Über 1000 Jahre altes Gemäuer in der Allerstadt wird auf vielfältige Weise genutzt. Von Jens Pickert Oebisfelde: Sumpfburg als Wahrzeichen
Oebisfelde und das Wahrzeichen der Stadt, die historische Sumpfburg, fanden zu DDR-Zeiten im Prinzip nicht statt. Das änderte sich nach dem 9. November 1989 - dem Tag, als sich die innerdeutsche Grenze öffnete.
Oebisfelde l Die Stadt an der Aller wurde wegen ihrer unmittelbaren Nähe zur Grenze schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach und nach abgeschottet. Erst von den Russen, dann von den DDR-Organen. Für die meisten Personen, die nicht in Oebisfelde wohnten, war es schwierig, in die Allerstadt zu gelangen. Mit der Verschärfung des Grenzregimes sogar unmöglich. Außer man kam in den Besitz eines Passierscheines. Der musste im Regelfall von der Verwandt- und Bekanntschaft beantragt werden. Oft wurden die Anträge jedoch abgelehnt. Kontrollen von Volks- und Transportpolizei und den Grenztruppen standen daher auf der Tagesordnung - auf dem Bahnhof und den Zufahrtsstraßen.
Am 9. November 1989 änderte sich alles. Oebisfelde lag nicht mehr am Rand der eingezäunten und eingemauerten DDR, sondern befand sich nun in der Mitte Deutschlands. Mit dem politischen und wirtschaftlichen Umschwung kam langsam auch Schwung in die Sanierung der Oebisfelder Sumpfburg.
Die Burg diente unseren Vorfahren vor allem zum Schutz vor Übergriffen. Den Namen Sumpfburg erhielt das Oebisfelder Gemäuer wegen des Standortes im Drömling. Die Ex-Stadtarchivare Friedrich-Karl Sonntag und Horst Schröder gehen in ihrer im Jahr 2000 erschienenen Stadtchronik näher darauf ein: "Der Drömling war damals ein Sumpfgebiet noch mit Seeanteilen. Er galt als vollkommen unbegehbar. Der Platz der Burg war gut gewählt. Auf einer Sandbank der Aller - im Westen, Osten und Norden vom ,Sumpfe\' Drömling umgeben und im Süden vom Fluss Aller begrenzt."
Über das Alter der Burg gibt es keine konkreten Daten. Die beiden Chronikschreiber erwähnen allerdings eine interessante Jahreszahl: "Als Otto I. 968 das Bistum Magdeburg gründete, gehörte auch der Burgbezirk Ovesfeld (Oebisfelde) zu diesem Bistum."
Im Laufe der Jahrhunderte hatte das Wahrzeichen der Stadt arg gelitten. Es gab zwar zu DDR-Zeiten Pläne, die Anlage zu sanieren, doch die scheiterten kontinuierlich. Nicht nur wegen der im Osten Deutschlands chronisch fehlenden Mittel, sondern auch weil Oebisfelde als Grenzstadt, in die sowieso keiner hinkam, wohl keine Lobby besaß. "Wenn die Wende nicht gekommen wäre, hätten wir jetzt sicherlich eine Burgruine", sagt der ehemalige Oebisfelder Lehrer Volker Einbrodt.
Sonntag und Schröder erinnern sich in ihrer Chronik an die Anfänge der Burgsanierung: "Schon bald nach Öffnung der Grenze ergriff ein ehemaliger Oebisfelder und nunmehriger Bürger Nordsteimkes, der Tischlermeister Hans-Joachim Schöne, die Initiative zur Aktion ,Rettet die Burg!\'"
Aktion zur Rettung der Burg hat Erfolg
Diese Aktion hatte Erfolg. Dazu schreiben Sonntag und Schröder: "Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bürger, Kommune, Land und Bundesrepublik leisteten in zehn Jahren mehr für die Restaurierung und Verschönerung der Burg als in Jahrhunderten davor.
Spenden, Haushaltsmittel, Fördermittel, Gelder von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz - insgesamt zirka zwei Millionen Mark - schufen die finanzielle Grundlage, beachtliche Ergebnisse zu erzielen: Die Burghöfe wurden gepflastert, beleuchtet und verschönert und geben nun eine wunderschöne Kulisse für verschiedenste Veranstaltungen ab."
