich Saft bei der Verkäuferin. "Gerade geht es ihm nicht so gut", antwortet ihr die Halberstädterin. "Na dann wünsche ich gute Besserung", sagt Saft und verabschiedet sich.

"Ein bisschen plaudern, das gehört dazu."

Sylvia Weckmann

Aspenstedt, 519 Einwohner. Gleich hinter dem Ortseingangsschild lenkt Weckmann den weißen Lieferwagen an den rechten Straßenrand. "In manchen Orten mache ich gleich mehrere Stopps, da viele Kunden in Gruppen einkaufen und manchmal kann die eine Gruppe nicht so gut mit der anderen", erklärt sie. Zudem seien so die Wege der Käufer zum Lieferwagen kürzer. "Ich gehe jeden Donnerstag zum Bäckerauto, um Brötchen zu holen", erzählt die 64-jährige Liselotte Hilbig. "Wir haben hier ja keinen Bäcker mehr, und der Wagen hält praktisch vor meiner Haustür." Ein paar Straßen weiter stoppt Weckmanns Lieferwagen erneut. Hier wird die fröhliche Verkäuferin bereits von Angelika Wenske und Ingrid Bösch erwartet. Die beiden Frauen unterhalten sich über das Wetter, scherzen mit Weckmann und gestehen: "Natürlich kommen wir auch hierher, um ein bisschen zu schwatzen, bei so einer netten Verkäuferin." Und auch Sylvia Weckmann bestätigt: "Ein bisschen plaudern, das gehört dazu." Wenske, die gleich für mehrere Einwohner im Dorf einkauft, erklärt: "Ich bringe den älteren Leuten, die nicht mehr so gut laufen können, etwas vom Bäcker mit."

Von Aspenstedt aus geht es in die malerische Landschaft des Huys. Hier, hinter Huy-Neinstedt, führt Weckmanns Route nach Wilhelmshall, einer Ortschaft mit gerade einmal 19 Einwohnern. "Ich warte darauf, dass meine Wildschweine endlich ihre Frischlinge bekommen", erzählt Werner Gringmuth. Während seine Frau Christa alles Nötige für das verlängerte Wochenende bestellt, genießt er ein Stück Kuchen und unterhält sich mit der Nachbarin Lidia von Baysen. "Wir haben wirklich Glück, so eine nette Verkäuferin zu haben", sagt Gringmuth. Ein paar Minuten wird noch über das Wetter und die Pläne am Wochenende geredet, dann stellt Weckmann die bereits geleerten Bleche zusammen und lässt die Klappe des Verkaufswagens runterfahren und weiter geht es nach Dingelstedt.

"Ich muss heute ein bisschen aufpassen, was ich kaufe. Vergangene Woche lagen wir hier alle mit Magen-Darm-Grippe um", erklärt Irene Spradau. Seit Jahren nutzt sie das Angebot des Lieferwagens. "Ich bin ja gebürtige Halberstädterin und mein Enkel hat sogar seine Ausbildung bei dem Halberstädter Bäcker gemacht", erzählt sie. Auch Günther Schickerling aus Eilenstedt hat als gebürtiger Halberstädter eine ganz besondere Bindung zu dem Bäcker. "In Halberstadt lag unsere Wohnung direkt hinter dem Bäcker, darum sind wir immer dahin gegangen", erinnert sich der freundliche Senior und erzählt weiter, wie er vor etlichen Jahren seine schwangere Tochter mit dem Motorrad von Eilenstedt nach Schlanstedt fahren wollte. "Das waren Zeiten damals", sagt er und lacht.

"Jeder der Orte ist anders und hat seine Eigenheiten", erklärt Sylvia Weckmann und fügt hinzu: "Besonders gern fahre ich nach Danstedt, da steht immer so eine richtig nette Truppe an der ersten Station."

Und tatsächlich, hier in dem 500-Seelen Dorf stehen bereits acht Personen am Bordstein der Querstraße und erwarten die Ankunft des weißen Lieferwagens von Sylvia Weckmann. "Meine Urenkel haben demnächst Jugendweihe. Die sind nach Drübeck in die Nähe von Ilsenburg gezogen", plaudert Anneliese Hartmann drauflos. Von den Urenkeln zu den Enkeln wird das Gespräch auf die eigenen Kinder und schließlich die eigene Kindheit gelenkt. "Damals, als ich noch ein Kind war, wurde das gegessen, was auf den Tisch kam", erzählt Monika Figur. Weiße Bohnensuppe, darauf hatte sie nie Appetit. "Aber das kam nun mal auf den Tisch und dann wurde das auch gegessen", erinnert sich die 68-Jährige. Über das Angebot des Bäckers freut sie sich. "Wir sind mit dem Lieferwagen sehr zufrieden. Und die Verkäuferin ist auch sehr nett." Das Kompliment freut Weckmann natürlich. "Bei solch netten Kunden fällt es auch nicht schwer, nett zu sein" erwidert sie.

Sieben Stationen später hat sie ihre Route beendet und es geht vom letzten Halt in Ströbeck zurück nach Halberstadt. Hier in der Filiale in der Klusstraße lädt sie die übrig gebliebenen Backwaren ab und reinigt den Lieferwagen.

"Der Beruf macht wirklich Spaß, man kommt viel rum, hört viele Dinge und trifft auf nette Menschen", fasst sie zusammen.