Heimatgeschichte Vahldorf erhält seine erste Chronik
Der Ort in der Niederen Börde gehört zu den ältesten urkundlich erwähnten im Land. Der Historiker Erco von Dietze hat die Vahldorfer Geschichte nun in der ersten Chronik niedergeschrieben.
Vahldorf - Wann genau die Geschichte des heutigen Vahldorf ganz im Norden der Einheitsgemeinde Niedere Börde beginnt, vermag Erco von Dietze nicht zu sagen. Nur soviel steht fest: Die Ortschaft muss es schon vor der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 937 gegeben haben, ist der Historiker überzeugt. In dem Dokument vermacht der König und spätere Kaiser Otto I. dem Moritzkloster zu Magdeburg vier Hufen Land zu Vahldorf.
Weil im heutigen Ortsnamen das lateinische Wort Valle auf eine Palisade oder Grenzbefestigung hindeutet, muss das Dorf eine vorgelagerte Grenzlage von Haldensleben gewesen sein, meint der Wissenschaftler weiter. Und die hat es mehrere hundert Meter nördlich des heutigen Dorfes gegeben, „vielleicht mit zwei oder drei Höfen, das wissen wir nicht“, sagt Erco von Dietze.
Sieben Bauernhöfe und eine Kirche
Später hat sich das heutige Vahldorf gegründet, offenbar mit Kirche und sieben Bauernhöfen. Darauf verweist das Gemeindesiegel, wie es über die Jahrhunderte überliefert ist. Zu erkennen ist ein eherner Kranz und sich zwei reichende Hände, dazu sieben Punkte. „Die Punkte könnten symbolisch für die sieben Höfe stehen“, sagt der Wissenschaftler. Zumindest würde dies mit Angaben aus alten Kirchenbüchern übereinstimmen. Demnach hätten Bauern den Grundstein für das heutige Vahldorf gelegt.
Der Wissenschaftler war in den vergangenen Jahren in Archiven unterwegs und hat unzählige alte Dokumente gewälzt. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen hat Erco von Dietze, der heute wieder in seiner alten hessischen Heimat im Vogelsbergkreis lebt, in einer Chronik zusammengefasst – der wohl ersten.
Wissenschaftler zieht nach Vahldorf
Der studierte Germanist und Historiker kam im Jahr 1992 im Auftrag der Kirche nach Magdeburg. Hier war im Zuge der Umbrüche in der Nachwendezeit seine Expertise zu Problemen zwischen Staat und Kirche gefragt. Ein Termin führte ihn im selben Jahr nach Vahldorf, wo er wenig später das Pfarrhaus ausbaute und schließlich mit seiner Frau einzog.
Schnell war den von Dietzes der Ort zur neuen Heimat geworden – mit neuen Aufgaben. So kam Erco von Dietze der Bitte des damaligen Bürgermeisters Karl Langnese sowie des Gemeinderates nach, das Amt eines Ortschronisten zu übernehmen. Hier profitierte der Wissenschaftler vom Wissen, das vor ihm Hans-Georg Frenzel und Irmgard Duda in Ordnern zusammengetragen hatten. „Doch bald wurde deutlich: Es fehlt ein kleines Ortschronikbüchlein, was einerseits ermöglicht, die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schnüren, andererseits die Bedeutung des Ortes historisch einzuordnen“, sagt Erco von Dietze. Denn bis auf einige wenige Beiträge liege nichts Zusammenhängendes über Vahldorf vor.
Lücken von 1945 bis 1989
Für seine nun erscheinende Chronik konnte der Wissenschaftler auch auf bereits gesammelte Erfahrungen zurückgreifen. Auf Initiative des vor zwei Jahren verstorbenen Wissenschaftlers und Groß Ammensleber Ortsbürgermeisters Rüdiger Pfeiffer setzte 2002 nämlich die ortsgeschichtliche Forschung ein. Im Ergebnis publizierten Rüdiger Pfeiffer, Erco von Dietze und Historiker Wilfried Lübeck den Sammelband „Verbindungswege in einer tausendjährigen Kulturlandschaft“ über die neuesten Forschungsergebnisse zur Geschichte, Kultur, Musik und Lebensweise in den Orten der Einheitsgemeinde Niedere Börde. Bald darauf folgte ein Buch über den Gesangbuchstreit zu Vahldorf – ebenfalls von den drei Wissenschaftlern.
