1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Mit Video: Familie von Gaststätte „Waldfrieden“ in Hütten erinnert sich an Horror-Feuer

"Es war Brandstiftung" Mit Video: Familie von Gaststätte bei Magdeburg erinnert sich an Horror-Feuer

Die Gaststätte „Waldfrieden“ in Hütten gibt es seit vier Generationen. Gastwirt Otto Stallmann erzählt von schönen Jahren des Familienunternehmens und von Katastrophen, wie den Brand des Saals vor 13 Jahren. Heute wie damals machen die altdeutsche Küche und ein kleiner Tiergarten das Gasthaus in der Colbitz-Letzlinger Heide zu einem beliebten Ausflugsort.

Von Anett Roisch Aktualisiert: 29.09.2023, 08:18
Gastwirt Otto Stallmann mit seiner Ehefrau Daniela (r.) sowie Rosemarie Bode, Schwester des Gastwirts, halten die Gastronomie im „Waldfrieden“ am Laufen. Bei Hochbetrieb an Feiertagen helfen auch die drei Kinder der Stallmanns beim Bedienen der Gäste.
Gastwirt Otto Stallmann mit seiner Ehefrau Daniela (r.) sowie Rosemarie Bode, Schwester des Gastwirts, halten die Gastronomie im „Waldfrieden“ am Laufen. Bei Hochbetrieb an Feiertagen helfen auch die drei Kinder der Stallmanns beim Bedienen der Gäste. Foto: Anett Roisch

Hütten - „Mein Uropa Carl Stallmann hat die Gaststätte aus einer Versteigerung gekauft“, erzählt Otto Stallmann, der heutige Gastwirt vom „Waldfrieden“ in Hütten.

Viehhändler Carl Stallmann kehrte nämlich – nach den Erzählungen der Familie – 1898 in die Gaststätte ein. Von der damaligen Besitzerin, die er sehr gut kannte, habe er erfahren, dass die Gastwirtschaft nach den Wilddieb-Straftaten ihres Mannes nicht mehr zu halten sei und dass eine Versteigerung anstehen würde. Damit ein angemessener Preis für das Gasthaus erzielt werden konnte, gab der Viehverkäufer ebenfalls ein Gebot ab. So war Stallmann bei der Versteigerung ungewollt zu dieser Gaststätte gekommen.

Im Video: Gastwirt vom „Waldfrieden“ erinnert sich zurück

 
Die Gaststätte „Waldfrieden“ in Hütten gibt es seit vier Generationen. Gastwirt Otto Stallmann erzählt von schönen Jahren des Familienunternehmens und von Katastrophen, wie den Brand des Saals vor 13 Jahren.(Kamera: Anett Roisch, Schnitt: Torsten Grundmann)

Ab 1927 wurde die Gaststätte in zweiter Generation vom Sohn Karl Stallmann übernommen. Steigende Gästezahlen erforderten einen Anbau mit Rundpavillon. „Die Nähe zur Natur veranlasste Karl Stallmann 1938 dazu, ein kleines Wildgehege mit Rot- und Schwarzwild anzulegen“, erzählt der heutige Gastwirt und führt zum Tiergehege, wo nun 30 Wildschweine, 15 Mufflons, zwölf Damhirsche, einige Heidschnucken und ein Rothirsch leben.

„Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Gaststätte aufgrund der nahen Lage zum Truppenübungsplatz der Sowjetstreitkräfte nur bedingt geöffnet werden“, weiß Stallmann. 1946/47 sei das Objekt mehrfach überfallen und komplett ausgeraubt worden. Nach diesen Überfällen belegte die Rote Armee den „Waldfrieden“ als Unterkunft. 1949 wurde die Öffnung der Gaststätte nach DDR-Recht immer wieder unterbunden. „Während der DDR-Zeit konnte die Gaststätte die Familie nicht wirklich ernähren, so dass die angegliederte Landwirtschaft dieses ausgleichen musste. Außerdem fand ein erneuter Vater-Sohn-Generationswechsel von Karl auf Otto Stallmann – meinem Vater - statt“, berichtet Junior Otto Stallmann.

