Bürger erhält amtliche Briefpost: "E-Mails werden zukünftig durch uns nicht geöffnet" Elektronische Post lässt Justitia kalt - Gerichte akzeptieren nur Briefe oder Faxe
Einen ungewöhnlichen Brief (per Post) erhielt unser Leser Heinz-Günter Braasch vom Sozialgericht. Darin hieß es unter anderem: "E-Mails werden durch uns nicht geöffnet". Das Gericht ruderte auf Nachfrage zwar zurück, bestätigte aber das Prinzip.
Magdeburg l Das empfand Heinz-Günther Braasch aus Neu-Olvenstedt dann doch als ungewöhnlich, dass er auf die Einreichung einer Klage vor dem Sozialgericht einen Brief mit dem in kursiver Schrift herausgestellten Inhalt erhielt: "Sie werden aufgefordert, zukünftig Ihre Schriftsätze per Post oder Telefax zu übersenden. E-Mails werden zukünftig durch uns nicht geöffnet." Bitte? Der Leser wandte sich an die Zeitung und meinte: "Es erscheint aus diesem Schreiben, dass der Präsident des Sozialgerichtes die umweltschonende, papierschonende, schnelle und kostengünstige Kommunikation per E-Mail mit sorfortiger Wirkung vollständig einstellt."
Die Volksstimme ging der Sache auf den Grund und hat sich telefonisch an das Sozialgericht Magdeburg gewendet. Dort verwies man an die Pressestelle des Landessozialgerichtes in Halle. Carsten Schäfer, Vorsitzender Richter, erklärte, dass es durchaus gelegentlich Unsicherheiten im Umgang mit dem E-Mail-Verkehr geben kann. Daher sei dies auch in den "Regelungen über den elektronischen Geschäftsverkehr" beschrieben. Wenn die Redaktion mehr wissen wolle, solle sie doch eine E-Mail schicken. Carsten Schäfer, fügte nicht ganz ernst gemeint hinzu: "Ich werde sie auch öffnen, versprochen."
Das tat er dann auch und leitete folgende Stellungnahme des Direktors des Sozialgerichtes Magdeburg, Peter Stellmach, weiter: "Alle E-Mails von Bürgern werden anweisungsgemäß (Dienstanweisung des Ministeriums der Justiz vom 12. 7. 2004 für die Nutzung von E-Mail, Intranet und Internet) ausgedruckt und in den Geschäftsgang der Gerichtsverwaltung gegeben, es sei denn, es ergibt sich ein Hinweis auf eine Gefährdung, z. B. durch eine Spam-Mail oder Viren.
Wenden sich Bürger in Rechtssachen, also in anhängigen Verfahren oder erstmalig mit einer Klage- bzw. Antragsschrift, unzulässigerweise per E-Mail an das Sozialgericht, erhalten sie ein von mir entworfenes Musterschreiben. Zusätzlich befindet sich auf dem Schreiben des Sozialgerichts in der Fußnote neben den Gerichtsdaten und der E-Mail-Adresse auch immer der Hinweis, dass in Rechtssachen die E-Mail-Adresse des Gerichts nicht verwendet werden darf. Schließlich wird auch im Internetauftritt des Gerichts hierauf hingewiesen."
Im konkreten Fall sei die Anweisung von der Mitarbeiterin der Poststelle versehentlich nicht beachtet worden. "Das per E-Mail eingegangene Schreiben des klagenden Bürgers ist der 10. Kammer zugeordnet worden, weil dort seine Sache anhängig ist. Der zuständige Kammervorsitzende hat dem Kläger allerdings im Ergebnis nichts anderes mitgeteilt, als aus meinem Musterschreiben zu entnehmen gewesen wäre."
Das heißt, man könne dem Gericht zwar schreiben, die E-Mail wird per Dienstanweisung offenbar nun doch geöffnet, aber verwendet wird der Inhalt dennoch nicht. Die Begründung ist auf der Internetseite des Sozialgerichtes nachzulesen: "Es ist nicht zulässig, bei einem Gericht oder sonstigen Justizbehörde des Landes Sachsen-Anhalt per E-Mail Klage zu erheben, Anträge zu stellen, Rechtsmittel einzulegen oder sonstige Prozesserklärungen abzugeben." Eine solche ablehnende Praxis bestätigte auch Frank Gärtner, Sprecher des Magdeburger Amtsgerichtes. Er betreut die Anfragen von Bürgern, die im Amtsgericht per E-Mail einlaufen. "Wenn es um Stellungnahmen zu Verfahren geht, dürfen wir diese ohne Unterschrift nicht in die Akte geben. Da antworten wir dann auch, dass die schriftlich erfolgen muss." Ansonsten beantworte das Gericht auch schon mal Fragen auf dem elektronischen Weg. Zum Beispiel nach Terminen von Verhandlungen.
Ute Albersmann, Sprecherin des Justizministeriums, bestätigte auf Anfrage der Volksstimme: Die Nutzung von E-Mail als Ersatz des postalischen Schriftverkehrs ist nur in Verwaltungssachen möglich. "In allen Rechtssachen erfolgt die Kommunikation nicht per E-Mail, sondern im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs, der den sicheren, vertraulichen und rechtlich wirksamen Austausch elektronischer Dokumente zwischen Bürgern, Behörden und Gerichten gewährt. Hierzu ist das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) zu nutzen (www.egvp.de)", teilte die Sprecherin mit
Als Ersatz der eigenhändigen Unterschrift werde die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur anerkannt. Hierfür bedarf es einer besonderen Registrierung.
Der elektronische Rechtsverkehr ist derzeit nur im Mahnverfahren, im Registerverfahren sowie in der Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsbarkeit zugelassen. Für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt bestehen Regelungen für den Umgang mit E-Mails. Eingehende E-Mails seien wie normale Briefpost auszudrucken und in den Geschäftsgang zu geben.
Die von der Post forcierte E-Post wird derzeit für den Geschäftsverkehr nicht zugelassen, da diese nicht dem für die Justiz erforderlichen Übertragungsstandard entspreche.