Selbstverständlich wurde auch in die Gebäude kräftig investiert. Zum Beispiel in den Ausbau des größten Raumes der Burg - den Rittersaal. Er ist der kulturelle Mittelpunkt der Burg. Konzerte, Vorlesungen, Jugendweihen, Versammlungen, Sitzungen des Stadtrates und Hochzeiten gehen dort über die Bühne. Verbunden ist der Saal mit dem sogenannten Verbinder - einem Versammlungsraum. Er ist wie der Rittersaal von beiden Burghöfen aus zu erreichen. Genutzt wird der ebenfalls sehr schön sanierte Raum auch für kleinere Empfänge und Feiern.
Ins Renovierungsvisier gerieten bis dato ebenfalls das Pferdekopfhaus, Sitz von Ämtern der Stadtverwaltung, die Burgkapelle, die darunter befindliche Stube der Heimatvertriebenen, das Kaminzimmer, die Reithalle (sie wird vor allem für Konzerte, Tanzabende und Verkaufsmärkte genutzt) und der Burgturm, auch Bergfried genannt.
Der 27 Meter hohe Turm ist vielleicht der Anziehungspunkt der Burganlage. Entsprechend wurde er aufgepäppelt. Jahrzehnte war das Bauwerk für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Weg auf die Aussichtsplattform war indes mühsam. Er führte auf Tritteisen, die in die Turmmauer eingelassen sind, im oberen Abschnitt durch einen nicht mehr genutzten Wasserbehälter aus Stahlbeton. Denn der Turm diente zur Trinkwasserversorgung der Bevölkerung auch als Wasserturm. 1937 wurde der Betonbehälter eingebaut. Ende der 90er Jahre, mit Beginn der Turmsanierung, wurde der Behälter dann mit viel Aufwand entfernt. Außerdem erhielt der Turm im Zuge der Sanierung eine Wendeltreppe aus Stahl, so dass die Plattform nun von jedem, der es schafft, zu erreichen ist.
Nicht ganz zufrieden waren die Oebisfelder allerdings mit dem Abschluss auf der Plattform. Diente vor der Sanierung eine einfache Platte dazu, um den Turm notdürftig vor dem Regenwasser zu schützen, steht dort nun eine kleine Holzhütte, die, wie viele Oebisfelder meinen, einer Würstchenbude ähnelt. Vorschläge, den Abschluss auf der Plattform anders zu gestalten, wurden vom Denkmalschutz abgewiesen.
Allerdings entschädigt der Ausblick vom Turm. Bei klarer Sicht sind weite Blicke in die umliegenden Regionen, natürlich auch in den benachbarten Naturpark Drömling, mög- lich.
1992 begann für die Burg dann ein ganz wichtiger Abschnitt - der Oebisfelder Heimatverein wurde gegründet. Eine zu diesem Zeitpunkt noch kleine Gemeinschaft heimatverbundener Oebisfelder machte es sich zur Aufgabe, nicht nur bei der Rettung der Burg mit anzupacken, sondern auch die Oebisfelder Geschichte aufzuarbeiten. Entsprechende Räumlichkeiten zur Vereinsarbeit wurden gesucht und mit dem ehemaligen Gesindehaus auf dem kleinen Burghof gefunden. Das Fachwerkhaus diente laut Chronik von Sonntag und Schröder bis 1982 als Wohnhaus und befand sich in einem schlechten Zustand. Der änderte sich. Kommune und Verein brachten das Haus auf Vordermann, so dass die Heimatfreunde durchstarten konnten. Sie richteten im Gesindehaus zunächst eine Heimatstube ein. Ausgebaut wurde das Haus schließlich zum Burg- und Heimatmuseum.
Von ihrem Stammsitz aus starten die Heimatfreunde zahlreiche Aktivitäten - Burg- und Stadt- sowie Museumsführungen, Nachtwächterführungen und auch Konzerte auf dem großen Burghof und in der Reithalle. Dabei erfahren die Gäste viel über die einstigen Burgherren und das Leben mittelalterlichen Oebisfelde.