Der Mord von Vahldorf
Die nun erscheinende Chronik vereint laut Erco von Dietze zum ersten Mal einen gesamthistorischen Überblick zu Vahldorf, „wobei natürlich der Anspruch ’gesamt’ nicht alles umfasst“, sagt der Historiker. Besonders die vielfachen innerdörflichen Verzahnungen wiesen Lücken auf, insbesondere für die Zeit von 1945 bis 1989.
Für die Jahrhunderte davor hat der Publizist allerdings viel zu berichten. So waren seinerzeit einmal 26 Bauern in der Bauernstraße ansässig, die sogenannte Nachbarschaft. Wer sich neu in Vahldorf niederließ, hatte zunächst weniger Rechte als die Alteingesessenen. So war beispielsweise das Stimmrecht der neuen Bauern im Gemeinderat beschnitten.
Weitere Details zur Ortsgeschichte hat Erco von Dietze im sogenannten Strafregister von Vahldorf gefunden. „Dieses wurde vom Amtsvorsteher zum Beispiel für Leumundszeugnisse geführt. Hier wurde sogar das Äpfelklauen vermerkt“, sagt der Fachmann. Und hier fand er auch den Eintrag über einen Mord. Demnach wurde im Jahr 1600 im Dorfkrug ein Mann erschossen.
Franzisen waren wohl kaum in der Niederen Börde
Und Erco von Dietze räumt mit einem überlieferten Missverständnis auf. So sollen Anfang des 19. Jahrhunderts napoleonische Truppen Vahldorf überrannt, die Kirche geplündert und angezündet haben. Die Brandspuren ließen sich noch heute am Eingangsportal nachweisen. „Ich glaube nicht, dass Franzosen jemals in Vahldorf einfielen“, meint von Dietze. Zu unbedeutend und zu schwer zu erreichen, nur eine Furt durch die Ohre verband Vahldorf mit Hillersleben an der Heerstraße. „Die Spuren an der Kirchenpforte stammen von einem Blitzeinschlag, der in den Kirchenunterlagen für das Jahr 1830 nachgewiesen ist“, sagt der Historiker.
Mehr zur Geschichte von Vahldorf können Interessierte am Sonnabend, 2. Dezember, erfahren. Für den Tag laden Erco von Dietze, der Aller-Ohre-Verein und das Museum Haldensleben zur Buchpremiere in die Kirche ein. Bis dahin ist noch einiges zu tun. Vor allem müssen Dokumente und Fotos eingearbeitet werden, bis die Chronik druckreif ist.
Einband für die Chronik gesucht
Und es fehlt noch ein nicht unbedeutendes Detail: Der Einband, der zum Lesen anregen soll. Deshalb haben der Herausgeber sowie der Aller-Ohre-Verein einen öffentlichen Wettbewerb ausgelobt. Kinder und Jugendliche sind aufgerufen, ihre Ideen für den Einband einzureichen. Spätestens bis zum heutigen Mittwoch ist Zeit, die Unterlagen im Museum Haldensleben abzugeben oder per E-Mail einzusenden. Kontakt: Museum Haldensleben, Breiter Gang, Telefonnummer: 03904/2710, E-Mail-Adresse: museumhaldensleben@landkreis-boerde.de.
Die mehrköpfige Jury entscheidet über die Gewinner. Der Sieger erhält ein Preisgeld in Höhe von 70 Euro. Sein Motiv wird zudem den Chronikumschlag schmücken. Der zweite Preis ist mit 30 Euro dotiert. Ein freier Museumseintritt nebst Führung winkt dem Drittplatzierten. Die Preisverleihung und Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten erfolgt während der Chronikpräsentation am 2. Dezember in Vahldorf.