Erst nach der Wende ab 1990 habe es dann einen geregelten Gaststättenbetrieb gegeben. „In den folgenden Jahren erweiterten wir das Wildgehege bis auf die heute bekannte Größe. Seitdem stehen diverse Wildgerichte auf der Speisekarte“, beschreibt Stallmann, der nun in vierter Generation mit seiner Frau Daniela den Gaststättenbetrieb leitet.

So sah die Gaststätte „Waldfrieden“ in Hütten vor dem Brand des Saals aus. Damals wie heute gibt es ein Tiergehege.
So sah die Gaststätte „Waldfrieden“ in Hütten vor dem Brand des Saals aus. Damals wie heute gibt es ein Tiergehege.
Foto: Axel Husar

Und überhaupt ist das Erfolgsgeheimnis des Familienbetriebes – nach Meinung des Chefs, der selbst die Bestellungen entgegen nimmt und auch den Gästen die Teller mit den Speisen reicht, eine gute altdeutsche Küche. Seine Schwester Rosemarie Bode ist die Küchenfee an den Töpfen und Pfannen. Wenn Not an Mann ist, helfen auch der Sohn und die beiden Töchter im Gasthaus mit.

Vor 13 Jahren brannte der Gaststättensaal in Hütten

Gut kann sich Rosemarie Bode noch an den Großbrand vor 13 Jahren erinnern: „Wir konnten – als die Flammen hochschlugen – nichts machen, sondern nur noch zugucken.“ Otto Stallmann fällt es immer noch schwer, über den Brand zu sprechen. „Es war Brandstiftung. Laut Polizei haben Diebe das Feuer im Saal gelegt, um Spuren zu verwischen“, sagt er. Sein erster Gedanke nach dem Brand sei gewesen, dass die Existenz für immer zerstört sei. „Aber wir haben uns gezwungen, weiter zu machen. Und es geht doch!“

Vor 13 Jahren stand der Gaststättensaal in Flammen. 22 Feuerwehren der Region und der Bundeswehr waren im Einsatz.
Vor 13 Jahren stand der Gaststättensaal in Flammen. 22 Feuerwehren der Region und der Bundeswehr waren im Einsatz.
Archivfoto: Anett Roisch

Stammgäste reisen inzwischen aus Magdeburg, Halberstadt und anderen Städten an und krönen ihren Tagesausflug mit einem Essen im „Waldfrieden“. „Die traditionellen Speisen – wie Hochzeitssuppe und Wildbraten – schmecken einfach“, schwärmt Janin Buchholz aus Colbitz, während der Chef des Hauses der einjährigen Juno–Lupita den Kartoffelbrei serviert. „Nach dem Essen besuchen wir immer die Tiere“, sagt Oma Doris Werner, die beim Gastwirt schon einen Termin für Weihnachten klar macht. Die Festtage sind für die Stallmanns Großeinsatztage. Alle müssen anpacken, denn dann kommen meist um die 130 Gäste. „Nur an den Weihnachtstagen gibt es bei uns Essen vom Büfett“, schildert Stallmann.

Bereut habe der 63-Jährige es nicht, dass er vor 33 Jahren die Gastwirtschaft übernommen hat. Viele schöne Jahre habe es gegeben. „Aber ganz ehrlich – heute würde ich es niemandem mehr empfehlen. Die staatlichen Bedingungen, die hohen Betriebskosten und auch die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer bedrohen die Existenz der Gastronomen. Wenn wir die Preise anziehen, kommt keiner mehr“, betont der Wirt. Er sieht für das Gaststättengewerbe eine große Unsicherheit. „Trotzdem ist die Hoffnung groß, dass wir die Gaststätte noch einige Jahre weiter betreiben können.“