Jubiläum Ältester Deutscher feiert 113. Geburtstag
113 Jahre! Der Havelberger Gustav Gerneth feiert dieses seltene Jubiläum und hat Familie und Bürgermeister willkommen geheißen.
Havelberg l Sein Lieblingskuchen Frankfurter Kranz steht auch an seinem 113. Geburtstag am Montag auf dem Tisch. Urenkelin Tini hat ihn wieder gebacken. Darüber freut sich Gustav Gerneth ganz besonders, denn er mag den Kuchen für sein Leben gern. „Oder Himbeertorte, eins von beiden muss ich ihm jede Woche frisch beim Bäcker kaufen“, berichtet seine Enkelin Christine Rattay. Sie kümmert sich hauptsächlich um den Jubilar, der der älteste Mensch Deutschlands und weltweit wohl der zweitälteste Mann ist.
Wochentags kümmert sie sich um Frühstück, Mittag und Abendbrot. Mittags liest sie ihm aus der Volksstimme vor und plaudert mit ihm über das, was aktuell in der Welt geschieht. „Er ist geistig immer noch fit und beim Kopfrechnen macht er mir was vor. Das habe ich nicht von ihm geerbt“, erzählt die Havelbergerin. Dafür ist sie ebenso kreativ, wie es ihr Opa war. In seiner Wohnung in Havelberg mit Blick auf den Dom und den Stadtgraben stehen Blumen- und Kerzenständer aus Kupfer und selbstgebaute Lampen. Als Dekorateurin hat Christine Rattay ihre Kreativität zu ihrem Beruf gemacht.
Am Wochenende kümmert sich ihr Bruder Michael um Opa. Auch abends hilft er manchmal. Kommt das Mittag in der Woche vom Caterer, kocht Michael am Sonnabend immer Suppe, weil Opa sie gern isst. Sonntags zieht Christine Rattay dann mit ihren Töpfen los, wo Braten und Gemüse schon vorbereitet sind. Kartoffeln kocht sie in Opas Küche und sie macht seine Wohnung sauber. Dann essen sie gemeinsam. „Er mag genauso wie ich deftige Kost, da isst er immer viel mehr als in der Woche“, berichtet sie vom guten Appetit, den Gustav Gerneth auch mit seinen nun 113 Jahren noch hat.
Überhaupt ist er für sein stolzes Alter noch gut drauf. Nur das Gehen funktioniert nicht mehr allein. Viel Zeit verbringt er deshalb im Bett, von wo aus er auch Fernsehen gucken kann. Zu den Mahlzeiten aber steht er auf. Seine Hausärztin besucht ihn einmal im Monat. „Da bekommt er seine Vitaminspritze und der Blutdruck wird gemessen. Der ist in Ordnung. Auch die Grippeschutzimpfung kriegt er jedes Jahr im Herbst.“
Wenn sie ihm aus der Zeitung vorliest, erinnert er sich, wenn zu dem Thema schon mal was berichtet wurde. Im Fernsehen guckt er am liebsten Fußball. Er kennt sich aus mit den Mannschaften. Und wenn sie keine Zeit hatte zu schauen, wie das Wetter wird, erzählt der Opa, ob Sonne oder Regen zu erwarten ist.
Für Christine Rattay ist es ganz normal, dreimal täglich die Stufen hoch zu Opas Wohnung zu gehen und Zeit mit ihm zu verbringen. Dann wird auch mal von früher geplaudert. 1905 in Stettin geboren, wuchs er dort auf und lernte den Beruf des Maschinenschlossers. Um Maschinist zu werden, absolvierte er die erforderlichen Pflichtjahre in einer Reederei, bevor er 1924 sein Patent erhielt und in der See- und Binnenschifffahrt auf allen großen deutschen Flüssen und auf der Ostsee zu Hause war. Durch die Schifffahrt lernte er in der Silvesternacht 1930 seine spätere Frau kennen. Ihr Vater Friedrich Grubert kam aus Havelberg und hatte zwei Schiffe, auf denen Gustav Gerneth auch tätig war. Geheiratet wurde in Havelberg, drei Söhne wurden geboren. Die junge Familie zog, als die Jungs ins Schulalter kamen, nach Stettin. Gustav Gerneth arbeitete als Flugzeug- und Bordmechaniker. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begann sein Militärdienst. Nach zweieinhalb Jahren in russischer Gefangenschaft wieder in Freiheit, fand er seine Familie in Havelberg. Bis zur Schließung des Gaswerkes 1972 arbeitete er in dem Betrieb. In heimatgeschichtlichen Büchern über die Hansestadt sind seine Erinnerungen wertvolle Beiträge.
„Auf den Hintern soll man sich nicht setzen, da wird man steif“, verriet er zu seinem 100. Geburtstag seine Devise. Zu seinem 109. Geburtstag sagte er: „Ich habe immer gut gelebt und gegessen. Keine Diät. Immer Butter, keine Margarine. Ich habe mein Leben lang keine Zigarette angerührt und Alkohol nur zu Feiern getrunken.“ Die gute irische Butter muss ihm seine Enkelin auch heute noch schön dick aufs Brötchen schmieren. „Er ist ein Feinschmecker so wie ich.“ Mittags isst er gern Kompott, am liebsten Himbeeren oder Mandarinen aus dem Glas – mit Vanillesoße.
Zu seinem Ehrentag am Montag gratulierten ihm die drei Enkelkinder Christine, Michael und Henry und die Urenkel Tini und Benny. Viele Gäste mochte er nicht mehr empfangen. Das regt ihn zu sehr auf. Bürgermeister Bernd Poloski, der zum 110. Geburtstag die goldene Amtskette angelegt hatte, weil sich Gustav Gerneth ins Goldene Buch eintrug, überbrachte deshalb neben dem üppig gefüllten Präsentkorb und einem großen farbenprächtigen Blumenstrauß mit den Glückwünschen der Stadt auch die des Landrates, des Ministerpräsidenten und des Bundespräsidenten.
„Er ist geistig wirklich noch sehr fit und wir haben uns gut unterhalten können. Zum Beispiel auch über das Länderspiel am Sonnabend Holland gegen Deutschland. Er ist der Ansicht, dass es nicht allein am Trainer liegt, wenn die Mannschaft verliert. Vielmehr hätten vielleicht einige Spieler ihren Zenit inzwischen überschritten, sagte er“, berichtet der Bürgermeister. Und als Urenkel Benny Gustav Gerneths Name im Internet suchte und stets die Nachricht vom zweitältesten Mann der Welt kam, meinte der 113-Jährige nach einer Weile: Jetzt hör auf zu suchen, nicht dass doch noch einer älter ist als ich.“
Im Geschäft von Christine Rattay gab auch Karl-Heinz Pehl am Montag einen Blumengruß für Gustav Gerneth ab. Er hatte noch bei ihm im damaligen Gaswerk gelernt und denkt jedes Jahr am 15. Oktober an seinen Lehrmeister.
Seine Gäste verabschiedete Gustav Gerneth an seinem Ehrentag übrigens mit den Worten: „Wir sehen uns im nächsten Jahr wieder. Ich habe da oben Bescheid gesagt, dass es für mich noch lange nicht an der Zeit ist.“