Mutmaßlicher Mord an Kezhia H. Ermittler stellen gelöschten Chat-Verlauf her: Hatte Tino B. eine weitere Geliebte?
Verhandlung in Stendal: Der wegen Mordes angeklagte Tino B. hatte offensichtlich ein weiteres intimes Verhältnis. Bereits 2021 hatte er zudem im Internet ein tödliches Betäubungsmittel geordert.
Stendal/Klötze - Dass gelöschte Daten nicht immer völlig verschwunden sind, bewies die Polizei im Fall des mutmaßlichen Mörders von Kezhia H. mit unzähligen wiederhergestellten Chatverläufen oder E-Mails. Die Protokolle wurden während des jüngsten Verhandlungstages öffentlich verlesen. Unglaubliches kam zutage.
Die Dialoge klingen wie Plänkeleien zwischen zwei frisch verliebten Teenagern – obwohl eigentlich nur Kezhia H. jung war – und der Mann, der sie später töten sollte, mehr als doppelt so alt. Die Chatpassagen des Paares, die Richterin Dietlinde Storch während des jüngsten Verhandlungstages im Stendaler Landgericht vorliest, sind jedenfalls voller Herzchen und Smileys und Küsschen.
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Der Chatverlauf vom Tattag, voller sehnsüchtiger Nachfragen der jungen Frau und ebensolcher Antworten, ist wohl an diesem Vormittag für so manchen Zuhörer im Saal nur schwer auszuhalten. Zumal im ersten Teil des fünften Prozesstages ein Sachverständiger noch einmal mit klaren Zahlen und Fakten belegt hatte, wie überlegt Tino B. insbesondere nach der Tötung seiner jungen Freundin vorgegangen war.
Kezhia H. hatte Herzchen und „sabberndes Emoji“ an Tino B. verschickt
Für das spätere Opfer begann der 4. März allerdings wohl voller Vorfreude auf einen schönen gemeinsamen Tag. Noch mitten in der Nacht hatte Kezhia an Tino B. geschrieben: „Wirklich? Und du musst nicht wieder los?“ Beide hatten sich zudem gegenseitig versichert, wie sehr sie sich „brauchen.“ Per Whatsapp schickte die 19-Jährige ihrem Geliebten auch noch Herzchen und ein sogenanntes „sabberndes Emoji“ – das für Lust steht, wie die Richterin zuvor erläutert hatte.
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Zu 13 Uhr hat sich das Paar an dem Tag schließlich verabredet. Offenbar war B. aber nicht ganz pünktlich. Die letzte Nachricht, die die junge Frau je schreiben wird, lautet deshalb: „Schatz, was los? Ich mach mir echt Sorgen.“
All diese Nachrichten waren auf dem Mobiltelefonspeicher von Tino B. noch vorhanden und lesbar. Das galt indes längst nicht für alle. Andere Chats in seinem Handy hatte B. gelöscht. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen hatten Computerfachleute der Polizeiinspektion Stendal aber einige der Daten wiederherstellen können. Mit erstaunlichem Inhalt.
Mordfall Kezhia H.: Liebesbotschaften per WhatsApp an eine andere
So hatte Tino B. offensichtlich auch noch Kontakt zu einer weiteren Frau. Einer gewissen Jessy J. hatte der dreifache Familienvater jedenfalls mehrfach „versichert, wie sehr er sie liebt“. Ihr hatte er zudem über Western Union – ein US-amerikanischer Anbieter von Überweisungen – mehrfach Geld geschickt.
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Zudem können die Experten der Polizei auch einige Daten aus dem gelöschten E-Mail-Verkehr wieder lesbar machen. Demnach hatte B. im Mai 2021 für den Preis von 600 Dollar ein Betäubungsmittel namens Nembutal bestellt - ein in Deutschland nicht erhältliches Barbiturat in Pulverform, das in der Tiermedizin zum Einschläfern benutzt, in nichtdeutschen Staaten aber auch „für den letzten Weg von Menschen“ verwendet werde, wie die Richterin erläuterte.
Dazu hatte er, ebenfalls per E-Mail, eine Gebrauchsanweisung in gebrochenem Deutsch erhalten: „Ihre tödliche Dosis ist 25 Gramm“, hatte der Verkäufer beziffert. Dazu, so heißt es weiter in der Mail, würde die Lieferung auch noch ein Medikament gegen Erbrechen enthalten. Offenbar war das tödliche Pulver aber nicht angekommen. Aus einer weiteren E-Mail, die die Computerspezialisten der Polizei wiederherstellen konnten, ging hervor, dass „das Paket nicht geliefert werden kann.“
Angeklagter Tino B. hat Unterschied zwischen lebenslang und lebenslänglich gegoogelt
Ebenfalls im Protokoll der Datenanalyse findet sich ein Hinweis auf verschiedene Google-Anfragen von Tino B., der demnach mehrfach im Internet nach dem „Unterschied zwischen lebenslang und lebenslänglich“ gesucht hatte.
Letztlich hatten die Kripo-Beamten in der Fachabteilung ihr Augenmerk auch auf die GPS-Daten in beiden Handys des mutmaßlichen Mörders gelegt. Diese geben, wenn sie eingeschaltet sind, an, welche genaue Position ein Gerät zu einem bestimmten Zeitpunkt hat.
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Allerdings hatte B. eben diese Funktion mehrfach unterbrochen. Und zwar genau zum Zeitpunkt der Tat, also am 4. März zwischen 13 und 15 Uhr, und ebenfalls am 6. sowie am 7. März in den Nachtstunden, die der Geliebte von Kezhia H. unter anderem dazu genutzt hatte, eine Grabstelle auszukundschaften und später die Leiche seiner ermordeten Geliebten zu beseitigen.